Carina Witthöft Ein Talent auf dem Weg nach oben

PARIS · Als das spektakuläre Wimbledon-Turnier des Jahres 2013 begann, rückte nicht gleich eine gewisse Sabine Lisicki in den Blickpunkt, sondern eine ganz andere, völlig unbekannte Deutsche.

 Gilt als größtes Talent im deutschen Damen-Tennis: Carina Witthöft aus Hamburg rückt immer näher an die Spitze.

Gilt als größtes Talent im deutschen Damen-Tennis: Carina Witthöft aus Hamburg rückt immer näher an die Spitze.

Foto: dpa

Nach drei schwer erkämpften Qualifikationssiegen stand auf einmal Carina Witthöft als eine der jüngsten Teilnehmerinnen überhaupt im Hauptfeld der Offenen Englischen Meisterschaften - und spielte natürlich, Los und Schicksal wollten es so, gegen die 42-jährige Veteranin Kimiko Date-Krumm (Japan), eine Frau, die noch mit Steffi Graf gemeinsam auf dem Tennisplatz gestanden hatte. "Es war, als wäre ich gegen meine eigene Mutter angetreten", sagt Witthöft. Damals war sie selbst die Nummer 194 der Weltrangliste und bezahlte noch richtig Lehrgeld bei der 0:6, 2:6-Niederlage gegen die Altmeisterin Date-Krumm.

Knapp zwei Jahre später ist Witthöft zwar immer noch auf einer Art Entdeckungstour im großen Wanderzirkus der Tennisprofis, aber selbst auch die deutsche Entdeckung der Saison 2015: Nicht mit Riesenschritten, aber stetig und beharrlich rückt die inzwischen 20-jährige Hamburgerin immer weiter nach vorn in der Hackordnung des Welttennis, angetrieben von mächtig Ehrgeiz, Fleiß und Durchsetzungswillen im harten Profirevier.

"Ich habe große Ziele, und die verfolge ich konsequent", sagt die Blondine, die nach einem 6:3, 7:5-Sieg gegen die Tschechin Katerina Siniakova in die zweite French-Open-Runde marschierte und dort auf die 2012er-Finalistin Sara Errani aus Italien trifft. Eine äußerst knifflige Herausforderung für Witthöft, aber auch ein Spiel mit leichtem Überraschungspotenzial für das Nordlicht, das selbst immerhin schon auf Platz 56 der Tennis-Hitliste geführt wird.

Von denen, die in der zweiten Reihe des deutschen Frauentennis stehen, also hinter dem Establishment der Fed-Cup-Spielerinnen um Andrea Petkovic, Angelique Kerber, Sabine Lisicki und Julia Görges, hat Witthöft in den letzten Monaten den größten Schritt nach vorne gemacht - und sich fast schon in die erweiterte Weltspitze vorgespielt. "Carina hat den nötigen Biss und Mumm, sie ist keine, die Kompromisse in ihrer Karriere macht", sagt Bundestrainerin Barbara Rittner, die selbst hin und wieder als Nebencoach bei Witthöft einspringt. Schon bei den Australian Open hatte Witthöft zu Jahresbeginn überzeugt, war mit ihrem Drittrundeneinzug neben Achtelfinalistin Görges die einzig erfreuliche Erscheinung im deutschen Ensemble gewesen.

Während es bei anderen deutschen Talenten zu viele störende Nebengeräusche gab - Trainerwechsel, familiäre Reibungen - und oft auch strategische Fehlentscheidungen bei der Turnierplanung, läuft das Projekt Profitennis im Hause Witthöft auf gleichmäßigen Touren, gleichmäßig hoch, ohne Überdrehung. Um sich das nötige Selbstbewusstsein zu holen, wechselt Witthöft auch immer mal wieder in die Zweite Liga hinab, weg von der großen Tour, zu ITF-Turnieren. Erst kürzlich gewann sie ein 100 000-Dollar-Turnier in Frankreich, nahm, wie sie sagte, "ordentlich Rückenwind" für den heißen Tennis-Frühling und -Sommer mit.

Unterstützt wird Witthöft dabei von ihrer ganzen Familie, in der alle vom Tennisfieber erfasst sind, kein Wunder, betreiben Vater Kai und Mutter Gaby doch um die Hansestadt zwei Tennis-Ausbildungsstätten. Dass sie neuerdings bei den großen Matches und bei den Big Points noch besser und entspannter spiele, habe auch mit dem Einfluss ihrer Mutter zu tun: "Sie beschäftigt sich viel mit mentalem Coaching. Und hat mir sehr stark geholfen."

Mit den "schnellsten Beinen seit Steffi Graf" (Fed-Cup-Chefin Rittner) hatte sich auch die 21-jährige Annika Beck schon einmal für höhere Aufgaben im Welttennis empfohlen, doch nach bemerkenswerten Anfangserfolgen auf der Tour folgte ein schleichender Absturz fast übers ganze Jahr 2014 und in den ersten Monaten der laufenden Spielserie. Nach der Trennung von Coach Robert Orlik setzte die French Open-Juniorensiegerin des Jahres 2012 nun am passenden Ort ein Ausrufezeichen, schlug zum Grand-Slam-Auftakt die kriselnde ehemalige Weltranglisten-Zweite Agnieszka Radwanska (Polen) in drei Sätzen. Und zwar mit Tennis, das nicht nur aus Abwarten auf gegnerische Fehler, sondern eigenem Vorwärtsdrang und ideenreicher Offensivkraft bestand. "Es reicht nicht, nur den Ball reinzuspielen", befand Beck trocken, "ich hoffe, dass die Zeit der Frustrationen jetzt auch mal zu Ende ist."

Zerrung abgeklungen: Petkovic souverän weiter

Nur ein blau-pinker Tapeverband am rechten Oberschenkel erinnerte an die Sorgen der vergangenen Tage. Weitere Anzeichen von Schwäche ließ Andrea Petkovic in ihrem Auftaktmatch bei den French Open nicht erkennen. Die Zerrung behinderte sie gegen die Amerikanerin Shelby Rogers jedenfalls nicht mehr, mit 6:2, 6:1 zog Petkovic nach nur 63 Minuten Spielzeit souverän in die zweite Runde ein.

"Ich war sehr nervös am Anfang, weil ich nicht wusste, wie sich mein Bein verhält", sagte Petkovic: "Anfangs bin ich wie auf Eiern gelaufen. Nach zwei erlaufenen Stopps habe ich mich sicherer gefühlt. Es ist noch nicht perfekt, aber ganz gut." Nachdem Angelique Kerber und Sabine Lisicki bereits am Montag den Sprung unter die besten 64 geschafft hatten, zogen gestern auch Julia Görges und Anna-Lena Friedsam nach. Görges setzte sich gegen Coco Vandeweghe 6:2, 5:7, 6:1 durch, die Neuwiederin Friedsam gewann beim 6:2, 4:6, 6:4 gegen Alexa Glatch (USA) das erste Grand-Slam-Match ihrer Karriere. Sie darf sich nun auf ein Duell mit Superstar Serena Williams freuen.

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