"Charakter eines Provisoriums" Neue Stadttour führt in das Bonn der Nachkriegsjahre

Bonn · Viele Anekdoten aus dem Bonn der ersten Jahre als Bundeshauptstadt hat eine neue Stadtführung zu bieten. Dabei geht es um viele Provisorien.

 1:0 für Bonn gegen Frankfurt - Stadtführer Ulrich Burger mit einem selbstgebauten Modell vom ersten Karnevalszug nach dem Krieg.

1:0 für Bonn gegen Frankfurt - Stadtführer Ulrich Burger mit einem selbstgebauten Modell vom ersten Karnevalszug nach dem Krieg.

Foto: Rainer Schmidt

Premiere am Pfingstmontag: Stattreisen hatte erstmals zu der neuen Tour „Das Bonn der frühen Jahre“ eingeladen, die zu den ersten Jahren als Bundeshauptstadt führte. Was sich damals, in den Jahren 1949 und 1950, in Bonn tat, läßt sich mit dem Begriff „Provisorium“ kaum beschreiben. „Und dennoch“, so der Stadtführer, Historiker und Politologe Ulrich Burger, „sollte alles den Charakter eines Provisoriums behalten.“

Denn das Ziel der Politik war damals schon die Wiedervereinigung. Dass Burger sich über ein Jahr diese Tour erarbeitet hat, das merken die Teilnehmer sofort. Denn er hat nicht nur reichlich Bild- und Kartenmaterial zusammengetragen, er hat auch alte Schätzchen wie Lebensmittelkarten oder von den Alliierten geöffnete Briefumschläge dabei. Und er bleibt keine Antwort schuldig.

Der Beginn der Tour, die zu Fuß absolviert wird und über zwei Stunden dauert, ist am Alten Rathaus. Hier hat Burger Anekdötchen über Kanzler Adenauer und Bundespräsident Heuss parat. Im alten Kino des Sternhotels, immer noch auf dem Marktplatz, tagte die SPD-Bundestagsfraktion, erfährt man von ihm. Im Hettlagehaus, dem heutigen Ansons, residierte von 1950 bis 1965 der Deutsche Industrie- und Handelstag und in der ehemaligen Gaststätte Fleischhauer in der Bonngasse, wo heute ein Hotel beheimatet ist, war die KPD-Fraktion untergebracht. „Viel Politik wurde deshalb in den Hinterzimmern gemacht“, berichtet Burger.

Der erste Karnevalszug lief am Sterntor vorbei

Die nächste Station ist am Sterntor, an dem im Februar 1950 der erste Karnevalszug nach dem Krieg vorbeigelaufen ist. Burger hat zur Veranschaulichung ein kleines Modell eines Wagens mit der zugehörigen karnevalistischen Fußgruppe dabei. Im alten Gebäude der Stadtsparkasse, das vor wenigen Jahren einem Neubau weichen musste, hatte das britische Hauptquartier seinen Sitz. „Denen oblag es sogar, den innerdeutschen Briefwechsel zu kontrollieren“, berichtet Burger und zeigt einen geöffneten und von den Briten gekennzeichneten Brief aus seiner Familie. Auch über das Alte Stadthaus am Bottlerplatz weiß er so einiges zu berichten.

Der Abschluss der Tour befindet sich in der Graurheindorfer Straße, wo die Komplexe des Finanzministeriums und Innenministeriums beheimatet sind. In deren Häusern waren damals auch noch weitere in Gründung befindliche Ministerien untergebracht. Die Hin- und Rückfahrt mit der Straßenbahn ist in der Teilnahmegebühr enthalten.

Die nächste Führung „Das Bonn der frühen Jahre“ gibt es am Sonntag, 8. Juli. Sie startet um 14 Uhr am Alten Rathaus, Marktplatz, und kostet zehn, ermäßigt acht Euro.

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