Kommentar zum WCCB-Prozess Politische Aufarbeitung steht noch aus

Bonn · Der Vergleich im WCCB-Prozess ist eine kluge Entscheidung - die politische Aufarbeitung steht indes noch aus. Ein Kommentar von GA-Chefredakteur Helge Matthiesen.

Vergleiche vor Gericht haben in der Öffentlichkeit oft keinen guten Ruf, vermitteln sie doch den Eindruck, das Gericht drücke sich um eine klare Entscheidung und erlasse den Angeklagten eine verdiente Strafe.

Im Verfahren gegen WCCB-Projekt-Verantwortliche der Stadtverwaltung ist es ein kluger Weg, die juristische Aufarbeitung abzukürzen und so etwas wie Gerechtigkeit herzustellen - soweit das in diesem komplexen Vorgang überhaupt noch möglich ist.

Folgen Staatsanwaltschaft und Anklage dem Vorschlag des Gerichts, dann werden die Mitarbeiter der Stadtverwaltung nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Sie werden jedoch nicht stellvertretend für all jene zur Verantwortung gezogen, die auch an dem Projekt mitgewirkt haben, bisweilen an weit prominenterer Stelle, die aber aus den verschiedenen Gründen nicht auf der Anklagebank sitzen.

Wer genau Verantwortung trägt, warum Sicherungsmechanismen versagten und rechtliche Grenzen verletzt wurden, bleibt dabei ungeklärt. Das kann man bedauern - oder eben feststellen, wie es das Gericht am Dienstag tat.

Das Ende der juristischen Aufarbeitung des Falles WCCB rückt damit näher. Die politische Aufarbeitung steht indes noch aus. Und sie ist dringend notwendig, damit Bonn die Lähmungserscheinungen endlich ablegt, die sich nach dem Fall WCCB breitgemacht haben.

Wer mutlos und angstvoll in die Zukunft schaut, wird nichts mehr bewegen. Chancen bleiben ungenutzt, wenn niemand etwas wagt. Das wäre in Zeiten des rapiden gesellschaftlichen Wandels ein echter Standortnachteil.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort