Interview mit Dirk Nowitzki „Das Kribbeln treibt mich an“

DALLAS · Dirk Nowitzki ist Deuschlands prominentester und erfolgreichster Basketballer. Der NBA-Superstar von den Dallas Mavericks spricht im Interview über seine Motivation, das Karriereende – und einen abgewetzten Basketball.

Dirk Nowitzki kommt um 22.47 Uhr – nur mit einem Handtuch um die Hüften und den Badeschuhen an den Füßen. Die 103:109-Heimniederlage seiner Dallas Mavericks gegen die Los Angeles Clippers in der US-Basketball-Profilliga NBA ist am Donnerstagabend gerade erst etwa eine halbe Stunde alt, als der deutsche Superstar frisch geduscht die Umkleidekabine des American Airlines Centers betritt und zu seinem Spind schreitet. Kurz darauf belagern rund 20 Medienvertreter den 35-Jährigen – „business as usual“ in der NBA.

Zwar hat Nowitzki mit 21 Punkten seinen Saison-Durchschnittswert erreicht. Aber gerade im letzten Viertel, als bei einer Elf-Punkte-Führung alles nach einem Dallas-Sieg aussieht, schwächelt Nowitzki. Seine sechs Würfe aus dem Feld gehen daneben, zudem verwirft er insgesamt vier Freiwürfe in diesem Spiel – eine Seltenheit bei Nowitzki.

Und so drehen die Clippers die Begegnung in den letzten fünf Minuten noch. Die Mavericks liegen neun Spiele vor Ende der regulären Spielzeit mit 43 Siegen und 30 Niederlagen auf Platz neun der Western Conference, also einen Rang hinter den Plätzen, die eine Play-off-Qualifikation bedeuten. Nowitzki weiß das nur zu gut, als die Fragerunde vor seinem Spind beginnt, in dem ein Bild der NBA-Meistertrophäe hängt. Er antwortet ruhig und klar.

Herr Nowitzki, warum hat Ihre Mannschaft heute verloren?
Dirk Nowitzki: Am Ende haben die Clippers in der Defensive zugelegt, und wir haben auf der anderen Seite die entscheidenden Körbe kassiert. Ich bin sehr enttäuscht. Alle drei bisherigen Niederlagen in dieser Serie von acht Heimspielen tun uns sehr weh.

[kein Linktext vorhanden]Was war in den letzten fünf Minuten bei den Mavs los?
Nowitzki: Das Spiel wurde immer enger. Ich hatte einige Sprungwürfe, die ich eigentlich hätte machen müssen. Und da war dieser Drei-Punkte-Wurf vom rechten Flügel: Ich dachte, der würde passen. Aber er hat kurz in den Korb geschaut und ging wieder raus.

Dirk Nowitzki - Die schönsten Momente
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Am Schluss haben Sie heute nichts getroffen. Woran lag es?
Nowitzki: Keine Ahnung. Das Gefühl war nicht mehr da.

Nach der Heimpleite gegen Minnesota haben Sie davon gesprochen, dass Sie sich fühlen wie nach einer Play-off-Niederlage. Wie ist es heute?
Nowitzki: Jede Niederlage ist jetzt bitter. Vor allem, weil es so eng ist in der Western Conference. Wir waren vor dem Spiel schon nur Neunter. Und drei der Niederlagen in den vergangenen sechs Heimspielen waren knapp, zwei davon sogar in der Verlängerung. Das kann sich am Schluss rächen.

Das Rennen um die Play-offs in der Western Conference ist noch enger als in der Vergangenheit. Überrascht sie das?
Nowitzki: Nein, das war in den vergangenen Jahren immer so. Es gibt im Westen einfach sehr, sehr viele gute Mannschaften, die um die acht Plätze kämpfen. Nicht so wie im Osten, wo es nur drei, vier wirklich gute Teams gibt.

