Ausmaß wachsender Altersarmut alarmierend
Bonn · Paritätischer Wohlfahrtsverband: Mittellosigkeit nimmt mit hoher Dynamik zu. Mehr bedürftige Senioren in Bonn.
Die Zahlen sind erschreckend und zeigen den Riss, der durch die Gesellschaft geht: Immer mehr Rentner rutschen in die Armutsfalle. Der Paritätische Wohlfahrtsverband warnt: Ausmaß und Dynamik der wachsenden Altersarmut in Deutschland sind alarmierend.
"Die Armut von Rentnern ist in den vergangenen Jahren so stark gestiegen wie bei keiner anderen Bevölkerungsgruppe. Armut ist ein Schicksal, von dem Menschen im Rentenalter mittlerweile überdurchschnittlich und besonders hart betroffen sind", erklärt Joachim Rock.
Der Rentenexperte des Paritätischen Gesamtverbands wagt eine düstere Prognose: "Die Altersarmut wird mit hoher Dynamik in den kommenden Jahren weiter zunehmen", warnt Rock.
Mit jedem Rentenjahrgang steige zudem das Risiko dramatisch, im Alter in Armut zu leben. Innerhalb von zehn Jahren habe sich der Anteil der älteren Menschen unter 70, die auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind, verdoppelt, berichtet die Paritätischen Forschungsstelle. Die Armutsquote bei Rentnern sei demnach zwischen 2005 und 2016 von 10,7 auf 15,9 Prozent gestiegen.
Die vergleichsweise moderat erscheinende Grundsicherungsquote verschleiere die Dynamik der Entwicklung: Tatsächlich habe sich der Anteil der Grundsicherungsbezieher unter 70 Jahren in dem Zeitraum von 2,4 Prozent (2005) auf 4,6 Prozent (2015) nahezu verdoppelt.
Eine steigende Zahl bedürftiger Senioren registriert auch die Stadt Bonn. 2012 bezogen 2773 Senioren Grundsicherung im Alter, so die Stadt. 2014 schon 3177. Zwei Monate vor dem Stichtag, am 31. Oktober 2017, erhielten bereits 3605 Personen ab 65 Jahre Grundsicherung im Alter.
Zahl der Älteren steigt
Außerdem steigt die Zahl der Älteren generell in der Gesellschaft, so auch in Bonn: 58 530 Menschen sind 65 Jahre und älter - 2,7 Prozent mehr als Ende 2012 (57 016). "Unterschiedliche Studien gehen für Bonn bis 2030 von einem weiteren Zuwachs in der Gruppe der Ü-65-Jährigen von mindestens 20 000 Menschen aus", erklärt Carolin Krause, Bonner Sozialdezernentin.
Sämtliche Prognosen setzten jedoch voraus, dass die Rahmenbedingungen - etwa wirtschaftliche Entwicklung der Region, Mobilität der älteren Menschen und medizin(technische) Standards – sich ähnlich wie bisher entwickelten.
"Wir können aber sicher davon ausgehen, dass die Anzahl der älteren Menschen in Bonn in den nächsten Jahren weiter steigt. Die prognostizierten Zuwachsraten machen deutlich, dass die bestehenden und gewachsenen Strukturen an ihre Grenzen stoßen werden. Dazu kommt, dass wir tendenziell ärmer werden. Sinkende Einkommen, brüchigere Erwerbsbiografien und steigende Lebenshaltungskosten mit den hohen Mieten führen zu einer Zunahme der Altersarmut", erklärt die Sozialdezernentin.
Die Stadt Bonn stelle dabei keine Besonderheit dar, sondern nehme an einem gesamtgesellschaftlichen Trend teil.
Ursachen von Armut und Altersarmut
Die Ursachen von Armut und Altersarmut seien vor allem in globalen und nationalen, ökonomischen, sozialen, demografischen sowie rechtlichen Rahmenbedingungen begründet. Insbesondere die Entstandardisierung der Lebensläufe und die damit einhergehende Individualisierung von Erwerbskarrieren hätten in allen gesellschaftlichen Sphären und Systemen ihre Spuren hinterlassen.
Neben weitreichenden Folgen für die Altersversorgung habe dies in der jüngeren Vergangenheit auch Auswirkungen auf andere soziale Sicherungssysteme gehabt. „Es wäre also illusorisch anzunehmen, dass sich die daraus ergebenden Probleme umfassend politisch auf der kommunalen Ebene steuern oder sogar beheben lassen“, sagt Carolin Krause.
Bedürftige Senioren erhalten Grundsicherung, wenn aus Altersgründen nicht mehr erwartet werden kann, dass die Person die materielle Notlage überwinden kann, indem sie eine Arbeit findet, oder wenn dies aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft nicht möglich ist.