Kühler Empfang für neuen Ferrari-Teamchef Mattiacci

Shanghai · Der Ferrari-Aufräumer trägt Sonnenbrille. Ziemlich übernächtigt betritt der neue Scuderia-Teamchef Marco Mattiacci am Freitag im smoggrauen Shanghai die Box des taumelnden Formel-1-Traditionsteams. Seine demonstrative Coolness wird der 43 Jahre alte Römer brauchen.

 Ferraris neuer Teamchef Marco Mattiacci versucht Souveränität zu demonstrieren. Foto: Diego Azubel

Ferraris neuer Teamchef Marco Mattiacci versucht Souveränität zu demonstrieren. Foto: Diego Azubel

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Einen Vertrauensvorschuss bekommt der Nachfolger des zu Wochenbeginn zurückgetretenen Stefano Domenicali nicht. "Den kenn ich nicht. Wahrscheinlich hab ich ihn schon mal getroffen", knurrt Neuzugang Kimi Räikkönen. Teamkollege Fernando Alonso meint hörbar distanziert: "Es ist noch zu früh, um zu sagen, ob der Wechsel sehr gut oder sehr schlecht war."

Die Laune der Roten ist in diesen Tagen so grau wie der Himmel über dem Shanghai International Circuit. So schlecht wie in diesem Jahr ist die Scuderia schon lange nicht mehr in eine Saison gestartet, da gilt die zweitbeste Trainingszeit von Alonso schon als Lichtblick. Der enttäuschende Auftakt kostete Domenicali das Amt, nun soll es der in der Branche bislang völlig unbekannte Mattiacci richten. "Keine Angst, er ist die richtige Wahl", versichert Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo.

Und doch scheint Montezemolo Zweifel zu haben. Warum sonst will sich der Patron künftig deutlich mehr selbst ins Tagesgeschäft des Teams einmischen? "Ich werde im Vergleich zu den letzten Jahren zur Vergangenheit zurückkehren: Näher am Team und an der Formel 1", sagt der 66-Jährige.

Die Lage ist für Ferrari schlicht inakzeptabel. Ausgerechnet die Motoren-Revolution in der Formel 1 hat den stolzen Sportwagen-Hersteller aus Maranello vollends aus der Spur gebracht. Kein Wunder, dass die Ferraristi seit Wochen an den neuen Regeln der Königsklasse herumnörgeln. Sogar den Präsidenten des Olympischen Komitees Italiens zitierte das Team auf seiner Homepage als Kronzeugen. "Ich spreche im Namen aller Sportler und Fans Italiens: Ich mag diese Formel 1 nicht. Meiner Meinung nach liefert sie ein Produkt, das absolut keinen Sinn macht", wetterte Giovanni Malagò.

Aber es hilft wohl nichts. Ferrari muss bis auf weiteres aus eigener Kraft den Anschluss an die Spitze herstellen. Seit elf Monaten wartet Ferrari auf einen Grand-Prix-Sieg. Schon 35 Punkte trennen den Spanier Alonso als Gesamtvierten von WM-Spitzenreiter Nico Rosberg. Rückkehrer Räikkönen hat gar erst sieben Punkte gesammelt und ist damit WM-Zwölfter. "Wir müssen ehrlich sein: Wir sind nicht da, wo wir sein wollten", sagt Alonso, der im Vorjahr in China gewann.

Viel Arbeit also für den neuen Teamchef. "Wir werden nicht aufgeben. Es ist erst das vierte Rennen. Wir wollen die Lücke schließen, so weit wie möglich", sagt Mattiacci. Aber was kann dieser Mann bewirken, der bislang vor allem als Experte für Verkauf und Vermarktung beim Autobauer aufgefallen ist? Schnell blühten die Spekulationen, er sei nur Platzhalter für eine Formel-1-Koryphäe. Es fielen Namen wie Ross Brawn, Bob Bell und sogar Gerhard Berger.

Brawn war einst Vater der Ferrari-Erfolge mit Michael Schumacher und zog sich nach der Vorsaison bei Mercedes zurück. Technikchef Bell verlässt das Silberpfeil-Team im November und wäre dann frei. Berger fuhr früher für Ferrari und war später Motorsportdirektor bei BMW und Mitbesitzer beim Toro-Rosso-Team.

Zunächst aber soll Mattiaci die Stimmung bei der Scuderia wieder heben. "Es ist Zeit für einen maßgeblichen Wandel", sagte sein Vorgänger Domenicali zum Abschied in dieser Woche. So weit will Mattiaci dann bei seinem ersten Auftritt doch noch nicht gehen: "Es ist noch zu früh, Umstrukturierungen anzukündigen."

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