Schauen Sie eher auf Platz acht, oder blicken Sie angesichts des relativ geringen Rückstandes noch weiter nach oben?
Nowitzki: Natürlich schauen wir auch nach oben. Aber wir haben in dieser Heimserie jetzt drei Spiele verloren und drei gewonnen: Das ist natürlich nicht das, was wir uns vorgestellt haben. Aber zwei sogar in Verlängerung zu verlieren und dann noch die heutige Partie gegen die Clippers, in der wir schon mit zehn Punkten vorne waren: Das ist verdammt bitter.

[kein Linktext vorhanden]Kürzlich kam Ihr langjähriger Mentor Holger Geschwindner nach Dallas und sie haben gemeinsam an Ihrem Wurf gearbeitet. Prompt lief es gegen Oklahoma besser. Hilft er Ihnen nach so vielen Jahren wirklich noch bei Ihrem Wurf, oder ist das vor allem eine Kopfsache?
Nowitzki: Ich habe dieses Jahr auch schon ganz gut geworfen, als Holger nicht da war. Aber es ist immer schön, wenn er da ist. Wir machen dann unsere Routine, die wir seit 20 Jahren machen. Abends in die Halle gehen, ein bisschen werfen, etwas schwitzen.

Hat das gerade nach dem schwachen Spiel gegen die Brooklyn Nets gut getan, als Sie nur zehn Punkte erzielt haben?
Nowitzki: Das Spiel gegen die Nets war schon richtig schlecht von mir. Ich habe fast nichts getroffen. Da war es gutes Timing, dass Holger vor dem Oklahoma-Spiel eingeflogen ist. Heute lief es am Anfang ja auch gut. Aber am Ende die Freiwürfe, die müssen natürlich rein – vor allem im vierten Viertel. Da zählt jeder Punkt. Das tut weh.

Nach der Partie gegen die Nets haben einige Medien in den USA geschrieben, Sie sähen teilweise alt aus auf dem Feld. Trifft Sie das oder spornt Sie das an?
Nowitzki: Ich werde dieses Jahr 36. Klar: Ich bin keine 20 mehr. Aber ich habe bislang eine solide Saison gespielt und will sie jetzt auch solide beenden.

Vor der Saison haben Sie in einem Mavericks-TV-Spot in Richtung einiger Skeptiker, die Ihnen aufgrund Ihres Alters eine nachlassende Leistung prognostiziert haben, frei übersetzt gesagt: „Glaubt Ihr wirklich, ich hätte nichts mehr drauf?“ Meinen Sie, die haben Sie widerlegen können?
Nowitzki: Es waren für mich nach der Meisterschaft 2011 eben zwei schwere Jahre. Erst war die Saison danach durch einen Streik verkürzt, wir hatten viel zu viele Spiele in kurzer Zeit. Und es ging schon damals los mit meiner Knieschwellung. Deshalb musste ich mich dann vor der vorherigen Saison operieren lassen und habe fast zwei Monate gefehlt. Das war bitter. Jetzt habe ich im letzten Sommer viel gemacht, viel trainiert. Ich habe schon im April, Mai angefangen. Und bislang war es eine gute Saison für mich, ich war auch wieder beim Allstar-Game. Das hat wahrscheinlich keiner erwartet.

Auch Sie selbst nicht?
Nowitzki: Keine Ahnung. Ich wusste nicht, was ich erwarten konnte nach den zwei vorherigen Spielzeiten. Und ob meine Knie reagieren. Bislang haben sie gut mitgespielt.Wir müssen nur schauen, dass wir irgendwie in die Play-offs kommen. Das war von Anfang an unser Ziel. Es sieht zwar jetzt nicht ganz so gut aus. Aber wir werden kämpfen. Das Gute ist: Wir haben noch Spiele gegen die direkte Konkurrenten wie Golden State, Memphis und Phoenix. Da kann man natürlich Spiele gutmachen – wenn man gewinnt. Wenn man verliert, sieht es recht finster aus. Wir werden alles geben – und ich werde weiter attackieren.

