NADA in Bonn Nur jeder 30. Betrüger wird erwischt

BONN · Es könnte in jeder Sportart vorkommen: Anna ist eine junge Athletin, vielleicht 16 Jahre alt, auf dem Sprung ins Nationalteam. Sie beobachtet nach dem Training, wie ein Betreuer ihrer Vereinskollegin Nina etwas in die Hand drückt.

 Blickt optimistisch in die Zukunft: Nada-Chefin Andrea Gotzmann.

Blickt optimistisch in die Zukunft: Nada-Chefin Andrea Gotzmann.

Foto: dpa

Etwas, das aussieht wie eines dieser Röhrchen mit den Mineraltabletten aus dem Supermarkt-Regal. Und dann vernimmt sie aus dem Mund des Coaches noch den Satz: "Das bringt dich ganz nach oben."

Hat Anna richtig gehört? Sie will sauber ihre Leistung bringen, aber auch Chancengleichheit. Doch was tun? Nina ist schließlich eine Trainingspartnerin. Als Petze will Anna nicht verschrien werden. Und außerdem hat sie ja vielleicht etwas missverstanden. Für diese Situation hat die Nationale Anti Doping Agentur (Nada) ab sofort eine Lösung: das Hinweisgebersystem "Sprich's an". Edward Snowden lässt grüßen: Die Whistleblower-Kultur könnte im Sport ein Schlüssel zu mehr Effektivität in der Dopingbekämpfung sein.

Und die ist dringend notwendig. Die Dopingkontrollbilanz für 2014, die am Dienstag am Nada-Sitz in Bonn von der Vorstandsvorsitzenden Andrea Gotzmann bei der Jahres-Pressekonferenz im Haus der Geschichte präsentiert wurde, fiel einmal mehr ernüchternd aus.

Nur 22 bestrafte Sportler bei rund 10.000 kontrollierten Sportlern (insgesamt gab es 14.000 Kontrollen), das entspricht einer Quote von 0,22 Prozent. Nach einer auch von Gotzmann als seriös bezeichneten Studie der Deutschen Sporthilfe dopen aber mindestens 6 Prozent der Spitzensportler hierzulande. Grob jeder 30. Betrüger würde demzufolge erwischt.

"Wir müssen das Kontrollsystem stärker verbessern"

Das Delta ist zu groß, auch nach dem Geschmack der Nada-Chefin. Deshalb kam Gotzmann nicht um das Eingeständnis von Defiziten herum. "Wir müssen das Kontrollsystem stärker verbessern. Das geht nur, wenn wir alle Nachweisverfahren anwenden, die vorhanden sind", sagte Gotzmann, "und über die sinnvolle Kombination von Trainings- und Wettkampfkontrollen."

Das Jahr 2015 hat mit dem neuen Anti-Doping-Code einen Fortschritt gebracht, weil dieser vorschreibt, dass in allen Nationen sämtliche Kontrollen von derselben unabhängigen Instanz vorgenommen werden müssen, in Deutschland also von der Nada. Bislang zeichneten teilweise noch Fachverbände für die Wettkampftests verantwortlich - Abhängigkeiten waren programmiert.

Jahres-Pressekonferenz der NADA

Ihre Rahmenbedingungen sehen die Dopingbekämpfer stark verbessert. Mit 9,8 Millionen Euro arbeitet die Nada im vorolympischen Jahr dank einer deutlichen Aufstockung der Bundesmittel. "Eine sehr gute finanzielle Ausstattung", so Gotzmann. 2012 hatte die Stiftung noch mit gut der Hälfte auskommen müssen.

Auch das kommende Anti-Doping-Gesetz wird Nada-seitig begrüßt - ungeachtet heftiger Kritik durch die Doping-Opfer-Hilfe (DOH). Sie äußerte am Dienstag die Befürchtung, es ginge nicht mehr um Athleten, die unter Achtung der Regeln Sport treiben, "sondern um Effizienzmaschinen unter Terrorverdacht".

Nada-Chefjustiziar Lars Mortsiefer hingegen erwartet viel vom besseren Informationsaustausch mit staatlichen Ermittlungsbehörden. Bislang, so Mortsiefer am Dienstag, "ist es immer noch ein Problem, zielgerichtet zusammenzuarbeiten". Durch das Gesetz, das bis Jahresende verabschiedet werden dürfte, werde "die Verfolgung der Hintermänner nachhaltig gestärkt".

Dazu soll nicht zuletzt auch das neue Hinweisgebersystem beitragen. "Sprich's an" richtet sich an Sportler, Trainer, Betreuer und auch Kontrolleure. Sie können der Nada jederzeit Auffälligkeiten und Verdachtsmomente mitteilen. Entweder mit Namensnennung oder anonym - in jedem Fall in einem geschützten Dialog.

"Die Hinweise werden über einen datensicheren Server abgegeben", erläutert Mortsiefer die nach dem Vorbild der Landeskriminalämter von Niedersachsen und Baden-Württemberg aufgebaute Online-Plattform. Eine Rückmeldung erhält der Whistleblower nur, wenn er freiwillig einen sogenannten Postkasten einrichtet. Mortsiefer: "Wir haben dadurch die Möglichkeit, Nachfragen zu stellen." Auch unter Wahrung der Anonymität.

Seit Dienstag ist die Plattform scharf geschaltet. Um auf Anna zurückzukommen: Sie kann guten Gewissens ihre Beobachtung mitteilen und erwarten, dass die Nada dem Hinweis nachgeht.

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