Parkbuchhandlung Bonn Heide Simonis liest aus ihrem Buch "Alles Märchen. Insider packen aus"

BONN · Mit ihrem Namen verbinden sich Superlative: Heide Simonis (70) war die erste Ministerpräsidentin der Bundesrepublik und länger im Amt als irgendeiner ihrer Vorgänger und Nachfolger. Sie verkörperte einen ganz neuen Politiker-Typus - und musste 2005 durch einen Abweichler in der eigenen Partei SPD ihre Politkarriere jäh beenden.

 Die ehemalige Politikerin Heide Simonis hat ein neues Buch über Märchen geschrieben, aus dem sie am Freitag in Bonn liest.

Die ehemalige Politikerin Heide Simonis hat ein neues Buch über Märchen geschrieben, aus dem sie am Freitag in Bonn liest.

Foto: dpa

Wie fühlt es sich an, wenn Sie wieder in Ihre Geburtsstadt Bonn kommen?
Heide Simonis: Oh, das wird ein komisches Gefühl sein, weil ich lange schon nicht mehr da war. Seitdem Bonn nicht mehr Hauptstadt ist, zieht mich da eigentlich nicht mehr viel hin. Verwandtschaft habe ich da keine mehr.

Bonn in Ihrer Kindheit: Woran erinnert sich eine der drei "Rheintöchter" da spontan?
Simonis: An die Strümpfe mit den Strapsen und den Leibchen, die unsere Mutter uns drei Schwestern angezogen hat. Was waren die für eine Strafe Gottes (lacht). Ans Rheinufer erinnere ich mich natürlich, wo wir gespielt haben, obwohl das strikt verboten war. Wir waren prompt immer da, wo wir nicht hingehörten.

Zu Ihrem Buch "Alles Märchen. Insider packen aus". Sie schreiben Märchen neu. Was hat Sie daran fasziniert?
Simonis: Mein Mann und ich haben auch in Sambia und Japan gewohnt. Ich habe festgestellt, mir erschließt sich vieles in anderen Ländern leichter durch deren Märchen. In ihnen steckt das drin, was Wunsch und Anspruch der Bevölkerung ist.

Aber im Buch deklinieren Sie deutsche Märchen mal ganz anders durch.
Simonis: Ja, es macht Spaß, in Märchen das Unbekannte zu entdecken. Ich habe geguckt: Wie ist da die Stellung der Frau? Etwa die Stiefmütter und die Stiefkinder, das sind immer arme Wesen. Die Stellung der Männer ist besser, aber sie sind fast alle Weicheier. Der Vater von Hänsel und Gretel jammert, die armen Kinderchen nachts in den Wald treiben zu müssen, aber er macht es. Es gibt überhaupt große Ungerechtigkeiten. Da frage ich: Wie wäre es, wenn es mal anders laufen würde?

Sie haben ein Herz für die Anti-Helden.
Simonis: Das hatte ich ja immer. Im Leben wie im Märchen.

Sie erzählen Märchen für Erwachsene?
Simonis: Wohl eher. Mir wurde aber auch von einem 13-Jährigen erzählt, der meine Märchen cool findet. Der also auch begriffen hat, was ich will. Also unterhalten und mit einem kleinen Augenzwinkern sagen: Man könnte es auch besser machen.

Märchen und Politik: Da gibt's durchaus Parallelen?
Simonis:
Das liegt auf der Hand. Politiker würden zwar "nein" sagen. Aber natürlich erzählen auch sie Märchen von einer besseren Welt, von einer besseren Verteilung...

... besonders im Wahlkampf...
Simonis: Ja. Wenn sie es dabei ernst meinen, ist das natürlich schön. Wenn's aber nur gemacht wird, um die Menschen zu bescheißern, dann ist das nicht so gut.

Sie haben wie jetzt die Märchen auch schon die Politik gegen den Strich gekämmt: Sie haben die Männerbastion Ministerpräsidentenamt geentert...
Simonis: Ja, ein ganz klein bisschen. Wenn das auch anstrengend war (stöhnt). Wenn Sie etwas ändern wollen, müssen Sie beide Seiten sehen: Warum macht der eine das, aber auch: Warum lässt sich der andere das gefallen?

Frau hat es wohl schwerer in der Politik. Gerade ist die Kieler Oberbürgemeisterin Susanne Gaschke zurückgetreten. Sehen Sie da Parallelen zu Ihrem Rücktritt?
Simonis: Das ist ein Fall, über den man als Außenstehende, und das sind wir ja, nur staunen kann, was sich da auf einmal für eine orkanartige Wut aufgebaut hat. Gegen diese Frau und über diese Frau gegen andere. Das war nicht mehr einzufangen.

Das hatte auch mit Ihrer beider Partei SPD zu tun, nicht wahr? Und das haben Sie 2005 auch am eigenen Leib gespürt.
Simonis: Das kann man wohl sagen, ja. Ich weiß bis heute nicht, wer damals aus den eigenen Reihen gegen mich gestimmt hat, und was dahinter steckte. Aber wir stellen mal wieder fest, dass sich bestimmte Ausbrüche vor allem gegen Frauen richten. Da habe ich manches bei Frau Gaschke wiedererkannt.

Sind Sie damit inzwischen für die Frauenquote?
Simonis: Nein, eigentlich nicht. Aber wenn man sie hat, hilft sie. Sie kriegen ja sonst bei uns nichts verändert.

Zurück zur Lesung: Was ist Ihnen persönlich die sympathischste Märchenfigur?
Simonis: Der Froschkönig. Der als Frosch so glücklich ist, dass er im Brunnen sitzen und den Frauen beim Geratsche zuhören darf. Weil er dort Sachen hört, die er sonst nie erfahren würde. Und weil er sich graust, als König wieder die Schärpe knoten zu müssen. Andererseits: Wenn er die nicht irgendwann knotet, kommt er auch nie an die Macht... (lacht).

Info

Karten (zwölf Euro) für die Lesung am Freitag, 22. November, ab 19.30 Uhr in der Parkbuchhandlung, Koblenzer Straße 57, gibt es unter der Nummer 0228/352191 oder nach Mail an info@parkbuchhandlung.de

Zur Person

Heide Simonis wurde 1943 in Bonn geboren. Sie studierte Volkswirtschaft und Soziologie. Nach Aufenthalten in Sambia und Japan kehrte sie 1972 nach Kiel zurück. Von 1988 bis 1993 war sie Finanzministerin Schleswig-Holsteins, von 1993 bis 2005 die erste Ministerpräsidentin Deutschlands. 2006 bis 2008 war sie Bundesvorsitzende von Unicef Deutschland. Sie veröffentlichte zahlreiche Bücher.

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