Stichwort Attackieren: Sie haben eben Ihr Alter angesprochen, Sie werden dieses Jahr 36. Sie haben die NBA-Meisterschaft geholt, fast alles erreicht. Was treibt Sie noch an?
Nowitzki: Der Wettbewerb. Es macht schon noch Spaß. Klar, manche Trainingseinheiten sind nach 16 Jahren in der Liga schon ein bisschen langweilig. Aber wenn der Schiedsrichter den Ball hochwirft und das Stadion voll ist, dann kommt wieder das Kribbeln. Das ist es, was mich antreibt.

Auch im Sommer, wenn Sie in Würzburg in der kleinen Turnhalle mit dem abgewetzten Ball aus dem Kofferraum trainieren? Gibt es den Ball nach all den Jahren immer noch?
Nowitzki: Ja, den gibt es noch.

Und auf ein Wiedersehen freuen Sie sich immer noch?
Nowitzki: Naja.

Die Freude wird also weniger?
Nowitzki: Ja. Das Wort Freude wäre übertrieben. Aber es gehört halt dazu. Ich habe mit Holger immer gute Arbeit gemacht in dieser Zeit. Es ist natürlich über die Jahre weniger geworden. Wir trainieren da jetzt keine sechs, sieben, acht Wochen mehr. Aber die Zeit ist wichtig für mich – und es war auch im vorigen Sommer wichtig mit Blick auf die aktuelle Spielzeit.

Haben Sie sich schon Gedanken über Ihr Karriereende gemacht?
Nowitzki: Nein. Natürlich geht es dem Ende zu. Aber die Saison war bis jetzt echt gut. Ich werde im Sommer noch ein bisschen meinen Vertrag verlängern. Und dann schauen wir einfach mal, wie die letzten paar Jahre noch laufen.

Und die deutsche Nationalmannschaft: Ist das noch vorstellbar für Sie?
Nowitzki: Das ist jetzt erst mal nicht im Vordergrund in meinen Gedanken. Im Sommer steht ja die EM-Qualifikation gegen unter anderem Österreich an: Ich glaube nicht, dass die Mannschaft mich da braucht. Also diesen Sommer wahrscheinlich eher nicht. Ob wir uns dann noch mal zusammensetzen und über die Olympischen Spiele 2016 sprechen, wird man sehen.

Wäre das noch ein Ziel?
Nowitzki: Ja, es war immer ein Fernziel. Aber ich muss erst mal schauen, wie die nächsten Jahre noch laufen.

Zur Person

Dirk Werner Nowitzki ist am 19. Juni 1978 in Würzburg geboren worden. Bereits 1997 gibt er sein Nationalmannschafts-Debüt, zu dieser Zeit ist er noch für DJK Würzburg aktiv. Ab 1998 spielt er in der US-Profiliga NBA für die Dallas Mavericks und macht den Club zu einem Stammgast in den Play-offs. 2006 verlieren die Mavericks die Finalspiele gegen Miami, ein Jahr später wird Nowitzki als wertvollster Spieler der Saison ausgezeichnet.

Und 2011 erfüllt er sich seinen Traum, er holt mit Dallas die Meisterschaft. Nowitzki erhält die Trophäe als wichtigster Spieler der Finalserie und wird zu Deutschlands Sportler des Jahres gewählt. Mittlerweile ist er zwölffacher Allstar. Die deutsche Nationalmannschaft hat er zu WM-Bronze 2002 und EM-Silber 2005 geführt. Bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking trägt er die deutsche Fahne bei der Eröffnungsfeier. Nowitzki ist mit seiner Frau Jessica Olsson, einer Kunstmanagerin aus Schweden, seit August 2012 verheiratet. Das Paar hat seit Juli 2013 eine Tochter.

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