Vor dem Spiel gegen den BSC Hannover-96-Sportdirektor Horst Heldt im Interview

Bonn · Pokalspiel gegen Hannover: 96-Sportdirektor Horst Heldt spricht über seine Anfänge im Siebengebirge, eine Kfz-Lehre in Bonn, den Rausschmiss von Giovanni Trapattoni, seinen noch recht neuen Job – und über ein Laster.

 Manchmal ist ein Sportdirektor sehr allein: Horst Heldt 2011 in Schalke.

Manchmal ist ein Sportdirektor sehr allein: Horst Heldt 2011 in Schalke.

Foto: picture alliance / dpa

Herr Heldt, was haben Sie gedacht, als Sie vom Pokallos erfuhren – es geht nach Hause?

Horst Heldt: Erstmal war da Freude.

Wie oft sind Sie noch hier in der Gegend?

Heldt: Wenn's die Zeit zulässt, bin ich gerne im Siebengebirge. Meine Mutter lebt noch in Oberdollendorf, meine beiden Schwestern in Oberkassel und oberhalb von Linz. Von Gelsenkirchen aus war das kein Problem. Jetzt sind es ein paar Kilometer mehr.

Sie sind durch den Fußball einigermaßen rumgekommen. Als Spieler in Köln, München, Frankfurt, Graz und Stuttgart, als Manager später in Gelsenkirchen und jetzt in Hannover – gibt's da noch so etwas wie Heimat?

Heldt: Das Siebengebirge ist meine Ur-Heimat, und wenn ich den Dom sehe, geht mir das Herz auf. Aber unser Lebensmittelpunkt ist mittlerweile München, meine zweite Heimat. Meine Frau ist dort Anwältin, unser Sohn kommt jetzt in die Schule. Als Fußballer brauchst du einen Fixpunkt. Und wir haben beschlossen, dass der München sein soll.

Sie selbst sind damals sehr spät zum FC gegangen, im zweiten B-Jugendjahr. So etwas gibt es doch heute gar nicht mehr, die Talente werden doch alle schon in der D-Jugend gescoutet.

Heldt: Es passiert schon noch, dass Spieler relativ spät zu einem großen Verein gehen. Ich habe in Königswinter-Oberdollendorf meine ersten Schritte gemacht und bin dann ein Jahr zum FV Bad Honnef gewechselt. Es gab damals aber schon Kontakte zum FC, weil ich in der Mittelrheinauswahl spielte. Allerdings hatte der FC keinen Fahrservice, und meine Mutter konnte das nicht leisten.

So wäre beinahe eine Profikarriere gescheitert.

Heldt: Wer weiß? Aber in meinem zweiten B-Jugendjahr hat der FC dann einen Studenten angestellt, der mich und einige andere immer am Bonner Verteilerkreis abholte. Dann konnte ich wechseln. Ein richtiges Nachwuchsleistungszentrum oder sogar ein Internat gab es in dieser Zeit noch nicht wirklich beim FC.

Ab wann hatten Sie eine Ahnung, dass Sie so etwas wie Sportdirektor werden könnten?

Heldt: Erst ganz am Ende meiner Karriere, als ich mich langsam fragte, was danach kommen könnte. Ich hatte das Glück, beim VfB Stuttgart einen Förderer zu haben, den Präsidenten Erwin Staudt. Eigentlich sollte ich im Marketing den Hauptsponsor EnBW betreuen, aber davor hatte ich zu viel Respekt. Dann sollte ich im Jugendbereich als Trainer arbeiten, doch es gab keine passende Stelle. Die letzte Idee war dann Assistent der sportlichen Leitung. Ich sollte ein Konzept schreiben, das denen so gut gefallen hat, dass ich den Assistenten übersprungen habe.

Eine Blitzkarriere.

Heldt: Ich hatte auch einen Heidenrespekt. Aber nachdem ich mich mit meiner Frau besprochen hatte, dachte ich mir: Es gibt nur 18 Jobs dieser Sorte in der Bundesliga. Mehr als scheitern kannst du nicht.

Hat Sie damals irgendetwas dazu befähigt, außer Ihre Karriere als Profi?

Heldt: Ich habe viele Erfahrungen als Profi gemacht, war Kapitän, im Spielerrat und oft Ansprechpartner der Verantwortlichen. Aber eine eigentliche Ausbildung, etwas Kaufmännisches oder im Sportmarketing, hatte ich nicht. Ich bin ins kalte Wasser geworfen worden und habe mich anscheinend nicht so doof angestellt.

