Damenmannschaft des FC Sankt Augustin Vereinsliebe: Das Ende einer Erfolgsgeschichte

SANKT AUGUSTIN · Auf dem Tisch vor Günter Sandhövel liegen alte Fotos der Damen-Mannschaften des FC Sankt Augustin. Der 83-Jährige schwelgt in Erinnerungen, weiß zu fast allen Spielerinnen und Trainern eine Anekdote zu erzählen. Doch das ist jetzt vorbei. Die Erfolgsgeschichte des Frauenfußballs in Sankt Augustin ist nach 35 Jahren plötzlich beendet.

 Als Erinnerung bleiben Günter Sandhövel viele Mannschaftsfotos aus 35 Jahren.

Als Erinnerung bleiben Günter Sandhövel viele Mannschaftsfotos aus 35 Jahren.

Foto: Holger Arndt

Was war passiert? In der vergangenen Saison war der Kader überschaubar, die Trainingsbeteiligung schwach, die Spielformationen fast immer gleich. "Man ist an mich mit der Bitte herangetreten, den Kader zu vergrößern und einen neuen Trainer zu etablieren." Er telefonierte, kontaktierte Übungsleiter und Spielerinnen und konnte letztlich Vollzug melden: "Ich hatte einen neuen Trainer und sechs neue Spielerinnen an der Hand." Von der Mannschaft kam jedoch keine Rückmeldung mehr: "Damit war die Kiste gegessen." Das abrupte Ende der Geschichte des Frauenfußballs in Sankt Augustin, zu der er vor 35 Jahren selbst den Grundstein legte, war beschlossene Sache.

Da es im Ortsteil Niederpleis keinen Fußballverein gab, gründete Sandhövel zusammen mit dem mittlerweile verstorbenen Karl Gratzfeld 1978 den FC St. Augustin. Die beiden suchten nach einem Alleinstellungsmerkmal, um sich von den Fußballvereinen der Region abzuheben, und fanden es zwei Jahre später in einer Damen-Mannschaft. "Wir hatten das Ziel, diese im Umkreis bekannt zu machen", erinnert sich der 83-Jährige. Zeitgleich riefen die beiden ein Hallenturnier ins Leben: "Das Karl-Gratzfeld-Gedächtnisturnier war in ganz Deutschland bekannt. Jeder wusste, was damit gemeint war." Sandhövel wählt bei seinen Worten bewusst die Vergangenheitsform, denn das Turnier hat nach der Auflösung des Teams ebenfalls keine Zukunft.

Sportlich erlebte die Mannschaft in den 80er-Jahren einen Höhenflug: Drei Aufstiege in vier Jahren bedeuteten die Teilnahme an der Regionalliga West, der damals höchsten Spielklasse im deutschen Damen-Fußball. In den Folgejahren wurde der FC zu einer Fahrstuhlmannschaft. Nach dem direkten Abstieg aus der Regionalliga folgte 1988 der zweite Aufstieg ins Fußball-Oberhaus. Nur durch die Einführung der Bundesliga gelang in der nun zweithöchsten Spielklasse der Klassenerhalt.

Das nächste Highlight: In der Saison 1993/1994 schaffte das Team die Qualifikation für den DFB-Pokal. Gegner war der damalige Bundesligist Sportfreunde Siegen. Da der Sportplatz "Alte Marktstraße" nicht die Auflagen des DFB erfüllte, wurde die Partie ins Siegburger Walter-Mundorf-Stadion verlegt. "Man konnte jeden einzelnen Ball titschen hören", erinnert sich der 83-Jährige, "es war mucksmäuschenstill. Durch die Verlegung waren dort vielleicht zehn Zuschauer." Seine Sankt Augustiner hätten sich aber gar nicht so schlecht geschlagen. "Siegen war eine große Nummer im Frauenfußball. Ich glaube, wir haben nur 0:6 verloren."

Der Erfolg der Blau-Roten sprach sich rum. Probleme bei der Zusammenstellung des Kaders, wie es bei vielen Damen-Mannschaften der Fall ist, gab es daher nie. Die guten Spielerinnen schlossen sich von alleine dem FC St. Augustin an. Man erarbeitete sich den Ruf eines Ausbildungsclubs und brachte insgesamt fünf spätere Nationalspielerinnen hervor. Die Prominenteste: Célia Sasic. Die 27-Jährige trug in der Saison 2003/2004 das Trikot des FC St. Augustin und schaffte dort den Sprung in die Jugendnationalmannschaft. Es war der Anfang einer erfolgreichen Karriere, die mit dem Gewinn von Champions League und zwei Europameisterschaften ihren Höhepunkt hatte. An Günter Sandhövel erinnert sie sich gerne: "Er hatte immer ein offenes Ohr für uns und sehr viel für uns und den Verein getan."

Der ganz große Glanz erfolgreicher Anfangsjahre war in den letzten Jahren passé. Seit 2011 bewegte sich das Team in der viertklassigen Mittelrheinliga im oberen Mittelfeld. "Diese Liga ohne Grund aufzugeben - das alles kann ich nicht verstehen", sagt Günter Sandhövel. Seinem FC St. Augustin hält er trotz der Auflösung des Teams die Treue. Das Amt des Geschäftsführers, das er seit 1980 bekleidet, übt er weiter aus. Nur eines hat er sich geschworen: "Ich baue keine Damen-Mannschaft mehr auf - auf gar keinen Fall."

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