Krawalle bei Leipzig-Spiel Der BVB ist aus dem Gleichgewicht

Dortmund · Dortmund ist eine Stadt mit einer großen Fußball-Tradition. Doch die schweren Krawalle beim Spiel gegen Leipzig haben beim BVB und in der Stadt Spuren hinterlassen.

 Nachdenklich und doch entschlossen: BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke verspricht Aufklärung.

Nachdenklich und doch entschlossen: BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke verspricht Aufklärung.

Foto: picture alliance / dpa

Wer regelmäßig in Dortmund beim Fußball zu Gast ist, hat diesen Spruch längst auf der Festplatte gespeichert: „Ich begrüße im schönsten Stadion der Welt die besten Fans der Welt. Ich begrüße die Fans von Borussia Dortmund“, brüllt Norbert Dickel in sein Mikrofon, und Tausende Fans feiern den „Held von Berlin”. Womöglich ist es an der Zeit, diese Ouvertüre in die Mottenkiste zu packen.

Beste Fans der Welt? Das glaubt schon lange niemand mehr, der sich eingehend mit dem RevierClub beschäftigt. Schon gar nicht nach den widerlichen Vorfällen rund um die Bundesligapartie gegen RB Leipzig, bei der einige Hundert Kriminelle Jagd auf die Fans des Gegners – egal ob Kinder, Frauen oder Familien – machten und die Gäste aus Sachsen mit Pflastersteinen, Dosen, Flaschen, Farbbeuteln und Mülleimern bewarfen. Dazu kamen antisemitische Schmähungen. Als Rädelsführer gilt die neue rechtsgerichtete Hooligan-Gruppierung „0231Riot“, die sich aus der Dortmunder Ultraszene abgespalten und radikalisiert hat.

Nicht erst seit Samstag ist einiges aus dem Gleichgewicht geraten in Dortmund, einer Stadt, die sich zu Recht ihrer Fußball-Kultur und -Tradition rühmt. „Was hier vorgefallen ist, hat Spuren hinterlassen”, betont Tobias Westerfellhaus, Vorstandsmitglied der Fanabteilung des BVB: „Die Menschen sind alarmiert, es herrscht eine deutlich wahrnehmbare Unruhe in der Stadt.”

Mit wie viel Hass die Atmosphäre aufgeheizt war, konnten die Besucher bereits auf dem Weg ins Stadion erleben: „Red Bull? Verpisst Euch! Der Fußball gehört uns!”, war auf Plakaten zu lesen. Warum die Stadt Dortmund solche Pamphlete nicht entfernen ließ, gehört zu den Fragen, die zu klären sind. Noch schlimmer ging es auf der Südtribüne zu, wo die Banner teilweise noch wesentlich geschmackloser waren.

Die Vorkommnisse beschäftigen nicht nur die Revier-Metropole, sie ziehen auch deutschlandweit Kreise. So schrieb Jürgen Zielinski, im Ruhrgebiet geboren, BVB-Fan und seit 2002 Intendant des Theaters der Jungen Welt in Leipzig, die schlimmen Jagdszenen werfen „auch Fragen in Richtung Geschäftsführer Watzke auf, den ich als tatbefördernden Brandstifter bezeichnen möchte und somit zum Rücktritt auffordere”. Zielinski bezichtigt Watzke einer Mitschuld, weil er mit kritischen Äußerungen gegenüber dem als Marketingprodukt gegründeten Konstrukt RB Leipzig die jüngste Eskalation begünstigt habe.

Es wird deutlich, dass die Vorkommnisse ins Innerste des börsennotierten Unternehmens Borussia Dortmund hineinreichen. Das gilt auch für die schlimmen Spruchbänder, die auf der Südtribüne zu lesen waren, und auf denen unter anderem Leipzigs Geschäftsführer Ralf Rangnick zum Suizid aufgefordert wurde. Solche Äußerungen haben nicht nur deshalb verheerende Wirkung, weil sie menschenverachtend und imageschädigend sind, sondern auch, weil sie die Marke Borussia Dortmund treffen. Schließlich gehört die größte Stehplatztribüne der Welt zu den wichtigsten Marketinginstrumenten eines Konzerns, der den Claim „Echte Liebe“ wie eine Monstranz vor sich herträgt.

Die Geschäftsführung des BVB muss sich fragen lassen, warum sie es zulässt, dass auf ihrer Vorzeigetribüne Hass gesät wird. Als Hausherr hätte der BVB den Anpfiff verbieten können, solange Banner zu sehen sind, die den Straftatbestand der Beleidigung erfüllen. Die Dortmunder Eskalation zieht so weite Kreise, dass sich inzwischen auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière zu Wort gemeldet hat. Er hoffe „auf eine schnelle und harte Reaktion der Justiz, damit alle wissen, was ihnen droht, wenn man sich so verhält“, sagte der CDU-Politiker, der die Überzeugung vertritt, dass Krawallmacher solchen Kalibers „nicht ins Stadion gehören, sondern hinter Schloss und Riegel”.

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