Kommentar Champions League - Ja, aber . . .

Bayern München gegen den FC Barcelona, Borussia Dortmund gegen Real Madrid - Deutschland gegen Spanien. Dass deutsche und spanische Fußballer aufeinandertreffen, wenn's wichtig wird, ist nicht neu.

Bei der EM 2008 war das so, bei der WM 2010 ebenfalls. Auch im Vereinsfußball gab's das schon. Dass man aber in einem Champions-League-Halbfinale gewissermaßen unter sich ist, bringt eine Entwicklung der vergangenen Jahre auf den Punkt: Die beiden Nationen, deren Fußball derzeit wohl am attraktivsten und fantasievollsten ist, streiten um den wichtigsten Vereinstitel überhaupt.

"Der FC Bayern wird Europas Fußball noch jahrelang dominieren." Das hat nicht etwa Franz Beckenbauer gesagt, der 1990 mit einem ähnlichen Spruch grandios danebenlag, sondern Marcello Lippi. Der Trainer des italienischen Weltmeister-Teams von 2006 übertrieb damit wohl ebenfalls ein wenig, unterstrich andererseits jedoch nur den Respekt, den auch der deutsche Vereinsfußball mittlerweile in Europa genießt.

Man weiß, im Land der ehemaligen Rumpelfüßer wird bestens ausgebildet und ziemlich solide gewirtschaftet. Dass erstmals zwei deutsche Teams im Halbfinale der Champions League stehen, ist kein Zufall. Deutschland ist auf dem Weg, auch dort wieder eine Export-Nation zu werden, wo man es nicht unbedingt will.

Mesut Özil und Sami Khedira spielen bei Real Madrid, André Schürrle zieht es nach England, die halbe Fußballwelt will Mario Götze. Das ist die andere Seite der Medaille, der Fluch der guten Tat. Solange Scheichs, Öl-Magnaten und andere Investoren Unsummen in den Fußball pumpen, wird die Bundesliga immer wieder tolle Spieler verlieren.

Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass deutsche Profis im Ausland so beliebt waren wie deutsche Politiker heute. Es brauchte die blamable EM 2000, um auch hierzulande zu erkennen, dass Talente nicht im Supermarktregal liegen. Dass sie gesichtet, gefördert, begleitet und betreut werden müssen. Man weiß es kaum noch, aber die überfällige Reform der Nachwuchsausbildung darf sich der gerne, viel und ausdauernd kritisierte ehemalige DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder auf die Fahnen schreiben.

Die Ergebnisse waren jetzt im Viertelfinale der Champions League zu bestaunen. Für den FC Bayern, Dortmund und Real Madrid kamen da insgesamt 16 Spieler zum Einsatz, die 25 Jahre alt oder jünger sind und in Deutschland geformt wurden.

"Ja, aber . . .", werden die Altvorderen jetzt wieder sagen. Und sie haben recht. Ja, Deutschland hat tolle Spieler. Aber: Was haben sie gewonnen? Seit 1996 wartet die Nationalelf auf einen Titel, seit 2001 die Vereine. Definitiv hat der deutsche Fußball viel Respekt gewonnen. Mehr aber (noch) nicht.

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