Ausgehen in Köln Aldi-Bistro lockt Kölner mit Kampfpreisen

Köln · Der Discounter serviert Linsensuppe und Nudeln mit Tomatensauce. Die Strategie soll junge Kunden überzeugen.

 Penne mit Tomaten und Thunfischcreme für 4,50 Euro.

Penne mit Tomaten und Thunfischcreme für 4,50 Euro.

Foto: knd

Es ist nicht mal halb zwölf und die meisten Plätze sind bereits besetzt. Eine Dreiviertelstunde später müssen die ersten Gäste auf einen freien Tisch warten. Die Neugier auf das, was es seit Kurzem am Mediapark in Köln gibt, ist groß. Das erste Aldi-Bistro Deutschlands serviert hier seit rund zwei Wochen Gerichte mit hauseigenen Produkten.

Von außen Schiffscontainer mit Holzverkleidung und Fensterfront, innen eine Mischung aus Indus-triestil und schwedischem Möbelhaus. Frische Kräuter auf den Tischen, die Sitzbänke zieren türkisfarbene Kissen – eine angenehme Atmosphäre.

Einfache Gerichte zu sehr günstigen Preisen

Doch der Grund, weshalb die Gäste anstehen, ist das Essen, das es zu Kampfpreisen gibt: Ein Dreigängemenü für 7,99 Euro, ein Hauptgang einzeln, egal ob mit Fleisch, Fisch oder vegetarisch, für 4,50 Euro. Wasser und Kaffee kosten jeweils einen Euro. Die Gerichte sind einfach, an diesem Tag gibt es Linseneintopf, Currywurst mit Bratkartoffeln und Penne mit Tomatensoße.

Ein Konzept, das an diesem Vormittag auch den Fernsehkoch Mirko Reeh für ein Testessen nach Köln lockt. Mirko ist für den Privatsender Sat1. als „Koch undercover“ unterwegs. In Frankfurt betreibt er eine Kochschule und ein Restaurant. Er will den „Hype“ verstehen, der gerade um das Bistro entsteht, sagt er. „Die Stühle sind schon mal unbequem“, bemerkt er, als er auf einem der Hocker Platz nimmt. Die Kellnerin weiß nicht, wer vor ihr sitzt. Die kleine versteckte Kamera in der schwarzen Tasche auf dem Tisch fällt nicht auf.

Verwirrte Kellnerin

Mirko will vegetarisch essen. Doch das ist nicht so einfach. Der Hauptgang klingt zwar gut: Falafel-Wraps mit Minzjoghurt. Doch es gibt nur eine Vorspeise: Linseneintopf mit Bockwurst. „Das kann ja nicht sein, dass ihr zu einem vegetarischen Menü Linsensuppe mit Würstchen serviert?“, erwidert Mirko der Kellnerin. Die ist sichtlich verwirrt, stimmt ihm aber zu. „Vielleicht haben wir noch einen Salat in der Küche“, schlägt sie vor. Mirko schüttelt den Kopf, gibt sich damit aber zufrieden.

Die Karte im Aldi-Bistro wechselt täglich, die Rezepte stehen zum Mitnehmen auf dem Tisch. Die ganze Aktion gehört zur Marketingstrategie des Unternehmens. Dem Discounter geht es darum, auf „das Sortiment aufmerksam zu machen“, wie es auf Anfrage heißt. Besonders hat das Unternehmen dabei die jüngere Zielgruppe im Blick.

Aus gutem Grund: Laut Handelsexperte Wolfgang Adlwarth vom Nürnberger Konsumforschungsinstitut GfK hat Aldi gerade unter den Kunden unter 39 Jahren in den letzten Jahren Marktanteile verloren. Damit steht Aldi nicht alleine da. Anderen Discountern geht es ähnlich.

