Liebe aus Sicht der Wissenschaft Ein Ethnologe schaut auf die Liebe

Bonn · Professor Christoph Antweiler nimmt teil an einem Bonner Symposium über das wunderbarste aller Gefühle

Eine rein rhetorische Frage: Kann es einen schöneren Gegenstand eines Symposiums geben als die laut Duden „starke, im Gefühl begründete Zuneigung zu einem (nahestehenden) Menschen“? Natürlich nicht! Das hat sich offenbar auch der Deutsche Hochschulverband gesagt und für den heutigen Mittwoch eine interdisziplinäre Fachtagung über „die Liebe – aus Sicht der Wissenschaft“ in Bonn konzipiert.

Forscher aus ganz Deutschland sowie Österreich tragen ihre jeweilige Perspektive auf das wunderbarste aller Gefühle vor. Die Besucher lernen etwas über die Liebe aus Sicht eines Historikers, eines Biologen, eines Literaturwissenschaftlers und eines Psychologen. Den Reigen komplett macht Christoph Antweiler, Bonner Professor am Institut für Orient- und Asienwissenschaften. Er liefert die Perspektive des Ethnologen, nähert sich dem viel beschriebenen – und auch besungenen – Phänomen also auf der Grundlage des Kulturvergleichs.

„Wenn Liebe romantisch ist, gilt sie in den Geistes- und Kulturwissenschaften gemeinhin als westlich geprägt. Man denke nur an den mittelalterlichen Minnegesang der Ritter für die von ihnen hoch geschätzten Damen. Historiker sagen, dass das Konzept im Abendland entstanden und in nichtwestlichen Kulturen auf Eliten beschränkt sei“, erklärt Antweiler.

Verliebtheit wird quer durch alle Kulturen ähnlich erlebt

Neue Forschungen dagegen zeigten, dass vor allem das Erleben romantischer Liebe und die Beschreibungen der dazugehörigen Phänomene quer durch die Kulturen ähnlich seien. „Überall wird beschrieben, dass Verliebte so etwas wie Schmetterlinge im Bauch fühlen, dass ihre Körpertemperatur in der akuten Phase des Verliebtseins leicht ansteigt und dass sich das Paar als füreinander geschaffen und bestimmt betrachtet.“

Antweiler forscht viel in Indonesien und hat dort lange Zeit in einer Familie gelebt, die zur Volksgruppe der Makassar gehört. „In dieser Kultur gibt es kein einzelnes Wort für “Liebe„, dafür aber etwa 30 andere Begriffe, die größtenteils das fürsorgliche und mitfühlende Miteinander in der Ehe beschreiben“, erklärt Antweiler. Die romantisch-erotischen Aspekte in Beziehungen blieben von der Sprache eher unterbelichtet. „Das Thema Sexualität gibt es dort natürlich auch. Es gilt jedoch als etwas ganz Natürliches, um das man sich nicht besonders kümmern muss“, so der 62-Jährige.

Die andere Seite der Medaille, die Antweiler auch kennt und beschreibt: Was geschieht in dieser Gesellschaft, wenn es starke romantische Gefühle mit erotischer Komponente unter Jugendlichen gibt, die noch nicht miteinander verheiratet sind? Laut dem Ethnologen werden die meisten Bünde fürs Leben bei den Makassar von den Familien der jungen Leute aus sogenannten Vernunftgründen arrangiert. Man gehe davon aus, dass sich die erotische Anziehungskraft im Laufe der Ehe entwickeln könne. Sie gelte nicht als Ausgangspunkt für die Beziehung. Geschieht dies nicht, könne immer noch ein Magier hinzugezogen werden, der die Dinge in die richtige Richtung lenken soll.

Bei den Makassar gilt Sex vor der Ehe als eine Krankheit

Bei den Makassar herrsche die Vorstellung, dass es eine romantische Beziehung unter unverheirateten jungen Leuten möglichst gar nicht geben sollte. Und wenn es doch so sei, so sollten es die beiden nicht öffentlich zeigen und keine sexuelle Beziehung eingehen. Denn wenn doch, führe dies zu einer Ehrbeleidigung der Familie der Frau und müsse mit Gewalt gerächt werden. „Unter den vielen Begriffen, die die Liebe beschreiben, gibt es dort einen Terminus, der das in etwa trifft. Er heißt so viel wie “krank vor Liebe„. Die Auswirkungen dieses Zustandes werden als sozial so gefährlich eingestuft, dass die Sache pathologisiert wird“, erklärt Antweiler.

Laut dem Ethnologen ist die Liebesthematik nur in ganz wenigen von insgesamt 7000 Kulturen, die seine Disziplin weltweit untersuchen könnte, systematisch erforscht worden. Er und seine Kollegen sind darauf geschult, vor allem die Unterschiede zwischen den Kulturen zu sehen. Er hat sich jedoch vorgenommen, auch mal nach den universalen Gemeinsamkeiten zu schauen.

In Bezug auf die Liebe, speziell auf die Ehe, macht Antweiler folgende Gemeinsamkeiten weltweit aus: In allen Kulturen gebe es Regeln zu mindestens einer der drei Fragen. Erstens: Wer darf wen überhaupt heiraten? Soll heißen: Muss der Partner aus der eigenen Verwandtschaftsgruppe kommen, oder eben nicht? Zweitens: Wie viele Menschen darf man heiraten? Drittens: Wo wohnt das Paar nach der Eheschließung? Die Regeln selbst fallen dann wiederum höchst unterschiedlich aus und eröffnen den Ethnologen weltweit ein weiteres großes Betätigungsfeld.

Das kostenpflichtige Symposium (50 Euro Teilnahmegebühr) findet am heutigen Mittwoch von 10 bis etwa 16.15 Uhr im Wissenschaftszentrum Bonn, Ahrstraße 45, statt. Weitere Infos dazu gibt es unter www.hochschulverband.de/symposien.html

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