Taekwondo Bundestrainer Aziz Acharki verlässt Bonn

Bonn · Vier Jahre lang war Aziz Acharki Taekwondo-Bundestrainer. Trotz zahlreicher Erfolge zieht es den Bonner ins Ausland.

Die Halle des Olympischen Taekwondo Clubs (OTC) Bonn in Bad Godesberg ist am Nachmittag noch verschlossen, in der Geschäftsstelle brennt jedoch Licht. Trainer und Vorstandsvorsitzender Aziz Acharki sitzt an seinem Rechner. Am Training wird er an diesem Abend nicht teilnehmen. Acharki muss seinen Vater vom Flughafen abholen. „Er kommt zu Besuch. Der kann einfach nicht ohne Bonn“, sagt Archaki. Ihm geht es da ähnlich. „Wenn ich von einer Auslandsreise zurückkomme und den langen Eugen von der Nordbrücke sehe, empfinde ich ein Gefühl von Heimat.“ Eine Heimat, die Acharki wohl schon bald verlassen wird. Denn den ehemaligen Taekwondo-Weltmeister zieht es ins Ausland.

Vier Jahre fungierte Acharki als Bundestrainer. Nun endet sein Vertrag. Eine Verlängerung wird es nicht geben. „Ich wäre gerne geblieben“, sagt der 44-Jährige. „Aber die Konditionen haben einfach nicht gepasst.“ Mit der Deutschen Taekwondo Union (DTU) konnte er sich nicht auf einen neuen Vertrag einigen. „Der Job als Bundestrainer wird oft unterschätzt“, so Acharki. 30 bis 40 Wochenenden verbrachte er jährlich auf Dienstreise. „Wenn man mehr als 60 Stunden die Woche arbeitet, fragt man sich schon: Wofür mache ich das? Vom Verdienst ist es dann einfach nicht das, was man sich erhofft.“ Im Vergleich zu anderen Nationen fällt der Lohn eines Taekwondo-Bundestrainers gering aus.

Acharki zieht es ins Ausland – zu besseren Konditionen. Er befindet sich in Gesprächen mit anderen Verbänden, eine Unterschrift hat es noch nicht gegeben, aber sie steht kurz bevor. „Andere Nationen wissen auch, was ich kann. Außerdem muss ich meine Familie ja auch ernähren“, sagt er lachend.

„Es ist sehr schade, dass Aziz geht“, sagt sein Schüler und Olympia-Teilnehmer Levent Tuncat aus Wesseling. „Aziz ist mehr als ein Trainer. Er ist ein Bruder für mich. Er ist der beste Trainer, den die DTU je bekommen hat.“ Acharki hatte auch aufgrund seiner Erfolge mehr Geld gefordert, die DTU war nicht einverstanden.

„Mit Aziz und Dimitrios Lautenschläger sind zwei große Gesichter aus Bonn und der Region nicht mehr auf der Bundesebene präsent“, so Michael Scharf, Leiter des Olympiastützpunkts Rheinland. „Ich bin der Meinung, wenn ein Übungsleiter mehr als acht Jahre so erfolgreiche Arbeit leistet, kann man ihm schon entgegenkommen.“

Und die Erfolge von Acharki können sich mehr als sehen lassen: Im Alter von neun Jahren beginnt der gebürtige Marokkaner beim 1. Godesberger Judo Club unter der Leitung seines späteren Mentors Thomas Fabula mit dem Kampfsport. Schnell stellen sich erste Erfolge ein. Zunächst auf lokaler Ebene, dann auf bundesweiter und schließlich international. 1995 wird Acharki in Manila Weltmeister. Zu diesem Zeitpunkt ist er der fünfte deutsche Taekwondo-Weltmeister. Es folgen zwei EM-Titel und die Olympia-Teilnahme 2000 in Sidney. Acharki reist als Medaillenhoffnung an, wird aber ausgebremst. „Ich habe gegen den späteren Sieger Steven Lopez knapp verloren“, erinnert er sich an den Kampf gegen den US-Amerikaner. „Den hatte ich zuvor noch geschlagen. Aber Olympia ist mit nichts zu vergleichen.“ Acharki wird Fünfter. Er beendet die aktive Laufbahn, wird Landestrainer und gründet 2000 den OTC Bonn.

Im Januar 2013 wird der Bonner Bundestrainer. 18 Jahre nach seinem WM-Triumph führt er Tahir Gülec zum sechsten deutschen Weltmeistertitel. Er formt Grand-Prix-Sieger und EM-Medaillengewinner. Mit dem dreifachen Europameister Tuncat erlebt er im vergangenen Jahr in Rio den schwersten Moment seiner Trainerlaufbahn, als dieser bei den Spielen verletzungsbedingt nicht antreten kann. „Aziz hat immer an mich und eine weitere Olympia-Teilnahme geglaubt. Er war immer für mich da“, erinnert sich Tuncat. „Als dann das Aus kam, war er sich nicht zu schade, seine Gefühle zu zeigen. Er ist halt nicht immer so hart wie im Training.“

Dass Acharki ein großes Herz hat, zeigt er auch bei der Arbeit mit dem OTC Bonn. Mit Leidenschaft und Herzblut hat er den Verein aufgebaut. Und ist stolz auf sein Werk. „Das ist mein Herz, meine Seele. Hier ist es egal, ob du Christ, Moslem, schwarz oder weiß bist. Man begegnet sich mit Respekt“, sagt er. „Nachhaltige Integration kann es doch nur in Sportvereinen geben. Und das sollte man unterstützen.“ Gerade in einem Stadtteil, der von unterschiedlichen Kulturen geprägt ist, ein wichtiges Unterfangen. „Das Zusammenleben von Menschen mit und ohne Integrationshintergrund ist uns sehr gut gelungen.“

Acharki bleibt dem OTC weiter erhalten. Sportlich hat er das Training in die Hände des WM-Dritten von 2009, Mokdad Ounis, gegeben. Beratend, via Smartphone oder E-Mail, wird er weiter an den Trainingsplänen mitarbeiten. Ein Auge wird er auf seine Talente haben. Und auf die Entwicklung in Bad Godesberg. Der gebürtige Marokkaner ist in dem Stadtteil groß geworden, er kennt die Probleme, kennt aber auch einen Lösungsansatz. „Wir vermitteln unseren Sportlern Werte, die sie in der Gesellschaft nicht mehr vermittelt bekommen. Zum Beispiel Respekt.“

Werte, die er sich auch auf höherer Ebene wünscht. Gerade in dem entfachten Streit zwischen den beiden Landesverbänden Nordrhein-Westfalens (siehe Link). „Ich finde es sehr schade, dass dieser Streit zulasten der Sportler geht, die Tag für Tag in der Halle schwitzen. Das geht gar nicht. Man sollte eine Lösung finden.“ Acharki wird die Entwicklung aus der Ferne beobachten. Oder aus der Nähe. „Ich bleibe Bonn erhalten“, sagt er. „Ohne geht es halt nicht.“

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