GA-Serie "Sportverletzungen" Schockdiagnose Kreuzbandriss

BONN · Ein gerissenes Kreuzband bedeutet in der Regel eine lange Pause und viel eigenständiges Üben. Nachwuchsfußballer Nico Werner will es dennoch in das Profiteam von Fortuna Düsseldorfs schaffen.

Ein Trainingsraum in Pützchen: „Komm Nico, da geht noch mehr. Trau es dir zu“, peitscht Physiotherapeut Moritz Käselau den 18-jährigen Nachwuchsfußballer Nico Werner an. Zaghaft springt Werner auf einer blauen Matte vom linken auf das rechte Bein. Werner schuftet hart für sein Comeback.

Rückblick: Es läuft die zweite Halbzeit im Niederrhein-Pokalspiel der A-Junioren zwischen Fortuna Düsseldorf und dem FC Mönchengladbach. Es ist Februar, entsprechend kalt. Als der Stürmer der Fortuna eine lange Flanke auf sich zukommen sieht, ist er unschlüssig. Unschlüssig, ob er den Ball annehmen oder direkt verwerten soll. „Bloß nicht nachdenken“, heißt es doch so oft auf den Fußballplätzen der Region. Doch genau das tut der 18-Jährige: „Ich entschied mich in der Luft im letzten Moment für die Ballannahme und kam dann ganz unglücklich auf. Es gab einen tierischen Knall.“ Nach dem Aufprall schwant ihm direkt Böses: „Ich dachte nur: bitte kein Kreuzbandriss.“

Die Untersuchung des Knies ergibt: Totalschaden

Ein typisches Bild: „Kreuzbandrisse passieren in der Regel ohne Fremdeinwirkung“, so Jochen Müller-Stromberg, Chefarzt der Unfallchirurgie und Sportmedizin am Gemeinschaftskrankenhaus Bonn. „Meistens durch ein nach innen knickendes Gelenk bei der Landung nach einem Sprung.“ Werner hofft, dass das stark angeschwollene Knie „lediglich verdreht“ sei.

Am nächsten Morgen folgt jedoch der Schock: Die Magnetresonanztomographie (MRT) übertrifft die Befürchtungen des Abiturienten sogar: Nico Werners rechtes Knie? Ein Totalschaden. So offenbarten die Bilder des MRT nicht nur einen Riss des rechten vorderen Kreuzbands, sondern auch einen Meniskusschaden sowie ein lädiertes Innenband.

Der Kreuzbandriss – eine typische Verletzung von Fußballern. Statistisch gesehen reißt in Deutschland alle sechseinhalb Minuten ein Kreuzband. In 90 Prozent der Fälle das vordere. Für Mediziner längst Routine, nicht so für Werner: „Das war ein echter Schock für mich, da sind auch Tränen geflossen“ sagt der 18-Jährige, der zur vergangenen Saison erst den Sprung vom FC Hennef 05 in die U19 von Fortuna Düsseldorf wagte.

Sein Weg in den Profifußball schien vorgezeichnet: „Die letzten beiden Jahre in Hennef und Düsseldorf liefen optimal, ich habe regelmäßig meine Einsatzzeiten bekommen.“ Nun wurde der Traum vom Profifußball vorerst auf Eis gelegt.

Vier Wochen musste er sich auf seine Operation vorbereiten, ehe der Eingriff erfolgte. „Das war kompliziert. Weil auch Meniskus und Innenband beschädigt waren, waren die Mannschaftsärzte unschlüssig, ob ich ein- oder zweimal operiert werde“, so Werner. Es blieb bei einer OP.

Eine Operation ist nicht immer notwendig

„Das Kreuzband wird in der Regel durch eine körpereigene Plastik ersetzt“, so Müller-Stromberg. Bei korrekter Implantation des Transplantates, guter Einheilung und stabiler Fixierung seien die Heilungschancen laut Chefarzt sehr gut. Komplikationen wie Blutergussbildung im Bereich der Sehnenentnahmestelle oder Bewegungseinschränkungen treten nur selten auf.

Eine Operation ist nicht immer zwingend notwendig: „Wenn es sich um einen nicht sportlich aktiven älteren Patienten handelt, der nur noch wenig Anspruch an sein Kniegelenk hat und dieses nicht instabil ist, kommt zunächst auch eine konservative Behandlungsmethode in Betracht, das heißt, das Kreuzband muss hier nicht unbedingt operativ versorgt werden“, erklärt Müller-Stromberg. Werner hat den Anspruch zurückzukommen. Eine OP? Unausweichlich.

Und der Eingriff verläuft gut. Nur wenige Tage danach beginnt er schon mit der Reha in Pützchen. Zunächst nur zwei- bis dreimal, mittlerweile kommt er sogar fünfmal in der Woche in die Trainingsräume, um unter professioneller Aufsicht an seinem Comeback zu arbeiten. Er ist zufrieden mit seinem Heilungsverlauf: „Es läuft wirklich sehr gut. Ich bin weiter, als ich vor drei Monaten dachte“, so Nico Werner. Sein Trainer sowie der gesamte Mannschaftsstab seines Vereins würden sich vorbildlich um ihn kümmern, sagt er. Sie stehen in ständigem Austausch mit dem Reha-Zentrum.

Dort arbeitet Andreas Stommel mit seinem Team an Nico Werners Genesung. Er stellt dem Stürmer ein positives Zeugnis aus: „Nico ist schon sehr weit und macht große Fortschritte. Man merkt ihm einfach an, dass er hundertprozentig auf den Leistungsfußball fokussiert ist.“ Manchmal, so Stommel, müsse man sein Engagement stoppen. Ein Risiko? „Bei einem Kreuzbandriss ist es wichtig, dass sich der Sportler Zeit lässt“, so Müller-Stromberg. „Dann stehen die Heilungschancen bei 98 Prozent.“

Der OP-Bericht prophezeit Werner eine Ausfallzeit von sechs bis neun Monaten. Zahlen, von denen ein Breitensportler nur zu träumen vermag. Ein Vergleich, so Stommel, verbietet sich hier aber: „Man darf nicht vergessen, dass Nico sich im Gegensatz zu Familienvätern oder Berufstätigen zu 100 Prozent auf sein Knie konzentrieren kann.“ Auch sein Alter kommt ihm zugute. In jungen Jahren verlaufe die Wundheilung laut Stommel schneller.

„Nach Rissen des vorderen Kreuzbandes kann die Wiederaufnahme des Trainings mit allgemeinen Trainingseinheiten mit Laufen und mildem Krafttraining nach drei Monaten erfolgen. Nach sechs Monaten ist das Kreuzband in der Regel soweit verheilt, dass auch sportartspezifisch das Training wieder aufgenommen werden kann.“ In den Wettkampf soll der Kreuzbandoperierte laut Müller-Stromberg erst nach neun Monaten zurückkehren.

Verläuft die Heilung bei Werner weiter so positiv, hofft er, bereits im September wieder ins Mannschaftstraining einsteigen zu können. „Vielleicht wird es auch erst Oktober, ich möchte nichts überstürzen“, erzählt der Schüler des Bonner Ludwig-Erhard-Berufkollegs dann doch einsichtig. Sein Wille, auf den grünen Rasen zurückzukehren, ist bei diesen Worten greifbar. Es scheint, als hätte Werner auf seinem Weg in den Profifußball nur eine Zwangspause eingelegt.

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