Rund eine Million Wettermeldungen verarbeitet der Deutsche Wetterdienst täglich

Nahezu jede Regung der Erde zwischen Temperatur und Luftdruck landet im zentralen Wettercomputer des DWD

Rund eine Million Wettermeldungen verarbeitet der Deutsche Wetterdienst täglich
Foto: dpa

Der Planet gleicht einem Patienten auf der Intensivstation. Überall messen Sensoren seinen aktuellen Zustand. Luftdruck, Niederschläge, Luftfeuchtigkeit, Temperatur der Luft und des Ozeans, Windstärke und -richtung. Es messen Frachtschiffe, Verkehrsflugzeuge, unbemannte Bojen, die auf den Weltmeeren schaukeln, Wetterballons und -stationen, dazu seit fast 50 Jahren auch Satelliten.

Letztere schließen die großen Lücken im Datennetz über dem afrikanischen Kontinent und dem Weltozean. Zumindest behelfsweise, denn Vorort-Messungen sind die besten, Satellitendaten müssen hingegen noch kompliziert umgerechnet werden, damit sie zur verarbeitung taugen.

So liefern tausende Sensoren heute ein tägliches Planeten-Bulletin. Eine wahre Messarmada funkt rund um die Uhr Datenpakete in die weltweiten Rechenzentren, wo das Wetter für die nächsten 24 Stunden hochgerechnet wird - Datenmengen, die analog der Zahl der Messpunkte unweigerlich gewachsen sind.

Waren es vor 25 Jahren rund 30 000 einzelne Wettermeldungen, die der Deutsche Wetterdienst (DWD) täglich verarbeitete, „sind es heute rund eine Million“, sagt DWD-Meteorologe Gerhard Lux. Inzwischen hat die 24-Stunden-Prognosegüte 90 Prozent erreicht.

Eine bessere Treffgenauigkeit verhindert nur die Pingeligkeit der Wetterfrösche: „Wenn es erst um 13 Uhr regnet statt um 12 Uhr, wie vorhergesagt, ist das bei uns schon ein Fehler.“ Zudem sind die 90 Prozent ein Durchschnittswert. Lux: „Im April-Wetter schaffen wir häufig nur 75 Prozent, dafür im oft ruhigeren September meist über 90 Prozent.“

Ständiges Ärgernis sind die vielen „kleinräumigen Wetterphänomene wie Windböenlinien oder Gewitter“, sagt Professor Gerhard Adrian, DWD-Vizepräsident. Hintergrund: Je hochauflösender räumlich hochgerechnet werden soll, desto mehr Kapazität muss ein sogenannter Höchstleistungsrechner haben. Sonst fallen Böen und Gewitter mit Hagelschlag, also Wetter mit hoher Schadenspotenz, weiter durch die Maschen.

Die Meteorologen stehen da nicht allein. Wie falten sich Proteine im Körper? Wie funktionieren Halbleiter genau? Wie formen sich Galaxien? Oder eben für Klimatologen interessant: Wie steigt der Wasserdampf in die Stratosphäre auf? Oder auch: Für welche Gemeinde lässt sich ein Tornadorisiko absehen? Antworten auf solche Fragen verlangen immer leitungsfähigere Rechner.

Man schätzt, dass der wissenschaftliche Bedarf an Computerrechenzeit bis 2012 um mehr als den Faktor 1 000 steigen wird. In Offenbach will der DWD spätestens in drei Jahren ganz vorne mitrechnen: Dann wird die Wettervorhersage mit zweimal 39 TeraFlops pro Sekunde regelrecht beflügelt. Das macht unvorstellbare 78 Billionen Rechenschritte in der Sekunde, was der addierten Leistung von 50 000 handelsüblichen Personalcomputern entspricht. Die Steigerung der Rechenleistung um 4 500 Prozent gegenüber heute kostet 39 Millionen Euro – und ist auch eine Antwort auf die Herausforderung Klimawandel.

Denn extreme Wetter werden nicht nur ferne Erdwinkel heimsuchen, sondern auch zwischen Flensburg und Oberstdorf an Häufigkeit zunehmen. Da sind sich alle Klimamodelle einig. In Zeiten der globalen Erderwärmung bleiben die „24-Stunden-Meteorologen“ zwar weiterhin für das Kurzfristige zuständig, aber über den jahrelangen Vergleich gilt es, Trends frühzeitig zu erkennen und die Daten den Kollegen fürs Langfristige, den Klimatologen, durchzufunken.

Trends sind heute schon sichtbar. Lux: „Exemplarisch nenne ich mal die Winter der letzten 20 Jahre. Die sind eher zu mild ausgefallen.“ Ursache: Mehr Wind aus West und Südwest, also mild-maritim.

Die Großwetterlagen hätten sich verändert, die sogenannte sibirische Kälte werde vermehrt von Westwindlagen ferngehalten. Klimatologen überrascht das nicht. Für Deutschland erwarten sie trockenere Sommer mit vielen kurzfristigen Starkregen, im Winter weniger Frosttage und mehr Regen. Klimatologen sagen, was die nächsten Jahre wahrscheinlich bringen, und die Meteorologen bestätigen es monatsweise. So war der April 2007 der trockenste April in Deutschland seit 1901, dem Beginn der Wetteraufzeichnungen. Ihm folgte der Mai - der feuchteste seit 1901. (ww)

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