Kommentar zur französischen Präsidentschaftswahl Gespaltenes Land

Meinung · Von allen Kandidaten bei der französischen Präsidentschaftswahl scheint Emmanuel Macron am besten geeignet zu sein. Der Neuanfang, den er verspricht, ist dringend nötig, meint GA-Korrespondentin Birgit Holzer.

 Der sozialliberale Emmanuel Macron und Rechtspopulistin Marine Le Pen.

Der sozialliberale Emmanuel Macron und Rechtspopulistin Marine Le Pen.

Foto: dpa

Nach einem aufreibenden Wahlkampf-Marathon scheint Emmanuel Macron für die zweite Runde der französischen Präsidentschaftswahl bestens platziert zu sein. Doch das Schwierigste steht ihm noch bevor: Für alle Franzosen zu sprechen, sie aus der Vertrauenskrise zu führen und zu einen. Denn das Land, das sich auf die Brüderlichkeit aller beruft, erscheint so gespalten wie kaum zuvor.

Zwar lassen Macrons strahlendes Siegerlächeln, die wohlwollenden Reaktionen der Presse und der europäischen Partner zunächst über die vielen hasserfüllten Kommentare hinwegsehen, die das Votum provoziert. Aber sie erlauben bereits eine Vorahnung, wie schwer sich der Kandidat der Mitte tun dürfte, solange viele die Konfrontation statt einen konstruktiven Konsens suchen. Leider bestimmt dieses Verhalten Frankreichs politische Kultur.

Marine Le Pens Anhänger lehnen Macron als schnöseligen Vertreter einer fernen Elite ab; die Fans des Republikaners François Fillon werfen den französischen Medien eine Schmutzkampagne vor und fühlen sich um den Sieg für ihren Mann betrogen. Die radikale Linke wiederum brandmarkt eine schrittweise Liberalisierung der Wirtschaft, wie Macron sie plant, als indiskutablen Neoliberalismus. Und jeder fünfte Stimmberechtigte ging gar nicht erst zur Wahl: Auch das drückt den weit verbreiteten Verdruss vieler Franzosen über ihre Politiker aus.

Ein präziserer Blick auf die Wahlergebnisse verstärkt den Eindruck eines zerklüfteten Landes. So konnte Macron überwiegend in größeren Städten punkten, seine Wähler verfügen meistens über einen Universitätsabschluss und ein komfortables Gehalt. Le Pen wiederum erhielt besonders viele Stimmen von Arbeitern, Geringverdienern und der Landbevölkerung. Der Konservative Fillon wiederum kam besonders gut bei älteren und gut situierten Franzosen sowie praktizierenden Katholiken an, während der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon am meisten Jungwähler begeisterte.

Darüber hinaus hat jeder zweite Wähler für einen Kandidaten gestimmt, der mehr oder weniger stark Frankreichs Zugehörigkeit zur EU in Frage stellt. Sollte der Pro-Europäer Macron siegen, wäre es ein Fehler, diese Stimmung und ihre Gründe zu übergehen.

Denn diese Analysen legen nahe, wie fragil die Mehrheit des nächsten Präsidenten sein wird. Er muss zuhören, Sorgen ernst nehmen, Überzeugungsarbeit leisten. Wichtig ist es, in Schulen und Bildung zu investieren und die hohe Arbeitslosigkeit gerade unter den Jungen zu bekämpfen. Im Zuge von Reformen mit Augenmaß und einem Aufschwung der Wirtschaft sollte auch das Selbstbewusstsein der Menschen zurückkommen. Die Aufgaben sind riesig. Von allen Kandidaten scheint Macron am besten für sie gewappnet zu sein. Der Neuanfang, den er verspricht, ist dringend nötig.

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