Interview mit FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle "Die Atmosphäre im Club ist gut"

Köln · Geschäftsführer Alexander Wehrle vom 1. FC Köln spricht im GA-Interview über die vergangene Saison, Transfersummen und die kommende EM.

 Alexander Wehrle (41) ist beim 1. FC Köln der Herr der Zahlen.

Alexander Wehrle (41) ist beim 1. FC Köln der Herr der Zahlen.

Foto: dpa

Herr Wehrle, nach der Saison haben Sie mit dem Kollegen Jörg Schmadtke und dem Trainerstab um Peter Stöger einen Trip nach Miami unternommen. Für einen Fußball-Bundesligisten eher ungewöhnlich, dass die Geschäftsführer und die Trainer zusammen auf eine private Tour gehen, oder?
Alexander Wehrle: Es spricht für die gute Atmosphäre im ganzen Club, dass wir nach der Saison gemeinsam etwas unternehmen wollten. Wir arbeiten eng zusammen und schätzen uns auch privat.

Hatten Sie denn Spaß?
Wehrle: Wir hatten ein paar ausgelassene Tage in der Sonne von Miami, ja. Es war ein schöner Abschluss einer gelungenen Saison.

Sie sprechen es an. Die Saison 2015/16 ist für den 1. FC Köln erfolgreich verlaufen. Sportlich und sicher auch finanziell. Können Sie etwas über die Zahlen verraten?
Wehrle: Mit dem neunten Tabellenplatz haben wir sportlich das beste Abschneiden seit 24 Jahren geschafft. Das Geschäftsjahr ist zwar erst am 30. Juni zu Ende, aber es ist schon jetzt klar, dass wir erneut ein Rekordergebnis bei Umsatz und Gewinn erzielen werden. Damit können wir sehr zufrieden sein.

Was bedeutet dieses Rekordergebnis für die Zukunft des FC?
Wehrle: Zunächst einmal stärkt es unser Eigenkapital. Wir hatten Anfang 2013 konzernbetrachtet ein negatives Eigenkapital von etwa zehn Millionen Euro. Jetzt liegen wir deutlich im positiven Millionenbereich. Das gibt uns Planungssicherheit auch für schwierige Zeiten.

Nach denen sieht es doch aktuell gar nicht aus?
Wehrle: Der Fußball ist nicht bis ins letzte Detail planbar. Schauen Sie auf Hannover und Stuttgart, die einen deutlich höheren Lizenzspieleretat hatten als wir und trotzdem abgestiegen sind. Es ist nicht möglich, vor der Saison sicher vorauszusagen, welchen Platz man am Ende belegt. Deswegen wollen wir auch nächstes Jahr so früh wie möglich die 40 Punkte erreichen.

Hat Sie als ehemaliger Stuttgarter der Abstieg des VfB beschäftigt?
Wehrle: Ja sehr, eil ich weiß, was alles dranhängt an so einem Abstieg. Es sind eben auch persönliche Schicksale und ich kenne beim VfB eben viele Mitarbeiter. Das geht mir dann deutlich näher als bei einem Club wie Hannover 96.

In der vergangenen Saison hat der FC zeitweise an einem Europapokalplatz geschnuppert. Haben Sie im stillen Kämmerlein schon mal durchgerechnet, was ein europäischer Wettbewerb dem Club bringen würde?
Wehrle: Nein, dafür bin ich zu sehr Realist. Ich schaue eher, wie viele Punkte wir noch brauchen, um die Klasse zu halten. Die öffentliche Europapokal-Diskussion habe ich mit einem Lächeln begleitet, eine Qualifikation war in dieser Saison für uns nicht realistisch.

Das tolle sportliche und finanzielle Ergebnis des FC lässt die europäischen Träume aber weiter reifen. Jetzt kommen die Einnahmen der Transfers von Yannick Gerhardt und Kevin Vogt hinzu. Wie gehen Sie mit diesen Millionen um?
Wehrle: Nach einer Phase der Konsolidierung in den vergangenen Jahren lautet die Prämisse, sich sportlich maximal aufzustellen, um Erfolge zu erzielen, die sich wirtschaftlich positiv auswirken werden. Die Transfereinnahmen fließen zum großen Teil in unsere Transferaktivitäten und ins Gehaltsvolumen. Wir haben nichts davon, Millionen aufs Konto zu legen, wenn wir mit einem dicken Konto absteigen und dadurch dann einen deutlich zweistelligen Millionenbetrag an Einnahmen verlieren.

Wie stehen Sie zu den steigenden Transfersummen? Im Fall von Gerhardt geschätzt 13 Millionen Euro?
Wehrle: Man sollte aufpassen, dass sich der eine oder andere da nicht übernimmt. Aber grundsätzlich regeln Angebot und Nachfrage die Preise. Entweder, man passt sich den Mechanismen an, oder man scheidet aus dem Business aus.

