Kölner Wallraf-Richartz-Museum zeigt "Wilhelm Leibl und die Farbe Schwarz"

KÖLN · Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum kommt aus dem Feiern nicht heraus. Schon das ganze Jahr über erinnert man an die Gründung vor 150 Jahren. Jetzt kommt das Jubiläum eines bedeutenden Ankaufs hinzu.

 Wilhelm Leibl zeichnete sein Selbstporträt 1896 mit der Feder in der Art einer Radierung mit dichten Kreuzschraffuren, die an ein großes Vorbild erinnern: Rembrandt.

Wilhelm Leibl zeichnete sein Selbstporträt 1896 mit der Feder in der Art einer Radierung mit dichten Kreuzschraffuren, die an ein großes Vorbild erinnern: Rembrandt.

Foto: Museum

Vor 100 Jahren erwarb das Museum eine umfangreiche Gruppe von Werken des großen deutschen Realisten Wilhelm Leibl (1844-1900) aus dem Besitz des Berliner Sammlers Ernst Seegers und katapultierte sich damit an die Spitze der Leibl-Sammlungen. Weltweit verfügt damit kein Museum über mehr Werke des gebürtigen Kölners Leibl.

Im Wallraf-Richartz (WRM) lassen sich im Prinzip sämtliche Phasen dieses Malers rekapitulieren, der zeitweise in Frankreich als Avantgardist im Dunstkreis von Courbet und Manet gefeiert wurde, aber auch Momente tiefster Verzagtheit und Missachtung erlebte. Gewöhnlich zeigt das WRM jedoch nur eine Handvoll Arbeiten.

Das ist jetzt anders. Unter dem Titel "Wilhelm Leibl und die Farbe Schwarz" präsentiert das grafische Kabinett des WRM Zeichnungen und Blätter aus einem Skizzenbuch. Entstanden ist eine sehr konzentrierte Schau, die Lust macht auf die Leibl-Bilder in der Dauerausstellung des Ungers-Baus, an dessen Fassade auch "Leibl" steht.

Zu sehen ist das Porträt des Sammlers Seeger (1896), das wunderbare "Mädchen am Fenster" (1899) und die herbe "Alte Pariserin" (1869). Auch in der aktuellen Schau aus dem Depot, "Panoptikum", finden sich unter den dicht an dicht in Petersburger Hängung ausgebreiteten Schätzen 14 mitunter hervorragende Bilder des Malers. So viel Leibl war nie - zumindest seit der großen Kölner Retrospektive 1996.

Im Mittelpunkt der gegenwärtigen Leibl-Hommage stehen das Medium Zeichnung und eine Erkenntnis, dass der Maler sich auf Papier Freiheiten erlaubte, die er im Gemälde nie formuliert hätte. Schon die Vorzeichnungen zum Gemälde "Die Wildschützen" fallen durch ihren fast spielerischen, experimentellen Duktus auf, wirken in ihrer Kantigkeit expressiv und in den schnell hinschraffierten Details flüchtig. Geradezu radikal muten die späten Kreide- und Kohlearbeiten an, in denen Leibl die Gesichter der Dargestellten buchstäblich vom undefinierbaren, flächigen Dunkelgrund ans Licht holt - und bisweilen teilweise wieder ins Dunkle schickt.

Besser als mit diesen Blättern lässt sich nicht belegen, was Leibl meinte, als er sagte: "Meinem Principe gemäß kommt es nicht darauf an 'Was', sondern 'Wie', zum Leidwesen der Kritiker, Zeitungsschreiber und des großen Haufens, denen das 'Was' die Hauptsache ist." In der Zeichenkunst suchte der längst von der Zeit abgehängte Maler den Kontakt zur Moderne.

Eine Tragödie steht im Mittelpunkt der Ausstellung. Drei Jahre hatte Leibl an seinen "Wildschützen" gemalt, die er in vielen Zeichnungen vorbereitet hatte. Er präsentierte das altmeisterlich realistisch gemalte Bild 1886 im Pariser Salon, wo es durchfiel. Ein empfindlicher Karriereknick, dem zwei Jahre später eine Ablehnung in Berlin folgte. Leibl machte kurzen Prozess und zerschnitt das Werk in vier Teile - sehr zum Entsetzen von dem Kollegen Lovis Corinth, der schrieb, "dass die Welt an diesem zerstörten Kunstwerk einen Schatz verloren hat, wie er nur selten bestanden hat".

Für Corinth waren die "Wildschützen" ein Hauptwerk Leibls. Von den Fragmenten hat sich eines in Berlin erhalten. Das andere ist im Besitz des WRM, das es aber seinen Besuchern unverständlicherweise vorenthält. Dafür findet man in der Dauerausstellung des WRM ein anderes Beispiel des Leibelschen Perfektionismus: Nach 1880/81 zerlegte der Meister das Gemälde eines Bauernmädchens, das ihm offenbar nicht mehr gefiel, in vier Teile. In Köln hängt ein bezauberndes Detail: "Das Mieder".

Wallraf-Richartz-Museum, Köln; bis 12. Februar 2012. Di-So 10-18, Do bis 21 Uhr. Katalog 6 Euro.

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