Ausstellung in Leverkusen Ziemlich beste Freunde

Leverkusen · Das Museum Morsbroich blickt mit der Schau „Schöne Bescherung“ auf die kurze Freundschaft von Sigmar Polke und Gerhard Richter und erinnert an die erste und einzige gemeinsame Ausstellung der beiden vor 50 Jahren

 Held im neuen Gewand: 1979 überarbeitete Sigmar Polke den italienischen Comic „Diabolic“ (Originalseiten jeweils oben).

Held im neuen Gewand: 1979 überarbeitete Sigmar Polke den italienischen Comic „Diabolic“ (Originalseiten jeweils oben).

Foto: Thomas Brill

Mangelndes Selbstbewusstsein war nicht das Problem der Akademieabgänger Gerhard Richter und Sigmar Polke. Einziges Problem vielleicht, dass ihre erste und einzige gemeinsame Ausstellung in der Hannoveraner Galerie „h“ offenbar kein finanzieller Erfolg war, obwohl dort Richters berühmter unscharf gemalter „Tiger“ von 1965 hing. Zwei Jahre nach der Ausstellung, da hatte der junge Richter bereits einen gewissen Marktwert, kaufte Rolf Wedewer den „Tiger“ für das Museum Morsbroich für immerhin 9000 D-Mark als Grundstock zur 86 Werke umfassenden Leverkusener Richter-Sammlung. Heute dürfte der „Tiger“ im zweistelligen Euro-Millionen-Segment liegen.

Wären Polke und Richter nicht zu „Giganten des Rheinlands“ avanciert, so Museumschef Markus Heinzelmann, wären die Ausstellung in Hannover und das lustig collagierte Künstlerbuch zur Schau in Vergessenheit geraten. Und damit die im Buch abgedruckte Zeile: „Wir können uns nicht darauf verlassen, dass eines Tages gute Bilder gemalt werden, wir müssen die Sache selbst in die Hand nehmen.“

1962 hatten sich Polke und Richter in der Klasse von K.O. Götz an der Düsseldorfer Kunstakademie kennen gelernt, kannten sich bald so gut dass sie „nicht mehr miteinander pokern konnten“ (Richter), 1966 gab es die Ausstellung und das Künstlerbuch, in dem Polke und Richter gemeinsam in der Badewanne zu sehen sind, ab 1970 hatten sich die die späteren Titanen des Kunstbetriebs kaum noch etwas zu sagen.

Das Museum Morsbroich liefert in der Ausstellung „Sigmar Polke – Gerhard Richter. Schöne Bescherung“ eine Momentaufnahme dieser so intensiven wie kurzen Freundschaft. Und sie dokumentiert, dass die beiden über 1970 hinaus trotz aller Differenzen Geistesverwandte blieben.

Die Schau startet mit einem Blick auf die Hannoveraner Ausstellung – völlig unverständlicherweise ohne eine vollständige Dokumentation des gemeinsamen Künstlerbuchs! Man sieht die ironische, mit einem Bergmassiv beginnende und mit einem Kreis endende Fotoserie „5 Phasen einer von Polke und Richter vorgenommenen Umwandlung. Das Massiv wurde am 26. April 68 für die Dauer von 2 Stunden in eine Kugel verwandelt.“ Die Leverkusener Ausstellung verfolgt das Werk beider Künstler weiter, lässt erkennen, wie sich Richter mehr dem Malerischen zuwandte, wobei er von Fotos ausging, die er unscharf oder mit Moiré-Effekt verfremdet auf der Leinwand vergrößerte. Polke blieb seinem ironischen Collagestil treu, arbeitete weiter mit Comic-Elementen, vorgefundenem Textmaterial und Inhalten, die durchaus politisch die damals aktuelle Lage spiegelten.

Kurator Fritz Emslander hat eine bislang nicht ausgestellte Comic-Überarbeitung Polkes ausgegraben. 1979 versah er ein Heft über die italienische Comicfigur des Diebs „Diabolik“, die 1962 von den Schwestern Angela und Luciana Giussani erfunden wurde und sehr erfolgreich war, mit neuem Text, großteils aus der Klatschpresse, und etlichen neuen Bildelementen. Bei Polke startet die Geschichte mit einem vereitelten Attentat auf Farah Diba, der Frau des Schahs von Persien, und endet mit der Aussicht, die Kultfigur Farah Diba könne vielleicht wieder in ihr Land zurück. 117 Seiten lang ist der Comic – Polkes Version ist grandios.

Die Ausstellung zeigt ferner Richters wunderbare Entwürfe für den Umschlag zum Künstlerbuch „EIS“ (1981) und das herausragende Folgebuch von 2011, das, zusammen mit der ebenfalls ausgestellten, 54 Blätter umfassenden „November“-Serie (2008) zu den Höhepunkten in Richters Werk überhaupt zählt. Beide Zyklen treffen im stärksten Raum auf Polkes herrliche Klecks-Symphonie „Stenogramm“ (1985). Unübersehbar dabei, was beide Künstler verbindet.

Museum Morsbroich Leverkusen; bis 28. August. Di-So 11-17, Do bis 21 Uhr. Eröffnung: morgen, 12 Uhr

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