Nach dem Geschäftsjahr 2014/15 hat der 1. FC Köln noch rund 24 Millionen Euro Fremdkapital aufgewiesen. Es gibt einen festen Konsolidierungsplan bis ins Jahr 2020. Wie sehen die Zahlen aktuell aus und tätigt der FC nach diesem Jahr Sondertilgungen?
Wehrle: Über die aktuellen Zahlen kann ich noch nichts sagen, aber ja, wir werden zum 30. Juni einen für unsere Verhältnisse sehr ordentlichen Betrag zurückführen können.

Was auch an der erneuten Umsatzsteigerung liegt?
Wehrle: Wir werden die 100 Millionen deutlich übertreffen und das beste Ergebnis aller Zeiten präsentieren. Wir haben die Transfereinnahmen Ujah und Wimmer, mehr Einnahmen im Zuschauerbereich, im Merchandising und im Sponsoring. Außerdem liegen wir mittlerweile auf Rang 14 der Fernsehgeldtabelle.

Und werden weiter klettern, wenn der FC nicht absteigt?
Wehrle: Ja, das passiert fast automatisch, weil es derzeit eine Fünfjahreswertung gibt und dadurch für uns die Zweitliga-Jahre 2012/13 und 2013/14 nach und nach herausfallen. Am Donnerstag wird ja auch bekanntgegeben, wie die TV-Erlöse der DFL ab der Saison 2017/18 aussehen.

In diesem Zusammenhang verfolgt der FC als Mitglied des Teams Marktwert den Ansatz nicht nur sportliche sondern auch weichere Faktoren in die Bewertung mit einfließen zu lassen. Ist das Konzept erfolgversprechend?
Wehrle: Das Konzept hat Substanz. Wenn man die Marke Bundesliga weiter stärken möchte und im Sinne des Fußballs entscheidet, sollten Faktoren wie Einschaltquote bei Spielen oder Verbreitung von Fans eine Rolle spielen. In anderen Top-Ligen Europas ist das absolut üblich. Wir erfinden mit unserem Vorschlag das Rad also nicht neu.

Am 1. August 2017 wird die Fan-Anleihe in Höhe von 12,5 Millionen Euro fällig. Ist der FC liquide genug, um diesem Datum entspannt entgegen zu sehen?
Wehrle: Absolut. Wir arbeiten derzeit aber auch parallel intensiv an Konzepten, zu welchem Zeitpunkt, in welcher Stückelung und zu welchem Zins wir den Fans wieder etwas anbieten könnten. Das ist aber noch nicht ganz spruchreif.

Wie sehen die aktuellen Mitgliederzahlen aus. Ihr Ziel, die 100.000 zu erreichen, liegt noch etwas entfernt, oder?
Wehrle: Ich bin der Meinung, dass man sich ehrgeizige Ziele setzen muss. 2013 hatten wir rund 50.000 Mitglieder, zum 1. Juli werden wir die 80.000er Marke knacken. Wir haben mit zwei guten Kampagnen sicher ein gewisses Plateau erreicht. Für einen weiteren großen Schub ist dann auch der sportliche Erfolg ein wichtiger Faktor.

Oder Sie werben Mitglieder im Ausland. Dieser Markt ist aus FC-Sicht noch im Aufbau. Haben Sie sich inzwischen für den amerikanischen oder asiatischen Markt entschieden?
Wehrle: Wir werden nicht den einen Zielmarkt definieren. Asien spielt sicher eine Rolle. Wir werden bald mit einer kleinen Delegation diesen Markt sichten und sind in der Planung, im nächsten Sommer eine Asienreise zu unternehmen.

Sie besitzen beim FC noch einen Vertrag bis 2021. Was schwebt Ihnen bis dahin noch für den FC vor?
Wehrle: Wenn man sich die Entwicklungskurve betrachtet und wie sich der Transferwert der Mannschaft seit 2013 gesteigert hat, haben wir tolle Entwicklungssprünge hinter uns. Wir haben Stabilität und Kontinuität auf allen wichtigen Positionen wie Vorstand, Geschäftsführung und Trainerstab. Wenn wir diese Entwicklung bis 2021 so fortsetzen können, wäre ich schon sehr zufrieden.

Wo werden Sie die Spiele der EM verfolgen?
Wehrle: Viele im Brauhaus mit anderen zusammen und nach der Gruppenphase vielleicht auch mal in Frankreich.

Und werden dabei genau hinschauen, welcher Spieler für den FC interessant sein könnte?
Wehrle: Um Gottes Willen, das würde sicher lustig, wenn ich vor dem TV Scouting betreiben und Jörg Schmadtke Spieler vorschlagen würde. Ich weiß genau, was ich kann und was ich nicht kann.

Sind Sie eigentlich ein emotionaler Zuschauer beim Fußball?
Wehrle: Ja, ich bin wirklich kein guter Sitznachbar. Im Rheinenergiestadion sitze ich zwischen FC-Vize-Präsident Toni Schumacher und dem Ford-Vorsitzenden Bernhard Mattes. Die beiden könnten sicher die ein oder andere Geschichte erzählen. Aber, wenn ich eines Tages mal nicht mehr emotional dabei sein wäre, würde ich am nächsten Tag meinen Vertrag auflösen.

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