Kommentar Schuldenschnitt für Griechenland - Euro-Visionen

Griechenland ist nicht gerettet. Es geht nur nicht unter. Der Schuldenschnitt, der in Wahrheit mitnichten die Bezeichnung "freiwillig" verdient, ist ein wichtiger Schritt. Aber eben auch nur einer von vielen, die das hoffnungslos überschuldete Land braucht, um wieder auf die Beine zu kommen.

Und die nächsten Stolpersteine warten schon: Wird die neue Regierung, die die Hellenen Mitte April wählen, diesen Sparkurs fortsetzen, durchziehen, ausbauen? Werden die Europäer nun verstehen, dass Athen neben Geld zum Stopfen von Haushaltslöchern auch Wirtschaftshilfe in jeder nur erdenklichen Form braucht? Und werden die griechischen Bürgerinnen und Bürger, die zweifellos schwere Zeiten vor sich haben, endlich begreifen, dass sie von großer europäischer Solidarität getragen sind?

Denn dieser Schuldenschnitt ist keineswegs nur eine Mitleidsaktion der großen Banken und Versicherer. Er wurde auch von vielen kleinen Anlegern gestützt, die vor Jahren darauf vertraut haben, dass sie für eine sichere Altersvorsorge auf hellenische Staatsanleihen bauen könnten und die nun Geld verlieren.

Natürlich ist die Aktion nicht frei von Eigennutz. Bei der Entschuldung Athens ging es auch um das Überleben des Euro. Eine Staatspleite hätte der Währungsunion unermesslichen Schaden zugefügt - nicht nur materieller Art durch einen Flächenbrand. Die Investoren hätten auf Jahre hinaus an der Stabilität und Stärke der europäischen Währung gezweifelt.

Und das zu Recht. Der Schuldenschnitt ist ein Signal für die Entschlossenheit der Mitgliedstaaten, für ihre Währung zu kämpfen. Auch weil sie wissen, dass ein Auseinanderbrechen des Währungsverbunds sehr viel teurer gekommen wäre, als eine Rettung überschuldeter Partner.

Wenn diese Operation in einigen Jahren tatsächlich als gelungen bezeichnet werden kann, werden die Euro-Zone, aber auch die EU als Ganzes gestärkt aus der Krise hervorgegangen sein. Dazu muss Griechenland durch konsequentes Fortsetzen dieses "Weges der Grausamkeiten" beitragen.

Aber auch die Euro-Familie selbst muss zeigen, dass sie aus der Krise gelernt hat. Was bisher an gegenseitigen Versprechen für eine verschärfte Haushaltskontrolle und zur Schaffung annähernd gleicher Wettbewerbsfähigkeit auf dem Papier steht, klingt gut. Wirken kann es aber erst, wenn es auch umgesetzt wird. In den vergangenen Jahren hat die Einsicht im Kreis der Staats- und Regierungschefs Spuren hinterlassen. Aber sie mussten noch nicht beweisen, dass sie auch fähig sind, Konsequenzen zu ziehen.

Die Krise ist noch nicht vorbei. Schon zeichnet sich ab, dass Portugal das nächste Sorgenkind der Union sein wird. Die finanziellen Probleme des Nicht-Euro-Staates Ungarn sind immens. Italien und Spanien sind ebenso wenig schon wieder in sicheren Gewässern wie Belgien oder Frankreich.

Bei aller Erleichterung über die deutliche Mehrheit der Gläubiger Athens, mit einem radikalen Schnitt für Entlastung zu sorgen - dieses Instrument wird es nur einmal geben. Die anderen müssen jetzt durch eine neue Politik zeigen, dass sie in der Lage sind, sich selbst zu heilen.

Und das wird sicher nicht weniger schwer und mindestens genauso riskant. Für sie selbst und den Euro.

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