Kommentar zur Kriminalstatistik Digitale Verrohung

Meinung · Wer mit verbaler Gewalt digital wütet, trägt zum Senken der Hemmschwelle im realen Leben bei, meint Gregor Mayntz zur aktuellen Kriminalstatistik.

 Laut aktueller Kriminalstatistik ist die Zahl der Gewalttaten gestiegen.

Laut aktueller Kriminalstatistik ist die Zahl der Gewalttaten gestiegen.

Foto: dpa

Eine Verrohung der Gesellschaft hat Bundesinnenminister Thomas de Maizière bei der Vorstellung der jüngsten Kriminalitätsstatistik beklagt. Es gebe insgesamt einen Anstieg von Respektlosigkeit, Gewalt und Hass. Bereits seit Jahren treibt den CDU-Politiker dieses Phänomen um, ist er doch innerhalb der Regierung in besonderer Weise für den Zusammenhalt der Gesellschaft zuständig.

Tatsächlich ist es Zeit für eine Übertragung der „Broken-Window“-Theorie ins Internet-Zeitalter. Die These vom zerbrochenen Fenster als erstem Zeichen für spätere Verrohung und Gewalt stammt aus den 80er Jahren und wurde getestet in einem New York, das geprägt war von Mord, Dreck und solchen Zonen, in denen man sich ohne Gefahr für Leib und Leben besser nicht aufhielt.

Sie beruhte vor allem auf der Annahme, dass dort, wo ein Fenster kaputt geht und nicht mehr repariert wird, man über kurz oder lang auch mit Mord rechnen muss. Daraus erwuchs die Null-Toleranz-Strategie, die nach Ansicht von Kritikern die Verhältnismäßigkeit missachtete und willkürlicher Kriminalisierung selbst kleinster Vergehen Vorschub leistete. Der Effekt bestand jedenfalls in einem drastischen Rückgang von Mord und Gewalt.

Die Gesellschaft sollte die Lehren aus New York ins weltweite Netz übertragen. Sinnigerweise kann hierbei „Broken Window“ ganz leicht mit dem Namen des weitverbreiteten Betriebssystems als Gedankenstütze verknüpft werden. Also: Wer mit verbaler Gewalt digital wütet, trägt zum Senken der Hemmschwelle im realen Leben bei.

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