Klimakatastrophen im Kino

Roland Emmerichs Thriller "The Day After Tomorrow" konfrontiert die Welt mit ihrer Verletzbarkeit

Klimakatastrophen im Kino
Foto: CINETEXT

Kunst kann die Welt nicht verändern. Sie kann sie beschreiben, analysieren und kritisieren, das Publikum allenfalls für ein paar Augenblicke beeinflussen. Vor drei Jahren kam Roland Emmerichs Umwelt-Thriller "The Day After Tomorrow" ins Kino.

Wie eine Studie des Potsdam-Institutes für Klimafolgenforschung (PIK) damals ermittelte, verhalf die Geschichte über eine neue, von Menschen verursachte Eiszeit in den nördlichen Breiten dem Thema Klimaschutz in Deutschland zu breiterer Aufmerksamkeit. Viele Menschen setzten sich - in den meisten Fällen erstmals - mit der Rolle der Ozeane auseinander und plädierten für eine engagierte Klimapolitik; sogar die Ökosteuer verbesserte in diesem Zusammenhang ihr Image.

82 Prozent der befragten Kinozuschauer nahmen eine klare Botschaft mit nach Hause: "Wir müssen den Klimawandel unbedingt aufhalten."

Nachweisbare Folgen hatte das natürlich nicht. "The Day After Tomorrow" ist auch nur ein Film. In den USA, wo Emmerichs 132 Millionen Dollar teures Werk sehr gut lief, setzte 2004 bekanntlich auch kein massiver Bewusstseinswandel ein. Den schaffte erst eine reale Naturgewalt: Hurrikan Katrina zerstörte 2005 die amerikanische Stadt New Orleans - und gleichzeitig die Illusion, Herr über die klimatischen Verhältnisse zu sein.

Roland Emmerich und sein Film stehen in einer langen Tradition. Kino - man denke nur an "Titanic" - ist ohne Katastrophen nicht denkbar. Und ohne schlechtes Wetter schon gar nicht. Was wäre Ridley Scotts "Blade Runner" ohne unheilschwangeren Dauerregen?

Kino-Klimakatastrophen waren in der guten alten Zeit - sozusagen ante Emmerich - Produkte kranker Hirne oder fremder Mächte. Verrückte Wissenschaftler, Kalte-Kriegs-Gegner oder schlicht Außerirdische waren schnell als Schuldige ausgemacht und zum Happy End eliminiert. Da machte Desaster noch richtig Spaß.

Roland Emmerichs "Day After Tomorrow" konnte, ja musste man 2004 als Kommentar zur Lage der Natur lesen. Klimaforscher warnten in dem Film - naturgemäß erfolglos - die bornierte politische Elite Amerikas vor Klimaerwärmung und Eisschmelze an den Polkappen. Dann brach viel früher als prognostiziert die Katastrophe über New York und Los Angeles herein, die Menschen mussten sich warm anziehen.

Ein Retter, den das Szenario früherer Katastrophenfilme immer in petto hatte, war diesmal nicht in Sicht. Dennis Quaid als prominenter Forscher und verzweifelter Vater, machte sich von Philadelphia auf die beschwerliche Suche nach seinem in New York gestrandeten Sohn.

Dass er ihn wiederfand, gehörte zu den wenigen glücklichen Aspekten des Wetter-Dramas. Am Ende stand eine vage Hoffnung: Dass die Menschen und insbesondere die politisch Handelnden aus ihren Fehlern lernen würden.

Emmerichs Bilder waren von gruseliger Schönheit. Eine Flutwelle suchte New York mit geradezu alttestamentarischer Kraft heim. Später sah man die schockgefrostete Freiheitsstatue, von Eis und Schnee besiegt: Symbol für die Niederlage menschlicher Hybris.

Emmerich arbeitete auch im Fall von "The Day After Tomorrow" mit bekannten Mustern: mit Pathos, Lovestory, Vater-Sohn-Konflikt, leerer politischer Rhetorik und plakativen Klima-Thesen. Die erste Frage, sagte Emmerich, heißt immer: "Wie kann ich Leute gut unterhalten? Und wenn es am Ende noch etwas gibt, das nachdenklich stimmt, dann bin ich sofort dafür. Aber hauptsächlich habe ich den Film gemacht, um zu zeigen, wie sich eine Umweltkatastrophe politisch auswirkt."

Weil jeder weiß oder wissen könnte, wie ernst die Sache ist, haben Klimakatastrophen im Kino ihre Unschuld verloren. Abgesehen von George Millers Pinguin-Komödie "Happy Feet" vielleicht. Da kann man noch lachen, wenn Mumbles und Co. zu den Tönen von "Boogie Wonderland" tanzend austicken. Derweil die Polkappen schmelzen.

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