Kommentar zur DFB-Elf Herbergers Erbe

Meinung | KÖLN · Mit dem 2:2 im Testspiel gegen Frankreich verlängerte die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ihre Erfolgsserie: Sie ist jetzt 21 Spiele in Folge ungeschlagen. Dahinter steckt ein Rezept, findet GA-Sportredakteur Guido Hain: Die Treue zu Bundestrainer Joachim Löw.

 Deutschlands Bundestrainer Joachim Löw verfolgt die Partie gegen Frankreich an der Seitenlinie.

Deutschlands Bundestrainer Joachim Löw verfolgt die Partie gegen Frankreich an der Seitenlinie.

Foto: dpa

Selbst in Brasilien verspüren sie einen gewissen Neid auf Joachim Löw. Nein, nicht weil der (noch immer) dunkelhaarige Herr aus Baden so elegant und modebewusst daherkommt. Er dient in dem riesigen Land mit seiner geringen Tradition für langjährige Trainerbeziehungen als Vorbild. Seit mehr als elf Jahren bekleidet Löw das Amt des Bundestrainers. Alleine das ist schon eine bemerkenswerte Leistung, zieht man den Vergleich zu anderen Topnationen heran. Brasiliens Verband CBF etwa denkt traditionell nur in WM-Zyklen, also nicht länger als vier Jahre voraus.

Vor diesem Hintergrund sind die Schwärmereien Tites, aktueller Nationaltrainer der Selecao, nur allzu verständlich. „Ich begehre das, was ich bei Deutschland und anderen Verbänden sehe“, sagte Tite neulich. Im Juni 2016 hatte er Carlos Dunga als Nationaltrainer abgelöst. Natürlich habe er schon über einen Vertrag weit über die WM-Endrunde in Russland 2018 hinaus nachgedacht, meint Tite. „Aber das ist noch Utopie.“

Nicht so im deutschen Fußball, dessen oberster Trainerrepräsentant Löw trotz des Halbfinal-Ausscheidens bei der EM 2016 eine Vertragsverlängerung bis 2020 erhielt. Konstanz genießt beim DFB oberste Priorität. Selbst wenn es Ausreißer zu beklagen gibt wie den unglücklichen Erich Ribbeck und den Projektarbeiter Jürgen Klinsmann (je zwei Jahre im Amt).

Natürlich hat eine solch lange Amtszeit auch mit Erfolg zu tun. Löw aber verkörpert zugleich wesentliche Faktoren, die ihn inzwischen beim Verband als unantastbar erscheinen lassen: ein profundes Konzept und einen guten Draht zur Mannschaft. Selbst einige wenige Verirrungen (EM 2012) haben an dem Zutrauen in Löws Fähigkeiten keinesfalls gerüttelt. Denn der Trainer hat längst bewiesen, dass er aus Fehlern lernt.

Löw musste sich dabei selbst einer Häutung unterziehen, indem er seinem zuvor auf reine Ästhetik angelegten Stil einen erfolgversprechenden Pragmatismus überstülpte. Er bekam die Zeit, nicht nur eine Mannschaft von Weltklasseformat zu entwickeln, sondern auch sich selbst. So abgedroschen es klingen mag, in diesem Fall dient Kontinuität als Erfolgsrezept. Nur an eines sollte Löw nicht unbedingt denken: Sepp Herberger überflügeln zu wollen. Der hat fast 28 Jahre als Trainer einer deutschen Nationalmannschaft geschafft.

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