Luzia Kandels, 82, wählt im Stadthaus, weil ihr das für sie zuständige Wahllokal am Sonntag zu weit entfernt ist. Ulrike, 35, und Thomas Himstedt, 43, die mit Töchterchen Lotte in der Schlange stehen, haben wie die Dame mit dem Rauhaardackel hinter ihnen einen ganz einleuchtenden Grund: "Wir sind am Sonntag nicht da und wollen unser Wahlrecht ausüben.

Die fünf Mitarbeiter im Wahllokal haben jedenfalls alle Hände voll zu tun: Wahlbenachrichtigung mit dem Ausweis vergleichen, Antrag für die Briefwahl ausfüllen, Stimmzettel ausgeben. Unter ihnen Azubi Thomas Hampicke: "Hier ist immer ganz schön was los."

Ganz schön was los ist auch ein Stockwerk drüber. Gut zwei Dutzend auffallend viele junge Leute wuseln im Sitzungsraum I. "Das sind überwiegend unsere Auszubildenden, die hier im Einsatz sind", sagt Peter Schmitt. Der 31-Jährige leitet das zentrale Briefwahlbüro, in dem sich gelbe Postkisten mit gelben und roten Umschlägen stapeln.

"Das ist schon meine sechste Wahl, aber so viel war noch nie los", meint er. "Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass man in diesem Jahr sehr bequem übers Internet seine Wahlunterlagen anfordern kann", so Helmut Weller, für den ordnungsgemäßen Ablauf der Wahlen zuständiger Abteilungsleiter bei der Stadt Bonn. "Die Auszählung der Briefwahlstimmzettel wird jedenfalls in diesem Jahr deutlich länger dauern als sonst", sagt er schmunzelnd und ist auch schon durch die Tür.

Weller macht das schon seit 1972. Auch wenn vieles Routine ist, ist es auch ein immenser logstischer Aufwand. Und das nicht nur im Vorfeld: Am Sonntag sind rund 2300 Wahlhelfer im Einsatz und sorgen für einen reibungslosen Ablauf des Wahlgeschehens.

Hier in diesem Saal kommen die Anträge an und werden dann für den postalischen Weg vorbereitet und verschickt. Drei bis vier Wahlzettel kommen in die Briefumschläge - je nachdem, ob ein Wähler noch berechtigt ist, den Integrationsrat zu wählen. Der Aufwand ist immens, denn es muss ja jeweils der richtige Wahlzettel für den jeweiligen Stimmbezirk verschickt werden. Und sicherheitshalber wiegen Jana Traut, 20, und Theresa Krämer, 20, die Umschläge, bevor sie zum Versenden in die Kisten kommen. Je fünf Umschläge voller Stimmzettel wiegen 160 Gramm.

In der Etage P1, gleich hinter dem Fundbüro, stehen schon die 182 Reisekoffer bereit. Die werden die Wahlvorstände am Vorabend des Wahlsonntags abholen. Sie enthalten das Wählerverzeichnis jedes Stimmbezirks, die Stimmzettel, Siegelmarken und was sonst so an Büromaterial gebraucht wird. Im Raum dahinter stehen 33 Wahlurnen - für jeden Bonner Wahlbezirk einer. Jennifer Münch, 22, und Maya Klemp, 27, werfen die eingegangenen Umschläge - in den roten stecken die Wahlzettel für die EU-Wahl, in den gelben die für die Kommunalwahl - in den jeweiligen grauen Kasten des Bezirks.

Für die Briefwahl gibt es übrigens eigene Vorstände. Und wann werden die beiden jungen Frauen wählen? "Ich habe auch schon per Briefwahl gewählt", so Münch, "weil ich am Sonntag in Dransdorf im Einsatz bin." Klemp gibt ihre Stimme am Sonntag in Beuel ab. Dort ist sie auch Wahlhelferin.

Die Wahlbüros für die Briefwahl sind noch bis Freitag, 23. Mai, 18 Uhr geöffnet. In jedem Stadtbezirk ist jeweils ein Wahlbüro eingerichtet: in den drei Rathäusern und im Stadthaus. Bis Dienstag haben rund 100.000 Wahlberechtigte Briefwahl beantragt. Wer beantragte Unterlagen auf dem Postweg nicht rechtzeitig erhält, kann sich Ersatzunterlagen im zuständigen Wahlbüro noch bis Samstag, 24. Mai, 12 Uhr, ausstellen lassen.

Wahlbriefe der Briefwahl für die Europawahl können am Sonntag noch bis 18 Uhr in den Nachtbriefkasten am Stadthaus geworfen oder an der Stadthausinformation abgeben werden. Dagegen müssen die Wahlbriefe für die Kommunalwahl und die Wahl des Integrationsrates bis 16 Uhr eingegangen sein, betont Helmut Weller von der Stadt Bonn. Die Wahlvorstände in den Wahllokalen können keine Wahlbriefe annehmen.