Ungewissheit vor Sportgerichten - BGH als hohe Hürde

Berlin · Das aufsehenerregende Pechstein-Urteil könnte in den nächsten Monaten zu einiger Ungewissheit bei den Sportgerichten führen.

 Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat beim Urteil im Fall Pechstein das letzte Wort. Foto: Uli Deck

Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat beim Urteil im Fall Pechstein das letzte Wort. Foto: Uli Deck

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Dass der Internationale Sportgerichtshof CAS unbedingt reformiert werden muss, scheint nach dem Spruch des Oberlandesgerichts München in der Causa Claudia Pechstein klar. Doch auch die täglichen Arbeit der Sportgerichte könnte sich verändern. Ab sofort kann sich jeder Athlet in Deutschland an ein ordentliches Gericht wenden, wenn er sich von einem Verbandsgericht ungerecht behandelt fühlt.

Das Urteil von München ist noch nicht rechtskräftig. Den vorläufigen Schlusspunkt kann erst der Bundesgerichtshof BGH setzen, der sich frühestens vom Herbst an mit der angekündigten Revision des Eislauf-Weltverbandes ISU beschäftigen wird. "Der Gang vor den BGH stellt eine ziemliche Hürde dar, auch wenn das OLG die Revision zugelassen hat. Der BGH ist reine Rechtsinstanz. Tatsachen spielen allenfalls eine Rolle, wenn ihre Feststellung auf einem Verfahrensfehler beruht. Die Anforderungen daran sind hoch", erklärte der Karlsruher Anwalt Markus Schneider am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. "Wie der BGH indes die Rechtsfragen beurteilt, ist natürlich offen."

Schneider räumte ein: Anwälte müssten ihren Mandanten klarmachen, dass ein Urteil des BGH wieder alles verändern könne. Angesichts des drohenden Gerichtsmarathons geht ISU-Rechtsbeistand Christian Keidel davon aus, dass man sich über die Rechtmäßigkeit der Dopingsperre Pechsteins und ihre Schadenersatzforderungen "wahrscheinlich frühestens in zwei Jahren unterhalten" werde.

Für die künftige Rechtsprechung in Deutschland wird der geplanten Verabschiedung des Anti-Doping-Gesetzes im Sommer durch das Bundesinnenministerium und den DOSB ein hoher Stellenwert eingeräumt. Doch Rechtsexperte Peter W. Heermann befürchtet, dass der nächste Rechtsstreit droht, wenn das Gesetz im bisherigen Entwurf verabschiedet wird. "Wenn ein Athlet zähneknirschend eine Schiedsvereinbarung unterzeichnet, wird er im Falle eines Rechtsstreits mit dem Verband vermutlich bei erster Gelegenheit die Freiwilligkeit bestreiten und rügen, dass die Klausel aus verschiedenen rechtlichen Gründen - insbesondere aus kartellrechtlichen Gründen - unwirksam war", erklärte der Professor von der Universität Bayreuth am Freitag in einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Um die Sportschiedsgerichtsbarkeit für sämtliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Sportverbänden und Athleten verbindlich vorzuschreiben, sei das Gesetz ein ungeeigneter Ort. "Ich nehme an, dass die Athletenseite beim Entstehungsprozess des Anti-Doping-Gesetzes nicht im gleichen Maße lobbyistisch vertreten war wie die Verbandsseite", bemängelte der Professor.

Einig sind sich Sportrechts-Experten mit DOSB, dass es zur Reformierung des CAS keine Alternative gibt. Während Pechstein das höchste Sportgericht als "dubiosen, fragwürdigen Sportgerichtshof" brandmarkte, gilt es für Verbände als unstrittig, dass der Sport eine einheitliche Gesetzgebung braucht, damit für gleiche Vergehen auch gleiche Strafen verhängt werden können. Nach Ansicht von Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), stellt der Spruch der OLG-Richter ausdrücklich fest, dass die Schiedsgerichtsbarkeit "notwendig ist, um im Sport international einheitliche Rahmenbedingungen und damit Chancengleichheit zu haben".

Wolfgang Jelkmann, der seit Oktober 2014 die DOSB-Experten-Kommission zur Bewertung aller bisher vorgelegten medizinischen Fachgutachten und Diagnosen im Pechstein-Fall leitet, forderte underdessen den CAS auf, seinen Fehler zuzugeben. "Es wird nicht schaden, wenn auch mal eingestanden wird: Ja, die Sportgerichtsbarkeit hat sich hier geirrt. Es würde die Glaubwürdigkeit des Anti-Doping-Kampfes stützen, wenn man zugesteht, dass man einen Fehler gemacht hat", sagte der Lübecker Direktor des Instituts für Physiologie in der MDR-Reportage "Der Fall Pechstein". Die Athletin sei ein Opfer gewesen. "Die Experten sind sich sicher, dass es sich hier um ein Fehlurteil handelt", erklärte der Professor.

Beim CAS sei "eine Reform der Auswahl der Schiedsrichter erforderlich", forderte Prokop. Als weitere Kritikpunkte am Sportgerichtshof gelten Verhandlungen hinter verschlossenen Türen und fehlende Prozesskostenhilfe für Athleten. "Der CAS muss sich grundlegend reformieren. Auch der Präsident des IOC ist aufgerufen, sich an den Reformen zu beteiligen", forderte Pechstein-Anwalt Thomas Summerer. Hingegen sieht Jurist Christoph Schickhardt Sportler beim CAS in der Regel gut aufgehoben. "Es geht schneller, es geht billiger, es gibt keine fünf Instanzen", sagte er SkySport HD.

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