Insgesamt haben Supermärkte wie Edeka und Rewe bei jüngeren Käufern in den letzten Jahren zunehmend an Beliebtheit gewonnen. Dazu kommt, dass der Umsatz von Aldi Süd stagniert ist innerhalb der letzten zwei Jahre. Erst seit Anfang dieses Jahres wachsen die Discounter nach einer aktuellen GfK-Studie wieder. Die Autoren glauben allerdings an irdische Gründe für diesen Umschwung. wie die sich verstärkende Inflation (an ganz anderer Stelle, nämlich bei den Energiekosten).

Der Discounter selbst teilt mit, er sei „grundsätzlich mit der Umsatzentwicklung zufrieden“. Allerdings dulde man keinen Stillstand, heißt es weiter. Um die Kunden zu halten, gibt Aldi Süd Gas: Zunehmend kommen Markenartikel ins Sortiment. Die Filialen werden gerade modernisiert. Sogar ein Music-Streaming-Dienst ist mittlerweile im Angebot.

Linseneintopf, wie ihn die Oma immer gemacht hat

Für TV-Koch Mirko geht es heute nur ums Essen. Seine Vorspeise – den improvisierten Salat – kommentiert er überhaupt nicht. Sein Kameramann hat Linseneintopf: „Das ist halt so ,wie die Oma ihn immer gemacht hat. Aber das ist ja in Ordnung“, findet Mirko. Und seine Falafel-Wraps? „Eben etwas Salat mit drei kleinen Falafeln“ – Nichts Besonderes. Aber das hat er auch nicht erwartet.

In seinem Nachtisch – einem Schoko-Cup-cake – stochert er etwas lustlos herum. „Viel Treibmittel, damit er gut hochgeht.“ Als die Kellnerin ihn fragt, ob es geschmeckt hat, antwortet er ehrlich: „Es war okay.“ Die Gäste am Nebentisch machen allerdings zufriedene Gesichter und quittieren die Frage der Kellnerin mit „sehr gut“. Dafür seien die Portionen „ausreichend“, urteilt der TV-Koch.

Je voller es wird, desto gestresster wirkt die Kellnerin. Den Kaffee vergisst sie erst. Dafür geht er aufs Haus. „Die sind überfordert“, kommentiert Mirko. Die Kellnerin blickt sich hilfesuchend um und muss an den Tischen nachfragen, wo die Vorspeise noch fehlt. „Aber sie sind sehr freundlich.“ Insgesamt arbeiten zwölf Mitarbeiter im Aldi-Bistro – Servicekräfte und mehrere Köche – , die eine Agentur ausgewählt und geschult hat.

Aldi will mit Einfachheit überzeugen

20 Euro zahlt Mirko am Ende für seinen Kameramann und sich selbst für jeweils drei Gänge inklusive Getränke. Ob der Discounter mit diesen Preisen Gewinn erzielt, ist fraglich. Aber darum geht es auch nicht. Auf Anfrage erklärt der Discounter, dass er sich zu Umsätzen und Gewinn des Bistros nicht äußern wolle.

Es ginge in erster Linie darum, „verstärkt darauf aufmerksam zu machen, was uns bei Aldi Süd auszeichnet: Die Einfachheit. Die Kunden finden bei uns einen ausgewählten Menüplan und müssen sich nicht zwischen kompliziert klingenden Gerichten entscheiden“, heißt es schriftlich.

Insgesamt drei Monate bleibt das Aldi-Bistro in Köln – also bis Ende Juli. Anschließend zieht es weiter in eine andere Stadt. Wieder für drei Monate. Wohin, verrät Aldi Süd allerdings noch nicht. Auch die Mitarbeiter im Bistro sind eher verschwiegen.

Nachdem Mirko gezahlt hat, verlässt er das Bistro und kommt zehn Minuten später mit Kamera und Mikro wieder rein und löst seinen Undercover-Test auf. Er geht auf den Koch zu und fragt, ob er ihn interviewen darf. Doch dieser winkt ab. Er sehe doch, was hier los sei. Da stünden die Gäste im Vordergrund. Für alles andere sei keine Zeit.

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