Macklemore & Ryan Lewis in der Lanxess-Arena Pop, Pathos und Politik

Köln · Die Mischung macht es: Macklemore & Ryan Lewis spielen vor 15.000 Fans in der ausverkauften Lanxess-Arena. Am Ende packen sie mit „Can’t Hold Us“ und „Downtown“ die große Packung Lebenslust aus.

Der Hip-Hop von Macklemore & Ryan Lewis funktioniert ohne Gehabe, ohne Geprotze, ohne Geld im Überfluss und ohne „bitches“. Sie geben zu, unsicher zu sein, schreiben einen Song gegen Homophobie („Same Love“) und haben damit Erfolg. Der Erfolg macht sie gleichzeitig verdächtig. Pop-Rap für Leute, die eigentlich keinen Rap mögen.

15 000 Fans sind zum Auftakt ihrer Deutschland-Tour in die Kölner Lanxess-Arena gekommen. Nicht viele davon werden die bombastische Show von Kanye West und Jay-Z an gleicher Stelle vor zweieinhalb Jahren gesehen haben. Wer zu Macklemore geht, braucht Hip-Hop nicht tief in sein Herz geschlossen haben.

Bei „Light Tunnel“, dem ersten Stück vom zweiten Album „This Unruly Mess I've Made“, fahren sie zusammen mit vier Streichern und vier Bläsern auf die Bühne. Pop und Pathos.

Das zweite Album ist ernster geworden. Der erste Song lässt es erahnen. Gedanken während einer Grammy-Verleihung. Für die Ausgezeichneten eine ernüchternde Erfahrung. Berühmtheiten, die Selfies machen und den inszenierten Skandal suchen. Madonna küsst Britney Spears, und Kanye West wettert wie erwartet. Oberfläche statt Substanz.

Ben Haggerty, wie Macklemore eigentlich heißt, ist als Sohn streng gläubiger katholischer Eltern aufgewachsen. Die Erziehung hat ihm Bildung, Angst, Schuldgefühle und die Suche nach einem Sinn hinter materiellen Werten mitgegeben. Zum Glück hat sie ihm nicht die Lust zu leben ausgetrieben. Deshalb ist eine Show von Macklemore und Ryan Lewis immer beides: Sinnsuche und Lebenslust. Wer Bombast für unverzichtbar für eine große Live-Performance hält, sollte besser zu Hause bleiben. Außer vier Videowänden und ein paar sparsamen Lichteffekten lenkt nichts von der eigentlichen Bühnenshow ab. Ein weibliches Streichquartett, eine männliche Bläsersektion, ein Gitarrist, ein Bassist, ein Mann am Piano, Ryan Lewis am Schlagzeug und vier Tänzerinnen wirbeln auf der Bühne, um mal überbordend zu feiern oder ins Herz zu zielen.

Macklemore gibt mehr als einmal an diesem Abend Liebesbekenntnisse ab an Köln, seine Secondhandläden („thrift shops“) und an die deutsche Flüchtlingspolitik. Eine menschliche Haltung, die viel Beifall erfährt, auch wenn in Deutschland die Flüchtlingsdebatte längst schärfere Konturen angenommen hat.

Haltung ist Macklemore & Ryan Lewis wichtig. Über acht Minuten spielen sie „White Privilege II“, das der schwarzen „Black Lives Matter“-Bewegung gewidmet ist. „So what the fuck has happened to my voice if I stay silent when black people are dying?“ Kann man als Weißer still sein, wenn schwarze Landsleute getötet werden? Ein Statement, das nicht alle teilen. Wieder so ein barmherziger Weißer, der nicht weiß, wovon er redet, der so privilegiert ist, über seine Privilegiertheit singen zu dürfen. Aber: Kann über Krebs nur jemand reden, der Krebs hat?

Die deutlichen Verweise auf die Ernsthaftigkeit ihres Anliegens mögen nicht allen an diesem Abend gefallen haben. „White Privilege“ findet eher höflichen als enthusiastischen Beifall. Ein Grund, sich näher mit ihnen zu befassen.

Aber wie gesagt. M&L können eben auch Spaß und gute Laune. Am Ende packen sie mit „Can’t Hold Us“ und „Downtown“ die große Packung Lebenslust aus. Die Mischung macht’s.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Daniel Johannes Mayr dirigiert das Beethoven
Neue Musik zwischen Wohnwagen
Beethoven Orchester im BaseCampNeue Musik zwischen Wohnwagen
Zum Thema
Aus dem Ressort
Unverfroren
Unverfroren
Filmkonzert in der Kölner PhilharmonieUnverfroren