Kommentar zum Streit in der Union Horst Seehofer hat sich verpokert

Meinung | Berlin · Die alte Masche von Horst Seehofer, den Rücktritt vom Rücktritt durchzuführen, zieht nun nicht mehr. Der Innenminister führt sich gerade selbst ad absurdum. Ein Kommentar.

 Bundesinnenminister Horst Seehofer.

Bundesinnenminister Horst Seehofer.

Foto: picture alliance / dpa

Er geht, er geht nicht, er geht, er geht doch nicht. Horst Seehofer bleibt ein Meister des Rücktritts vom Rücktritt. Links antäuschen, rechts vorbeigehen. Alter Trick. Das hat er schon gemacht, als er 2015 seinen Rückzug vom Amt des Ministerpräsidenten für die Landtagswahl 2018 ankündigte – und sich dann wieder selbst einwechselte, ehe er auf diesem Posten schließlich doch seinem Dauerrivalen Markus Söder Platz machen musste.

Nur dieses Mal zieht die Masche nicht mehr, selbst wenn er bliebe. Seehofer führt sich gerade selbst ad absurdum. Der Mehrakter, den vor allem die CSU in diesen Wochen aufführt, hat schon lange nichts mehr mit Rationalität zu tun, aber viel mit den Chancen einer Landtagswahl. Tatsächlich braucht diesen Streit zwischen Seehofer und CDU-Chefin Angela Merkel kein Mensch. Diese Regierung nicht, die Unionsparteien nicht und die Republik sowieso nicht.

Es wäre am ehrlichsten, CSU-Chef Seehofer würde an dieser Stelle des Machtkampfes mit CDU-Chefin Merkel abtreten. Er hat sich – und Teile der CSU-Spitze mit ihm – schlicht verpokert. Doch die Lage für die Fraktions- und Schicksalsgemeinschaft von CDU und CSU bliebe auch im Falle eines Rückstritts von Seehofer kompliziert. Der Konflikt dahinter würde auch durch den Austausch von Personen nicht gelöst.

Die CSU hat in ihrer weidwunden Lage größte Probleme, Freund und Feind zu unterscheiden. Innen wie außen. Sollte Seehofer doch im Ministeramt bleiben, dann nur, um Ministerpräsident Söder nicht auch noch den Posten des Parteichefs überlassen zu müssen, wonach dieser im bayerischen Wahlkampf durchaus greifen könnte. Mit ein Grund, warum auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt zu diesem Zeitpunkt (zu einem späteren schon) kein Interesse an Seehofers Rücktritt hat. Es geht auch um Dobrindt oder Söder.

Sollte jemand in der CSU den Plan gehabt haben, Merkel zu stürzen, sieht es jetzt so aus: Seehofers Frontalangriff auf die Bundeskanzlerin hat ihre Position in der CDU gestärkt. In Teilen der CDU-Spitze herrscht regelrecht Empörung über den Versuch der Schwesterpartei, die Dinge in einer Art zu deuten, als sei nur die Lesart der CSU zulässig. Die CDU nimmt der CSU schwer übel, dass Seehofer den Streit mit Merkel so zugespitzt hat, dass daran die Regierung zu Bruch gehen könnte.

Bislang galt noch immer die Losung, die CSU wisse schon, wann sie einen Streit mit der CDU beenden müsse. Dieses Mal haben sie den Zeitpunkt verpasst. Dabei hätte die CSU die Beschlüsse des EU-Rates, die Merkel am vergangenen Freitag aus Brüssel mitgebracht hatte, leicht und locker als eigenen Erfolg verkaufen können: Seht her, wir, die CSU, bewegen und beeinflussen Europa. Nichts davon hat Seehofer getan und stattdessen ein Chaos angerichtet, als ob die Volksparteien nicht bereits genügend Probleme hätten, das Volk bei der Stange zu halten.

Seehofer pflegt stattdessen sein zerrüttetes Verhältnis mit Merkel. Das sind miserable Voraussetzungen für eine weitere Zusammenarbeit im Kabinett. Letztlich behagt ihm der Posten des Bundesinnenministers nicht. Wenn Seehofer doch bleibt, ist er ein Minister auf Abruf. Wenn er geht, weicht auch zerstörerische Kraft.

Meistgelesen
Neueste Artikel
„Die Bedrohungslage ist hoch“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Gespräch „Die Bedrohungslage ist hoch“
Zum Thema
Aus dem Ressort