Klangwelten aus Stahl in Bonn und Umgebung

Konzerte in der Harmonie, im Pantheon, im Brückenforum, in der Kreuzkirche und in St. Helena begrüßen den Sommeranfang gebührlich mit wundervollen Klängen und neuen Interpretationen alter Stücke.

Klangwelten aus Stahl in Bonn und Umgebung
Foto: sca

Harmonie. Den Titel seiner aktuellen CD "Doin' The Funky Thing" nahm Walter "Wolfman" Washington mit seiner Band "The Roadmasters" bei seinem Auftritt in der Endenicher Harmonie offensichtlich wörtlich.

Wolfman verarbeitet in seiner Musik neben klassischem Blues zahlreiche Elemente aus Soul, R&B, Funk und Jazz, die er mal nahtlos ineinander fließen oder auch friedlich nebeneinander stehen lässt - gerade, wie es ihm gefällt.

Der Sound des Quintetts, in der weiteren Besetzung mit zwei Bläsern (Saxofon und Trompete), Bass und Schlagzeug, überzeugt durch kompakte Bläsersätze, markante Riffs und einen groovenden wie vorwärtstreibenden Rhythmus.

Gekonnte Soli aller Musiker werten das Spielgeschehen auf. Wolfman überzeugt dabei durch virtuose, wenn auch unprätentiös vorgetragene Gitarrensol.

Die exzellente und spielfreudig auftretende Formation hatte keine Mühe, mit ihrem abwechslungsreichen Programm das Publikum zum Swingen zu bringen. Offene Begeisterung und nachhaltiger Applaus erforderten zwei Zugabenblöcke. Wolfgang Schneider

Pantheon. Etwas, was in den letzten Monaten nicht über Haiti in den Medien zu hören war: Der Inselstaat liegt vielleicht in der Karibik, ist aber ein kulturell sehr afrikanisches Land, und auch deutscher Einfluss lässt sich entdecken.

Dem haitianischen Botschafter in Deutschland, Jean-Robert Saget, war es im Pantheon ein Anliegen, diese Verbindung deutlich zu machen. Er eröffnete den Konzertabend "You and I for Haiti". Vier Redner und vier Bands waren ins Pantheon gekommen.

Alle Einnahmen gingen an die Welthungerhilfe, zugunsten des Wiederaufbaus von Haiti. Das Deutsch-Afrikanische Zentrum hatte einen Großteil des Abends organisiert und bot afrikanische Klänge, deutsche Redner, zwei deutsch-afrikanische Moderatorinnen und den Höhepunkt des Abends gestaltete eine südamerikanische Band.

Die Band, Kiskeya lud den Botschafter auf die Bühne. Er hatte Spaß daran, den Klassiker "Haiti Cherie" mitzusingen, ein Lied, das viele Haitianer als inoffizielle Hymne des Landes anerkennen.

Bonn-Africa schürte mit noch eher langsamen Rhythmen aus der Schnittmenge zwischen traditionell afrikanischen Melodien und europäischen Klangmustern. Aber es waren Michel & Friends, bei denen das Publikum endlich seine Hemmungen verlor.

Das Bonner Projekt des Trommlers Michel Sanya Mutambala brach mit nicht zu bändigen Trommelrhythmen alle Dämme. Die brasilianische Band Só Sucesso läutete mit Samba, Bossa Nova und mehr den Höhepunkt des Abends ein. Es kamen 2761,45 Euro für Haiti zusammen. Karsten W.N. Kurze

Brückenforum. Als Saga ihren 25. Geburtstag feierten, 2002, auf dem Museumsplatz, feierten 4 000 Fans mit. Und 2007, als Michael Sadler im Brückenforum seinen Abschied von der Band zelebrierte, gaben 1 400 Menschen dem charismatischen Sänger das letzte Geleit.

Mit Rob Moratti (44) präsentierten die Kanadier 2008 ihren neuen Frontmann. Moratti ist gut. Davon konnten sich im Brückenforum 300 Aufrechte überzeugen, die immer noch an Saga glauben. Die Stimme des muskulösen, dunkelhaarigen Kanadiers ist tadellos.

Doch inmitten seiner Bandkollegen Jim Crichton (Bass, Keyboard), Ian Crichton (Leadgitarre), Jim Gilmour (Keyboard, Gesang) und Brian Doerner (Drums) wirkt er wie ein Fremdkörper. Er ist nicht Teil der Gruppe, und gibt sich auch keinerlei Mühe, das zu werden.

Mit 18 Stücken und zwei Zugaben reicht das Repertoire an diesem Abend nur für gut 90 Minuten. Hits wie "You're Not Alone" oder "Wind Him Up" werden zu früh verpulvert. Michael Sadler fehlt schmerzlich. Doch die Band, allen voran der wieder genesene Drummer Brian Doerner, reißt's raus. Susanne Schramm

Kreuzkirche. In Russland stellt er so etwas wie eine Institution dar, Alexander Fiseisky, Direktor der Orgelabteilung an der Moskauer Gnessin Musikakademie.

Eingeladen zu der vom Kreuzkirchen-Organisten Stefan Horz initiierten Reihe "am 7. um 7" war Fiseisky jetzt an der Ott-Orgel zu hören mit einem Programm, das zumindest im zweiten Teil mit russischer Literatur bekannt machte.

Wladimir Odojewskijs "Gebet ohne Worte" ergeht sich ganz in romantischer Verhaltenheit. Etwas tiefgründiger in ihrem Changieren zwischen Bach und Tschaikowsky wirkte Alexander Glasunows Fantasie op. 110. Weit Interessanteres gab es da mit Sofia Gubaidulinas "hell und dunkel" - was durchaus wörtlich zu nehmen ist - zu hören.

Gubaidulina geht frei aller rhythmischen wie melodischen Fesseln dem Extrem von Klängen nach, wobei der Kontrast aus Figuren im Diskant über einem in piano gehaltenen abgrundtief schwarzen Orgelpunkt eine geheimnisvolle Spannung birgt.

Bachs Präludium und Fuge Es-Dur (BWV 552) sowie seinem Choralvorspiel "Allein Gott in der Höh' sei Ehr" (BWV 676), mehr noch aber Mendelssohns B-Dur-Sonate aus op. 65 hatte sich Fiseisky zuvor als stilsicher registrierender, große Bögen gestaltender Interpret erwiesen. Fritz Herzog

St. Helena. Esoterische Klänge füllten beim Konzert des Dresdner Stahlquartetts im Rahmen der Reihe WortKlangRaum den Dialograum Kreuzung an St. Helena.

Der Name ist hier Programm: Zur Klangerzeugung dienten vier futuristisch anmutende Instrumente, die aus Stahl gefertigt sind und wie eine Kreuzung aus gigantischen Kämmen und Gewitterblechen aussehen.

So ein Stahlcello besteht aus zwei massiven Trägern, die je eine Serie verschieden langer Stäbe verbinden. Davor ist eine resonierende Edelstahlfläche montiert, die den Klang der mit einem überdimensionierten Rundbogen gestrichenen Stahlstäbe verfeinert, aber auch selbst zur Erzeugung neuer Klänge verwendet werden kann.

Die virtuosen Möglichkeiten der Instrumente sind zwar begrenzt, dafür eröffnen sie ganz neue Klangwelten, was das aus Alexander Fülle, Jan Heinke, Michael Antoni und Peter Andreas bestehende Quartett auch hinreichend demonstrierte.

Manchmal wünschte man sich stärkere Kontraste, weil zum einen die klassischen Werke von Bach und Bartok alle seltsam entrückt und verfremdet anmuteten, und zum anderen, weil auch die originär für dieses Instrument komponierten Werke durchweg recht ähnliche Strickmuster aufwiesen.

Eine Uraufführung von Michael Denhoff gab es an diesem Abend, der wie immer auch durch die exzellente Literaturauswahl zum Thema "Zeit" bestach.

Dazu passte die quasi jeder Zeit enthobene Musik des Stahlquartetts zweifelsohne ideal. Und auch die hintergründige, aber ansonsten angenehm zurückhaltende Lesart von Rezitator Mark Weigel rundeten den Abend ab. Guido Krawinkel

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