Der Raum ist heiß
BONN · Bundeskunsthalle präsentiert unter dem Titel „Transfomationen“ junge Medienkünstler aus Köln.
„Das ist ein offenes System“, erklärt Akiro Hellgardt seinen Kommilitonen, umkreist dabei ein raumgreifendes Gebilde aus Holzlatten. Als „Zeichnung im Raum“ bezeichnet er es, als begehbare „abstrakte Struktur“ und „Schattenspiel“. Das Werk könne man, so Akiro, immer wieder in neuem Kontext sehen.
Mischa Kuball, Medienkünstler und Professor an der Kölner Kunsthochschule für Medien in Köln, bringt das Phänomen der digitalen „Cloud“, der Datenwolke, ins Spiel, spricht von Schwarmintelligenz. Und Robert Fleck, Intendant der Bundeskunsthalle, fällt auf: „Das ist die Antibundeskunsthalle, der Gegensatz zum Kubus von Gustav Peichl.“
Ort dieses intensiven Austauschs zwischen Intendant, Lehrer und Studenten ist der frühere Medienkunstraum im Untergeschoss der Bundeskunsthalle, der seit dem Amtsbeginn von Intendant Fleck als „Echoraum“ eine beachtliche Renaissance erlebte und nun als Standbein für ganz junge Kunst das Programm der Bundeskunsthalle komplettiert.
Zwei Jahre lang hat Kuballs -1/MinusEins-Experimentallabor diesen Raum bespielt. Kuball spricht von einer „Plattform“, bei der junge Künstler sich, ihre Argumentation und ihre Kunst ausprobieren. 30 bis 40 Künstler haben sich wöchentlich zum Austausch in Köln getroffen, bei jeder Ausstellung in Bonn gibt es zusätzliche Meetings, bei denen die Studenten vor den Kunstwerken über ihre Arbeit sprechen.
Nathalie Hoyos und Ulrich Best von der Bundeskunsthalle sind die Kuratoren der „Echoraum“-Ausstellungen, deren sechste und letzte von -1/MinusEins jetzt in Bonn läuft. „Sichtung, Entscheidung, Kommunikation“, nennt Best als Aufgaben des oft kniffligen Kuratorenjobs. Auch bei der aktuellen Schau „Transformationen“ war das so.
Das Projekt bringt für beide Partner große Vorteile. Die Bundeskunsthalle erweitert ihr Angebot um aktuelle, diskussionswürdige Positionen der Medienkunst und die Studenten erreichen ein Publikum, von dem sie sonst nur träumen können: 6000 bis 9000 Besucher kommen pro Ausstellung in den „Echoraum“.
„Es ist ein ganz anderes Publikum, eine ganz andere Luft“, sagt Kuball. Wie er das meint? Kuball: „Da ist eine Hitze im Raum, wenn wir über die Arbeiten diskutieren, hier wird der stramme Streit trainiert, das ist die Erotik der Präsentation.“ Kuball sieht den „Echoraum“ als Labor, in dem Studenten eigenverantwortlich experimentieren können. Sogar Postgraduierte kommen nach Köln, um zusammen mit -1/MinusEins bei den Ausstellungen in Bonn mitzumachen. Das erklärt auch das hohe Niveau der Präsentationen.
Die Bandbreite der aktuellen Schau ist groß. Sie reicht von Akiros abstrakter Struktur aus Holzlatten bis zu Adrian Villa Dávilas „Setzkasten“, in dem Kartoffeln Strom abgezapft wird, um ein LED-Birnchen zum Glimmen zu bringen. Der Ecuadorianer schlägt vor den staunenden Kommilitonen eine Brücke von Van Gogh zu Victor Grippo. Alfons Knogl zeigt „Hyperbolische Flächen“, Daphné Keramidas ein Alltags-Alphabet. Björn Drenkwitz arbeitete über Sprache, Jongwon Choi zeigt in einem abgedunkelten Raum, fließendes Wasser in einer beleuchteten Laser-Röhre. Geräusche setzen die Arbeit in Bewegung.
Komplexe Produktionsabläufe in ein technoides und zugleich anschauliches Schema zu bringen, hat sich Céline Berger zum Ziel gesetzt, wissend darum, wie menschenverachtend derlei Diagramme sein können. „Die Unschuld des Diagramms sagt auch etwas Brutales über die kühle Systematik aus“, interpretiert Kuball.
Katharina Urbaniak erinnert mit ihren überdimensionalen „Alben“ ohne Bilder an flüchtige Lebensspuren, Steffi Lindners Plastiktüte in der Ecke des „Echoraums“, raschelt, knistert, bläht sich auf. Lindner ist die Fragilität ihres minimalistischen Beitrags bewusst: „Ich habe Angst, dass ich beim Erzählen etwas kaputt mache“, meint sie geheimnisvoll und zugleich wunderbar abgeklärt.
Pia Schauenburg hat sich für ihre Installation „Hoamatgesang – A Folk Song“ einen speziellen Raum ausgesucht: das abgeschottete, bunkerähnliche Studio für Audio- und Videoproduktionen, das mit seinen Monitoren anmutet wie eine Schaltzentrale im Kalten Krieg. Wir sehen Fahnen und hören die oberösterreichische Landeshymne. Die Künstlerin hat sie übersetzten lassen und präsentiert die Hymne gesungen in unzähligen Landessprachen.
Auf den Monitoren sieht man die Statue des Franz Stelzhammer, Dichter der Hymne und Antisemit. Schauenburg erklärt viel, das Werk bleibt dennoch komplex und verschlossen, die düstere Inszenierung aber besticht und lässt für die Zukunft viel erwarten. Bis zum Februar bespielen die Kölner den „Echoraum“, dann kommen neue Studenten in den Untergrund der Bundeskunsthalle.
Bundeskunsthalle, Friedrich-Ebert-Allee 4; bis 15. Februar 2012