Präsidentschaftswahl in Frankreich So kämpfte sich Emmanuel Macron an die Spitze

Paris · Emmanuel Macron könnte Frankreichs neuer Staatschef werden – zahlreiche Unterstützer gegen Marine Le Pen hat er bereits gesammelt. Wie konnte er so schnell so weit kommen?

 Der sozialliberale Emmanuel Macron und Rechtspopulistin Marine Le Pen.

Der sozialliberale Emmanuel Macron und Rechtspopulistin Marine Le Pen.

Foto: dpa

Ich habe das Gefühl, dass wir noch von dir hören werden.“ Zunächst war es wohl nur eine vage Vorahnung des französischen Finanzministers Michel Sapin, als sein junger Kollege Emmanuel Macron am 31. August vergangenen Jahres aus dem Kabinett verabschiedet wurde. Macron trat als Wirtschaftsminister zurück, um sich in ein politisches Abenteuer zu stürzen, das aussichtslos, ja halsbrecherisch erschien: mit seiner eigenen, im April gegründeten Partei „En marche!“ („In Bewegung!“) bei der Präsidentschaftswahl zu kandidieren.

Viele Franzosen misstrauten dem Absolventen von Elitehochschulen, der als Investmentbanker beim Geldhaus Rothschild arbeitete, bevor er sich von Präsident François Hollande zunächst als Wirtschaftsberater, dann als Minister anheuern ließ. Sie warfen ihm vor, mit seinen unternehmerfreundlichen Liberalisierungsreformen soziale Standards auszuhöhlen.

Auf der politischen Skala positionierte sich der jugendlich wirkende Ex-Minister riskant, nämlich irgendwo zwischen links und rechts in einem Land, das seit Jahrzehnten von der traditionellen Konfrontation zwischen Sozialisten und Konservativen geprägt war, zuletzt nur durchbrochen vom Aufstieg der rechtsextremen Front National.

Nie zuvor hatte Macron bei einer regionalen oder kommunalen Wahl kandidiert, diesen Weg einmal sogar als „Laufbahn einer vergangenen Zeit“ bezeichnet – auch das brachte ihm Kritik ein. Sein Vorpreschen erschien allzu dreist und kränkte auch seinen politischen Ziehvater, Präsident François Hollande. Und doch gab Sapin, ein enger Freund Hollandes, Macron bei seinem Kabinetts-Abschied am 31. August 2016 bedeutungsschwere Worte mit auf den Weg: „Ich wünsche dir viel Glück. Hoffentlich wird es das Glück für uns alle.“

Knapp acht Monate später am Abend der ersten Runde der Präsidentschaftswahl steht der Politik-Novize etwas überwältigt vor seinen ausgelassenen Anhängern. Mit 23,8 Prozent konnte er sich als stärkste Kraft für die Stichwahl am 7. Mai qualifizieren. Rechtspopulistin Marine Le Pen liegt mit 21,4 Prozent klar hinter ihm. Sie ist künftig Macrons einzige Gegnerin. Er wiederum sendet Signale der Einheit an alle anderen aus, um „unser Frankreich zu versöhnen“: „Ich höre die Zweifel und die Wut des französischen Volkes. In zwei Wochen möchte ich euer aller Präsident werden“, sagt Macron mit tragendem Ernst.

„Es geht darum, eine neue Seite unseres politischen Lebens aufzuschlagen.“ Auf der Bühne gibt der 39-Jährige seiner Frau Brigitte einen Kuss und spricht ihr seinen Dank aus: „Ohne dich wäre ich heute nicht hier.“ Am Wahlkampf beteiligte sich die energische 63-Jährige aktiv. Sie könnte Frankreichs nächste Première Dame werden. Umfragen sehen Macron bereits klar vor Le Pen.

Deren Anhänger kritisieren am nächsten Tag, er benehme sich, als habe er bereits gewonnen. „Mit Helium aufgeblasen“ nennt ihn der Generalsekretär der Front National, Florian Philippot: Während der unabhängige Kandidat „alle Medien-Chefs im Hemdsärmel“ trage, vertrete nur Le Pen das Volk. Die scharfe Reaktion lässt Enttäuschung durchscheinen. Zwar bleibt der Einzug in die Stichwahl ein Triumph für die Front National, für die rund 7,6 Millionen Franzosen stimmten.

Doch schon baut sich eine Anti-Front auf, angefangen vom sozialistischen Kandidaten Benoît Hamon an, der mit nur 6,3 Prozent hinter den ohnehin geringen Erwartungen zurückblieb und zur Wahl Macrons aufrief. Das Parteibüro zog am Montag nach, während sich Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon nicht zu dieser Entscheidung durchringen konnte: Die 19,6 Prozent, die er erhielt, will er nicht ohne weiteres dem „ultraliberalen“ Macron schenken. Seine Anhänger rief Mélenchon auf, über seine Internet-Plattform abzustimmen.

Wie die Sozialisten stehen auch die Republikaner vor einem Scherbenhaufen. Dabei hatten diese bei dieser Präsidentschaftswahl ursprünglich ausgezeichnete Siegeschancen. In einer viel beachteten Vorwahl mobilisierten sie zahlreiche Wähler und bestimmten mit Fillon ihren Kandidaten – der sie dann mit in seinen Affärensumpf zog. Wochenlang bestimmten Enthüllungen über seinen aufwändigen Lebensstil die Schlagzeilen. Noch am Wahlabend übernahm der Ex-Regierungschef, der mit 20 Prozent nur Drittplatzierter wurde, die Verantwortung für die Niederlage. Lange dauerte es nicht, bis Parteifreunde nachtraten. „Nicht die bürgerliche Rechte hat verloren, sondern François Fillon“, ätzte Ex-Arbeitsminister Eric Woerth.

Erstmals sind zwar beide großen Volksparteien bei der Präsidentschaftswahl gescheitert. Aber sie konzentrieren sich nun auf die Parlamentswahlen im Juni, um sich dennoch Machtoptionen zu bewahren. Erst dann entscheidet sich, ob der Präsident Allianzen mit anderen Lagern bilden muss – denn die Mehrheitspartei in der Nationalversammlung stellt den Regierungschef. „En Marche!“ wiederum stellt zwar in allen Wahlkreisen eigene Kandidaten auf. Doch im Zweifelsfall könnte Macron auch mit den Sozialisten oder den Republikanern Koalitionen bilden. Es wäre Neuland für Frankreich, doch das scheint er nicht zu fürchten – so wie er in der Vergangenheit nichts für unmöglich hielt. Nicht einmal, der jüngste Präsident in Frankreichs Geschichte zu werden.

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