Ausbildung in der IT-Branche Speeddating für Menschen mit Handicap

BONN · Fatih Aydogan hatte einen weiten Weg zum Speeddating für IT-Ausbildung in der Deutschen Welle zurückgelegt. Der 20-Jährige kommt aus Horn-Bad Meinberg nahe Paderborn. Er ist auf der Suche nach einer Ausbildung in der IT-Branche, und da dieses Speeddating auf Menschen mit Handicap zugeschnitten war, war es genau das Richtige für den Ostwestfalen mit Sehbehinderung.

Mit der richtigen Software könne er auf einem Computermonitor alles sehen - auf diese Weise habe er die Regelschule absolviert: mit einer Kamera, die auf die Tafel gerichtet und mit seinem Laptop verbunden war, an dem er in der Klasse arbeitete. "Meine Meinung ist, dass Sehbehinderte auch eine Bereicherung in Unternehmen werden können."

Unternehmen etwa wie Comdok mit seinen insgesamt 62 Mitarbeitern in Sankt Augustin und Berlin. "Eine gewisse gesellschaftliche Verantwortung haben auch wir", sagte Mitarbeiter Manfred Walterscheid. Auch Menschen mit Behinderungen oder mit Realschulabschluss könnten im IT-Bereich Fuß fassen, war er überzeugt: "Mit gesundem Menschenverstand kann man das lernen." Und den brächten Menschen mit Handicap genauso mit wie andere. Neben Comdok waren die Bull GmbH, das Karrierecenter der Bundeswehr, die Telekom, die Deutsche Welle und das Deutsche Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen angemeldet, bei denen die elf Kandidaten für jeweils 15 Minuten vorstellig werden konnten.

Chance für beide Seiten liegt im direkten Gespräch

Die Veranstaltung wurde von mehreren Institutionen und Unternehmen organisiert, die im Netzwerk "Bonn Fairbindet" zusammengeschlossen sind, unter anderem die IHK und die Bonner Agentur für Arbeit. "Wir haben dezidiert das Ziel, die Zahl der IT-Azubis auch mit Schwerbehinderung zu steigern", sagte Stephan Pfisterer von Bitkom. Ziel sei es, im direkten Gespräch Vorbehalte und Unsicherheiten sowohl seitens der Unternehmen als auch der Kandidaten aus dem Weg zu räumen. IT-Unternehmen hätten auch ein Interesse, Menschen mit Behinderung aufzunehmen, etwa für die Entwicklung barrierefreier Produkte: "Ich brauche auch Leute im Team, die das aus eigener Erfahrung quasi machen können, die ein Gefühl dafür haben, wo sich Barrieren aufbauen und wie man die von vornherein vermeiden kann."

Mehr als 100 Stellen pro Jahr bleiben laut Jürgen Hindenberg von der IHK Bonn/Rhein-Sieg in der Region unbesetzt - weil das Interesse fehle. "Die Jugendlichen, die in der Lage sind - wir reden jetzt über den normalen Ausbildungsmarkt -, sich über hochspezialisierte IT-Berufe zu informieren und eine duale Ausbildung anzutreten, spielen auch immer mit dem Gedanken eines Studiums in diesem Segment", stellte Ralf Steinhauer von der Agentur für Arbeit fest. Da bleibe die klassische duale Ausbildung auf der Strecke. Hier könnten die vermeintlich Benachteiligten ansetzen: Eine Behinderung müsse keine Benachteiligung für den IT-Sektor sein.

Das inklusive Speeddating soll regelmäßig wiederholt werden.

Kurz gefragt

Sören Kawall aus Königswinter ist 17 Jahre alt, hat einen Realschulabschluss und besucht jetzt das Heinrich-Hertz-Berufskolleg. Über die Agentur für Arbeit kam er zum Speeddating für IT-Berufe. Mit ihm sprach Stefan Knopp.

Das ist ja ein Speeddating für Menschen mit Handicap. Welches ist deins?
Sören: Ich habe das Marfan-Syndrom. Das ist ein Gendefekt, wodurch die Adern nicht so elastisch sind. Was halt zur Folge hat, dass ich mich nicht großartig anstrengen darf. Darüber hinaus habe ich noch eine künstliche Hüfte und in zwei, drei Jahren sehr wahrscheinlich eine weitere.

Und du hast das Gefühl, im IT-Bereich gut aufgehoben zu sein?
Sören: Ja, auf alle Fälle, da es nicht körperliche Arbeit ist, sondern eher mental. Und da ich gemerkt habe, dass mir Informatik mir liegt, suche ich in dem Bereich auch eine Ausbildung. Mein Favorit wäre die Anwendungsentwicklung, und ich könnte mir gut die Deutsche Welle vorstellen. Auch der Umgang mit den Mitarbeitern scheint mir passend.

Bewirbst du dich denn auch auf "normalem" Weg?
Sören: Ja. Ich habe zum größten Teil Absagen bekommen, weil die meisten Firmen Leute mit Abitur suchen, was ich halt noch nicht vorweisen kann. Ich bin schon allein deswegen nicht in die engere Wahl gekommen, da Leute mit besserer Qualifikation da waren.

Spielte die Behinderung eine Rolle?
Sören: Nein, das würde ich nicht sagen.

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