Bonner Kunstmuseum wagt mit "Der Westen leuchtet" Mega-Projekt

Intendant Stephan Berg verspricht für 2010 spannendes Programm

Bonner Kunstmuseum wagt mit "Der Westen leuchtet" Mega-Projekt
Foto: museum

Bonn. Eine rheinland-westfälische documenta steht in Bonn an - und dafür wird das ganze Kunstmuseum bis auf die Abteilung Macke und seine Expressionisten geräumt.

Das letzte Mal hatte sich das Haus vor zehn Jahren mit "Zeitwenden" an ein derartiges Mega-Projekt gewagt - und ist damit jämmerlich auf die Nase gefallen. Das soll mit "Der Westen leuchtet" nun 2010 nicht passieren. Laut Intendant Stephan Berg steht der Etat von rund 800 000 vom Land NRW und etlichen Sponsoren großzügig zugefütterten Euro.

Bei einem Jahres-Ausstellungsetat von nur 300 000 Euro sei "Der Westen leuchtet" ein großer Kraftakt, sagt Berg. Doch nicht nur finanziell: Für die Ausstellung wurden im Haus alle wissenschaftlichen Kräfte mobilisiert. Der Rest muss ab Februar anpacken, um das Haus Zug um Zug auszuräumen.

Info Lesen Sie dazu auch Intendant Stephan Berg zieht BilanzWas dann neu hineinkommt, ist eine Mischung aus 17 NRW-Klassikern wie Gerhard Richter, Sigmar Polke, Tony Cragg oder Katharina Sieverding und 17 von diesen Alpha-Künstlern nominierten jungen oder weniger bekannten Positionen, etwa Claudia Fährenkemper, Chris Durham oder Erinna König.

Berg, der am Donnerstag sein Jahresprogramm für 2010 vorstellte, erhofft sich ein Profil der NRW-Kunstlandschaft, das ausgehend von einem Fundament, bestehend aus Beuys, Richter, Polke und Palermo, und einem Mittelbau, der mit Rosemarie Trockel, Georg Herold oder Marcel Odenbach besetzt ist, eine Prognose für die Zukunft wagt. Insgesamt erstreckt sich das Panorama auf 34 Künstlerräume.

Ab Anfang Juli soll in Bonn der Westen leuchten. Das Ausstellungsjahr 2010 beginnt streng genommen schon kommenden Mittwoch: Da präsentiert das Kunstmuseum die bunten, schrillen Räume von Franz Ackermann (bis 21. Februar). Die erste Ausstellung des Jahres heißt aber "Linie Linie Linie" (11. Februar bis 16. Mai) und setzt die hervorragende Reihe "Zeichnung heute" fort.

Mit zwanzig Künstlern wird ein Überblick über das spannende Medium Zeichnung probiert, Namen wie Katharina Hinsberg, Alexander Roob, Christian Pilz oder Monika Brandmeier stehen für eine Schau auf höchstem Niveau. Das gilt sicherlich auch für einen Mann, der das Pullover-Anziehen zum Drama machte, bei dem das Einfamilienhaus Kopf steht.

Erwin Wurm (25. März bis 6. Juni) ist ein Künstler mit hohem Verführungspotenzial: Besucher seiner Ausstellungen sind gewöhnlich entzückt und fasziniert, Interpreten und Exegeten überschlagen sich in Originalität.

In einem sehr schönen Katalog, der eine Tournee Wurms vor fast 15 Jahren begleitete, liest man Überschriften wie "Skulpturale Behauptungen", "Pullover als plastischer Prozess", "Stellungswechsel am Flipperautomanten" (diesen Text über Wurms Videos steuerte der junge Stephan Berg bei), "Nullpunkt der Skulptur" und "Orchestrierung der Leere".

Die Faszination für diesen Künstler der Überraschungsmomente, bizarren Objekte und Performances hat sich gehalten, sogar in der Musikszene: Die "Red Hot Chili Peppers" feiern Wurms Kunst im Video zu "Can't Stop". Erst 2007 zeigte der damalige Deichtorhallen-Chef und heutige Bundeskunsthallen-Intendant Robert Fleck in Hamburg eine Wurm-Retrospektive. Man darf auf Bergs Version gespannt sein.

Die Sparte Fotografie wird 2010 von einem Schwergewicht vertreten: Joel Sternfeld (11. November bis 23. Januar) aus New York (Jahrgang 1944) zählt zu den interessantesten Fotografen einer eher dokumentarischen Richtung, die aber mitunter auch den Bezug zur Konzeptkunst, zur Kunstgeschichte aber auch zu politischen und sozialen Themenfeldern sucht.

Sternfeld ist ein ungemein akribischer Rechercheur, ob es nun um die Landschaften der USA geht oder um vermeintlich unscheinbare Orte, wo Gewalterbrechen passiert sind, also Tatorte. Sternfeld gehört zu den Künstlern, die in den 70er Jahren die Farbfotografie wiederentdeckten. Unter anderem werden seine brillanten "American Prospects" (1978- 1987) in Bonn zu sehen sein.

Das Ausstellungsjahr klingt mit einer Schau des Bonner Kunstpreisträgers Alexander Braun (18. November bis 9. Januar) aus, die "WienerWalden" heißt, und der 14. Auflage des seit 1984 vergebenen Dorothea von Stetten- Kunstpreises (9. Dezember bis 6. März). Nach zwei eher schwächeren Folgen soll der Preis durch ein neues Reglement an Qualität gewinnen. Über die muss man sich, insgesamt gesehen, im Jahr 2010 im Kunstmuseum keine Sorgen machen.

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