Momentaufnahmen zum "kleinen Finale" So erlebte Bonn das Aus der deutschen Mannschaft

Bonn · Am Mittwochnachmittag verlor Deutschland bei der WM 2018 gegen Südkorea. Manche in Bonn interessierte das überhaupt nicht. Der Rest fand sich zum Public Viewing in der gesamten Stadt ein.

 Fanmeile im Schatten des Stadthauses: Die Sterntorbrücke.

Fanmeile im Schatten des Stadthauses: Die Sterntorbrücke.

Foto: Benjamin Westhoff

Fußballdeutschland ist geteilt: In Zaungäste und Zuschauer in der ersten Reihe, in fiebernde Fans und entspannt bummelnde Passanten, die nur ganz nebenbei einen Blick auf die vielen Fernseher vor Cafés und Kneipen werfen.

Auf die Spitze wird dies in Bad Godesberg getrieben, wo das Bago am Moltkeplatz rund 250 Fans vor dem acht Quadratmeter großen Großbildschirm im Container anzieht – ein Haufen, der nie euphorisch ist und zum Ende des Spiels hin vor allem zum Galgenhumor neigt. Zum benachbarten „Godesburger“ sind riesige Deutschlandfahnen gespannt, damit keiner der Gäste dort zum Spiel rüberschauen kann. Das Restaurant wollte sich nicht an den Kosten für den Bildschirm beteiligen. „Wir sind ja keine Loungegastronomie, bei uns wollen die Leute essen und sich dabei unterhalten. Und nicht Fußball gucken“, sagt Geschäftsführer Wolfgang Pütz gelassen. „Nachher ist hier die Hölle los“, verspricht sein Koch Bruno Straub, der in den ruhigen Minuten einen Burger zugeschnitten auf seine Heimat Schweiz kreiert.

Während des Spiels kommt Dana Schermack mit ihrem kleinen Fan Fabian (4) vorbei, der ein deutsches Trikot und eine schicke Fußballkappe trägt. „Der Hunger war größer. Wir bleiben und hören zu“, sagt die junge Frau. Nebenan geht ab und an ein Raunen durch die Menge. Tränen fließen nicht, aber dafür jede Menge Bier. Bago-Gesellschafter Seyed Amini freut sich über die vielen Kunden, die teilweise auch auf Klappstühlen hinter der Terrasse sitzen. Er gibt aber zu: Verglichen mit dem hohen Preis für die LED-Wand „hat es sich noch nicht so gelohnt“. Währenddessen versuchen die Deutschen einen vergeblichen Torschuss nach dem anderen. Ein Mann vergleicht das Match: „Das spiegelt die politische Situation in Berlin wieder. Die reden und reden.“

Die Bonner Innenstadt ist unterdessen nicht ausgestorben, obwohl es ein „kleines Finale“ ist, bei dem es für die Deutschen um alles geht. Die meisten Geschäfte sind regulär geöffnet, nur ein Taschenladen verkündet an der Tür die vorzeitige Schließung um 15.45 Uhr. Wer entspannte Beratung und perfekt eingepackte Geschenke sucht, ist an diesem Tag richtig. Es geht ruhiger zu, selbst in der Sparkasse am Friedensplatz sind sechs Geldautomaten gleichzeitig frei.

Keine Tore, dafür Kartoffelsalat und Bockwurst

Gedränge herrscht auch nicht, wie man vielleicht meinen könnte, vor den modernen Großbildschirmen im Media Markt, sondern auf der Sterntorbrücke. Zwischen Kult-Pizzeria Cala D'or und Café Spitz stehen und hängen 13 Fernseher in Fenstern, auf der Straße und an der Fassade des „Bönnsch“. Die Tische sind komplett besetzt, alle blicken starr in dieselbe Richtung, auch wenn hier und da die Sonne blendet. Immer wieder geht ein hoffnungsvoller Aufschrei durch die Menge, doch vergeblich. Mit steigender Spannung gesellen sich immer mehr Zaungäste dazu.

Familiär geht es bei Sonja Reul an der Friedrichstraße zu. „Alle vier Jahre bin ich Fan“, sagt die Wirtin des „Sonja's“ und mischt sich unter die Stammgäste. Wenn es schon keine Tore gibt, dann wenigstens Kartoffelsalat, Bockwurst und was zu lachen, als Béla Réthy im Fernsehen kommentiert: „Das ist hier keine Zeitlupe, das sind reale Bilder.“

Je näher der Schlusspfiff rückt, desto angespannter werden auch vor dem „Midi“ auf dem Münsterplatz die Gesichter. Ein letzter Aufschrei – dann geht der Ball ins falsche Tor. Nur die Mitarbeiter des „English Shop“ am Friedensplatz freuen sich schon aufs Achtelfinale: „Go England“ steht auf einem roten Bus im Schaufenster.

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