NRW-Wahl Sozialdemokraten feiern ihre Ministerpräsidentin Hannelore Kraft

DÜSSELDORF · Wer bei großen Fußballspielen gewinnt, der wird von den Fans oft mit dem Song "So sehn Sieger aus" gefeiert. In der Düsseldorfer Diskothek "3001" sind es an diesem Abend junge, mittelalte und auch ältere Genossen, die Hannelore Kraft mit eben jenem Song bejubeln. Es ist 18.26 Uhr, als die Wahlsiegerin in die Disco kommt, nicht zum Tanzen, aber zum Feiern.

 Eine zu Tränen gerührte Hannelore Kraft. Rechts: SPD-Fraktionschef Norbert Römer.

Eine zu Tränen gerührte Hannelore Kraft. Rechts: SPD-Fraktionschef Norbert Römer.

Foto: dpa

Es wird geklatscht, erst vereinzelt, dann ganz euphorisch, später rhythmisch. Kraft tritt mit Sohn Jan und Mann Udo auf die Bühne, winkt, lacht und genießt. Neben der Bühne sieht sie ihre Mutter, läuft auf sie zu, umarmt sie kurz, geht wieder zurück zwischen "ihre Männer" und wischt sich ein paar Tränen aus dem Gesicht. "Was für ein toller Abend", ruft sie mehr erleichtert als euphorisch den rund 300 Parteifreunden zu. "Es ist ein tolles Gefühl, nach zwölf Jahren endlich wieder vorn zu stehen." Damals war sie erstmals in den Landtag eingezogen.

"Ehrlich gesagt, ich bin total kaputt", sagt sie weiter. Sie dankt dem Team, das bis zum Schluss Online-Wahlkampf gemacht hat, der Wahlkampf-Agentur und dann der Familie. "Udo hat den bestplakatierten Ort in Nordrhein-Westfalen geschaffen, meine Mama hat alle Sachen immer gebügelt, und Jan ist rechtzeitig von seiner Fernreise zurückgekommen."

Familienministerin Ute Schäfer bringt einen großen Strauß roter Nelken auf die Bühne. Kraft spricht von einem klaren Signal nach Berlin, dass die SPD wieder große Wahlerfolge feiern kann. Häme gegenüber Wahlverlierer Norbert Röttgen, die kommt ihr nicht über die Lippen. Das war 15 Minuten zuvor noch anders, als Röttgen auf den Bildschirmen erschienen war und erklärt hatte, er werde die Führung des CDU-Landesverbandes abgeben.

Jubel um Punkt 18 Uhr

"Berlin, Berlin, fahr doch nach Berlin", skandierten einige Jusos in der von der SPD angemieteten Disco. "Wer weiß, ob sie ihn da noch wollen", meinte Roswitha Rohm, die in der Rhein-Sieg-Kreisgeschäftsstelle in Troisdorf arbeitet. Sie wartet zu diesem Zeitpunkt gespannt darauf, ob die SPD nach mehr als einem Jahrzehnt mal wieder einen Wahlkreis an Rhein, Sieg, Swist und Agger gewinnt. "Aber für diese Stimmung hat sich schon der Weg nach Düsseldorf gelohnt."

Vor allem für den Jubel um Punkt 18 Uhr. Als der schwarze Balken in der ARD-Prognose bei 26 Prozent stehen bleibt, bricht großer Jubel aus. Noch begeisterter sind die Genossen, als die rote Säule bis auf 39,5 Prozent wächst, und grenzenlos ist die Freude, als die zwölf Prozent der Grünen eingeblendet werden. Denn damit ist klar, dass SPD und Grüne eine satte Mehrheit im neuen Landtag haben werden.

Auch Wilhelm Schluckebier steht vor der Bühne und freut sich riesig über das Ergebnis. Dass Röttgen verloren und Kraft gewonnen hat, dafür hat der 58-Jährige aus Bottrop eine Erklärung: "Der junge dynamische Managertyp ist gescheitert, und die Leute, die die soziale Kompetenz haben, die sind wichtiger für unsere Gesellschaft." Der Faktor Mensch sei wieder mehr ins Spiel gekommen.

Hannelore Kraft ist nach ihrer kurzen Rede schon auf dem Weg zum Landtag. Der Interview-Marathon beginnt. Zwischendurch immer wieder Glückwünsche, Zuspruch und viel Beifall. Das ZDF zum Beispiel hat seine Wahltags-Plattform im Plenum aufgebaut. Dort wird sie, wie vor vielen anderen Mikrofonen gefragt, ob sie jetzt Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück die Kanzlerkandidatur streitig machen würde. "Nein", sagt sie, "ich habe hier viel zu tun." Die Wählerinnen und Wähler hätten ihr Wort, dass sie in Nordrhein-Westfalen bleibe.

In den Räumen der SPD-Fraktion kann man derweil fast den Eindruck haben, als hätte die Partei verloren. Ein paar Genossen stehen an den Tischen umher. Gedrückte Stimmung? Fraktionschef Norbert Römer kommt. "Die Wähler haben sich für klare Verhältnisse entschieden. Jetzt können wir unsere erfolgreiche Arbeit mit Rot-Grün fortsetzen", sagt er ohne erkennbare Emotionen. "So bin ich eben", fügt er noch hinzu. "Wir werden ein bisschen feiern, und dann bereiten wir uns darauf vor, dass morgen wieder die Gremien tagen."

"Morgen geht die Arbeit wieder richtig los"

Dass die Mitarbeiter in der Fraktion doch feiern können, wird eine halbe Stunde später deutlich. Da kommt die Wahlsiegerin. Sie spricht viele Dankesworte und gibt dann die Aufforderung "Tut mir einen Gefallen und feiert schön. Morgen geht die Arbeit wieder richtig los."

Auch hier begleiten sie Mann und Sohn. Um durchzukommen, wird sie flankiert von sechs Sicherheitskräften, die sich an den Händen halten.

Am Rande sieht sie Rolf Krebs, den Leiter des Evangelischen Büros bei Landtag und Landesregierung in Düsseldorf. "Ich wünsche Ihnen alles Gute und Gottes Segen für Ihr Amt", sagt Krebs am Abend an die Adresse der Regierungschefin gerichtet. "Den Beistand kann ich gut brauchen", antwortet die Ministerpräsidentin. Und ist schon wieder weiter.

Derweil laufen in den Parteizentralen die Einzel-Ergebnisse ein. Viele Wahlkreise gehen an die SPD, von denen die Sozialdemokraten nie geglaubt hätten, sie holen zu können. In Düsseldorf zum Beispiel hat die Partei einen 16-Punkte-Rückstand gegen den CDU-Kandidaten aufgeholt und in einen Sieg umgemünzt. Und auch Roswitha Rohm ist zufrieden. Um 21 Uhr steht fest, dass die SPD auch im Rhein-Sieg-Kreis wieder gewinnen kann. Zwei der vier Wahlkreise gehen an die Sozialdemokraten.

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