Keine Angst vor der Zukunft Politiksimulation mit Alten-Parlament in Bonn

BONN · Die deutsche Gesellschaft wird immer älter: Steht in Zukunft also die Herrschaft der Alten über die Jungen bevor? Werden die Senioren in Zukunft das Leben der jungen Generation bestimmen?

 Im ehemaligen Plenarsaal findet das wissenschaftliche Experiment statt.

Im ehemaligen Plenarsaal findet das wissenschaftliche Experiment statt.

Foto: Horst Müller

Darauf eine Antwort zu finden, war Sinn und Zweck einer wissenschaftsgeleiteten zweitägigen Politiksimulation, die gestern Abend im ehemaligen Plenarsaal des Bundestages zu Ende ging. 214 Bürger zwischen 15 und 88 Jahren simulierten den Parlamentsalltag der Jahre 2013 und 2050 - ein wissenschaftliches Experiment zum Finale des Wissenschaftsjahres 2013, das den demografischen Wandel zum Schwerpunkt hatte.

Muss einem vor den "grauen Aussichten" angst und bange werden? Nach dem zweitägigen Experiment zieht Clemens Tesch-Römer vom Deutschen Zentrum für Altersfragen ein eindeutiges Fazit: "Nein. Die Altersgruppen haben klug und kompetent argumentiert. Es ging eindeutig um die Sache - nicht um den Vorteil der jeweiligen Altersgruppe."

Die Teilnehmer sollten in zwei Gruppen die jeweilige Demografie repräsentieren und sich in die parlamentarische Arbeit stürzen. "Um einen Vergleich ziehen zu können, haben wir drei Themenschwerpunkte vorgegeben", erklärte Christine Thomas, die die Projektgruppe Wissenschaftsjahr 2013 im Bundesbildungsministerium leitet. So ging es in einem Ausschuss um die Weichenstellung in der Bildungspolitik: Sollte man mehr Geld in die Weiterbildung Älterer stecken oder in die vorschulische und schulische Bildung von Kindern?

Das erstaunliche Ergebnis: Das Parlament der Zukunft und das der Gegenwart stimmte fast ähnlich ab. Die größte Abweichung gab es bei jenen, die sich enthielten: 2013 wären es 5,5 Prozent, 2050 14,6 Prozent. "Aber die inhaltlichen Unterschiede waren hier am geringsten.

Man war sich doch ziemlich einig, mehr Geld in die Ausbildung der Jungen zu investieren", erklärte Professorin Ursula Münch, Leiterin der Akademie für Politische Bildung Tutzing, die das Experiment leitete. Ähnlich sah es bei den Abstimmungen beim Thema Familie und Beruf aus: Das Vereinbarkeitsmodell war für beide Parlamente eindeutig attraktiver als das Familienzeitmodell. Und auch bei der Entwicklung von schrumpfenden Regionen wollte die klare Mehrheit mehr in Pflege, den Nahverkehr und die Kinderbetreuung investieren.

Nicht nur die Organisatoren waren höchst zufrieden mit dem Ergebnis, auch die Teilnehmer waren begeistert. Verena Hemmermann, 28, Heilerziehungspflegerin war gleich fest entschlossen mitzumachen, als sie das Angebot erhielt. Die Auswahl traf nach einem Zufallsprinzip das Hochschulrechenzentrum der Uni Bonn. "Ich fand es total spannend, mal einen Einblick in politische Strukturen zu bekommen", meinte die Bonnerin. Aber sie als Pflegesachverständige hatte sich auch einen intensiven Austausch erhofft - und wurde nicht enttäuscht.

Pasi Kytölä repräsentierte mit 65 nicht nur die Gruppe der Senioren, der Finne stand auch für die Migrantengruppe, die ebenfalls in der Zukunft anwachsen soll. "Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis", sagte der Wahlbonner, der seit mehr als 40 Jahren in Deutschland lebt. Der frühere Eventmanager Klaus-Dieter Baust, 64, aus Witterschlick ist schon so was wie ein Experte: Er engagiert sich ehrenamtlich in den Vereinen Senior-Guide und dem Forum Senioren Meckenheim.

Die Modellparlamente

Die Teilnehmer des Parlaments der Generationen wurden in zwei demografisch repräsentative Gruppen unterteilt, die jeweils die Alterszusammensetzung der Bevölkerung in den Jahren 2013 und 2050 widerspiegelten. Während heute die Generation der 31- bis 50-Jährigen mit gut 30 Prozent den größten Anteil bildet, wird im Jahr 2050 mit fast 40 Prozent Anteil voraussichtlich die Generation der über 67-Jährigen die größte Gesellschaftsgruppe sein.

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