Haben Sie eine Berufsausbildung gemacht, ehe Sie Profi wurden?

Heldt: Eine Kfz-Lehre. Bei Renault Knüfker in Bonn, nicht weit entfernt vom Sportpark Nord. Meine Mutter kannte da jemanden und hat mich vermittelt. Die waren sehr großzügig, wenn ich mal einen Lehrgang mit der Jugend-Nationalmannschaft hatte. Da gab's meistens unbezahlten Urlaub. Meinen Eltern war wichtig, dass ich eine Lehre mache, und ich habe sie auch abgeschlossen.

Können Sie heute noch ein Auto reparieren?

Heldt: Nein. Aber die Lehre war in vielerlei Hinsicht ein Gewinn. Du kriegst da nichts geschenkt. Auch als Jugend-Nationalspieler nicht. Du behälst die Bodenhaftung. Das hat mir viel gebracht für die Zeit im Fußball. Die Lehre war im wahrsten Sinne des Wortes lehrreich.

Als Frischling im Amt des Sportdirektors haben Sie schon nach wenigen Wochen den großen Giovanni Trapattoni rausgeschmissen. Wie kann man so frech sein?

Heldt: Da hatte ich einen Riesenbammel. Ich musste das machen, was gefordert war, nämlich Entscheidungen zu treffen. Aus 16 Jahren als Fußballprofi hatte ich ein Gespür, wann etwas nicht mehr funktioniert, wann eine Mannschaft nicht mehr an den Trainer glaubt. Armin Veh war dann ein Glücksgriff, ein Jahr später sind wir Meister geworden.

Haben Sie in dieser turbulenten Phase mit dem Rauchen angefangen?

Heldt: Jeder hat sein Laster. Meines ist leider das Rauchen. Schon als Profi, übrigens. Als Manager ist das dummerweise nicht weniger geworden.

Felix Magath hat mal über Sie gesagt: Der Horst ist zu lieb für die Bundesliga. Das scheint überhaupt nicht zu der Trapattoni-Episode zu passen.

Heldt: Ich bin keiner, der laut ist, das habe ich nicht zuletzt von Felix Magath gelernt. Lautstärke ist kein Zeichen von Sicherheit, im Gegenteil. Ich denke, dass es immer richtig ist, respektvoll und höflich zu sein. Man kann dennoch entscheiden und klare Ansagen treffen.

In Stuttgart haben Sie im Grunde auf Anhieb alles geschafft. Hat Schalke anschließend Sie geschafft?

Heldt: Ich habe es so gelernt, dass man an Ergebnissen gemessen wird. Wirtschaftlich und sportlich. Nach sechs Jahren standen da am Ende ein sattes wirtschaftliches Plus und die jährliche Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb. Das ist das Resümee.

Ist Hannover jetzt gegenüber der schillernden Zeit in Schalke und der erfolgreichen in Stuttgart ein wenig Provinz?

Heldt: Provinz würde dem Verein nicht annährend gerecht werden. Als wir aufgestiegen waren, kamen einen Tag später 50 000 Menschen auf den Rathausplatz, an einem Arbeitstag, um 17 Uhr. Das ist keine Fußballprovinz. Ich habe jetzt die extrem reizvolle Aufgabe, den Verein wieder dorthin zu bringen, wo er vor nicht allzu langer Zeit ja noch war, nämlich ins internationale Geschäft. Das wird nicht heute klappen, nicht morgen, aber übermorgen.

Clubchef Martin Kind steht bundesweit vor allem für seine Opposition gegen die 50+1-Regel. Kann es sein, dass die Hackordnung in der Bundesliga völlig auf den Kopf gestellt wird, wenn diese Regel fällt und Investoren Vereine übernehmen dürfen? Clubs wie Hannover oder Frankfurt könnten dann plötzlich richtig konkurrenzfähig sein.

Heldt: Das glaube ich nicht. Wenn alle 50+1 abschaffen, können auch alle mehr verdienen. Bayern München wird auch dann Vorteile haben, weil dieser Verein eine andere Strahlkraft besitzt. Allenfalls wird die Bundesliga als Gesamtpaket international stärker.

Zum Schluss: Wie geht das Pokalspiel in Bonn aus?

Heldt: Die Zuschauer werden auf ihre Kosten kommen – und 96 kommt 'ne Runde weiter.

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