Papst Benedikt XVI. tritt zurück "Es war eine wunderbare Zeit in Bonn"

BONN · Joseph Ratzinger und Bonn: Das ist eine an Jahren kurze, aber offenbar nachhaltige Episode im Leben des damals blutjungen Theologen und späteren Kardinals und Papstes.

 "Nachdem ich wiederholt mein Gewissen vor Gott geprüft habe, bin ich zur Gewissheit gelangt, dass meine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben": Papst Benedikt XVI. gestern in seiner in lateinischer Sprache vorgetragenen Erklärung vor den Kardinälen.

"Nachdem ich wiederholt mein Gewissen vor Gott geprüft habe, bin ich zur Gewissheit gelangt, dass meine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben": Papst Benedikt XVI. gestern in seiner in lateinischer Sprache vorgetragenen Erklärung vor den Kardinälen.

Foto: Osservatore Romano

An der Katholisch-Theologischen Fakultät der Bonner Universität begann er als 32-Jähriger seine steile akademische Karriere, in Bonn predigte er regelmäßig in der Münster-Basilika, in St. Augustinus in Godesberg hielt er die Werktagsmesse.

Zunächst bezog Ratzinger ein Zimmer im Theologenkonvikt Collegium Albertinum und wohnte später in einer Wohnung in der Wurzerstraße, in der seine Schwester Maria ihm den Haushalt führte. Heute erinnert ein kleines Messingschild am Eingang des Hauses an Joseph Ratzinger.

Wie intensiv er diese Zeit als junger Professor für Fundamentaltheologie erlebt haben muss, scheint noch viele Jahre später in seinen "Erinnerungen (1927-1977)" durch: "Ich muss gestehen, dass mir doch ein Heimweh nach Bonn, der Stadt am Rhein, ihrer Heiterkeit und ihrer geistigen Dynamik geblieben ist", schreibt er als Kardinal in einem Buch, das 1998 veröffentlicht wird. "Ich liebte das Rheinland, ich liebte meine Studenten und meine Arbeit an der Universität Bonn."

Zu Beginn seiner Bonner Zeit ab 1959 wohnte Ratzinger im Albertinum: "Nachts hörte ich die Schiffe auf dem Rhein, der am Albertinum vorbeifließt. Der große Strom mit seiner internationalen Schifffahrt gab mir ein Gefühl der Offenheit und Weite, einer Berührung der Kulturen und der Nationen, die seit Jahrhunderten hier aufeinandertrafen und sich befruchteten", schreibt er nicht ohne Sentimentalität. Und für seine Verhältnisse geradezu pathetisch endet er seine Erinnerungen an Bonn mit den Worten: "Das erste Semester (als Professor, Anm. d. Red.) bleibt wie ein Fest der ersten großen Liebe eine großartige Erinnerung."

Dabei war Pathos schon damals offenbar nicht Ratzingers vornehmste Eigenschaft: "Er war eine beeindruckende Persönlichkeit, er hatte Ausstrahlung und war sympathisch. Zugleich aber war er in diesen anderthalb Jahren immer distanziert. Halt ein vollkommen vergeistigter Intellektueller", erinnert sich Erwin Ruckes, Bonner Publizist und Anfang der 1960er Jahre Messdiener in der Werktagsmesse bei Professor Ratzinger in der Godesberger Kirche St. Augustinus. Obwohl Ruckes, damals zwölf Jahre alt, und Ratzinger, Mitte 30, ein eingeschworenes Team hätten werden können, blieb diese Beziehung distanziert: "'Wie geht's denn auf dem Gymnasium?' war das persönlichste, was Ratzinger mich fragte", so Ruckes.

Noch 2007 sagte Papst Benedikt Bonns Stadtdechant Wilfried Schumacher, als dieser in Rom Tausende Glückwünsche Bonner Bürger zu Benedikts 80. Geburtstag überbrachte: "Es war eine wunderbare Zeit in Bonn." Doch trotz aller Liebesbekenntnisse an Bonn kehrte Joseph Ratzinger wohl nur noch einmal in die Stadt am Rhein zurück, zumindest ist dem Pressesprecher des Bonner Münsters, Reinhard Sentis, kein weiterer Besuch bekannt: Als Papst machte Benedikt im Rahmen des Weltjugendtags 2005 beim damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler eine Stippvisite in der Villa Hammerschmidt.

Tausende Bonner am Straßenrand bekamen Benedikt XVI. aber im vorbeibrausenden Auto kaum zu Gesicht. Anders als seinen Vorgänger Johannes Paul II., der bei einem Deutschlandaufenthalt 1980 die Münsterbasilika besuchte, ein Bad in der Menge nahm und eine Nacht in der damaligen Nuntiatur in der Plittersdorfer Turmstraße verbrachte.

In Köln jubelten 2005 Hunderttausende dem Papst zu. Zuerst bei der sogenannten Pilgerreise über den Rhein, als Benedikt XVI. auf einem Schiff der Köln-Düsseldorfer zur Anlegestelle in der Kölner Altstadt fuhr, vorbei an den ungezählten jungen Menschen auf den Poller Wiesen und am Rheinufer. Später bei der abendlichen Vigilfeier und dem großen Abschlussgottesdienst auf dem Marienfeld bei Kerpen. Die jungen Christen feierten den damals 78-jährigen Papst mit "Benedetto, Benedetto"-Rufen. All das war recht überraschend, galt er doch bis zur Wahl vier Monate zuvor nicht gerade als Liebling der Christen, sondern eher als Hardliner in der Kirche. Jetzt war er zum Star der jungen Katholiken geworden.

Benedikt reagierte keineswegs überschwänglich auf die ihm dargebrachten Ovationen, sondern hielt "sehr nüchterne Predigten", wie es der scheidende Kölner Weihbischof Heiner Koch einmal formulierte. Die Kernaussage sei gewesen: "Nicht der Papst ist der Wichtigste, sondern Christus." Ein Kommentator schrieb damals: "Sich häufig auf seinen Vorgänger Johannes Paul berufend, ihn aber niemals kopierend, hat der Papst seinen eigenen Zugang zur Jugend gefunden - zurückhaltend, nachdenklich, ohne erhobenen Zeigefinger, aber auch ohne jede Anbiederung."

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