Interview Reiner Calmund: "Man darf das Derby nicht unnötig anheizen"

Leverkusen · Reiner Calmund blickt zurück und nach vorne auf das Duell zwischen dem 1. FC Köln und Bayer Leverkusen.

 Die Suppe versalzen will Hobby-Koch Reiner Calmund keinem der Derby-Teilnehmer.

Die Suppe versalzen will Hobby-Koch Reiner Calmund keinem der Derby-Teilnehmer.

Foto: Belibasakis

An den ersten 44 Bundesliga-Derbys zwischen dem 1. FC Köln und Bayer 04 war Reiner Calmund als Funktionär der Leverkusener beteiligt. Joachim Schmidt sprach mit ihm über das Bundesliga-Lokalduell.

Herr Calmund, wie würden Sie heute das Verhältnis zwischen dem 1. FC Köln und Bayer 04 Leverkusen zu Ihrer Manager-Zeit bezeichnen?

Rainer Calmund: Zu den Präsidentschaftszeiten von Klaus Hartmann und Albert Caspers beim FC war es stets gut. Natürlich gab es zuweilen eine Trübung, wenn wir einen Spieler aus Köln holten. Aber die haben sich auch bei uns in Leverkusen bedient. Das ist normal. Deshalb konnten wird uns trotzdem immer in die Augen gucken, vernünftig miteinander reden und ein Bierchen trinken. Die Rivalität gab es natürlich, und die gibt es auch jetzt noch.

Auch in der Familie Calmund?

Calmund: Na klar! Mein jüngster Enkel ist voll Bayer-04-Fan und will einmal in Leverkusen Manager werden, mein Nachfolger quasi. Da müssen der Rudi Völler als Sportchef und der Jonas Boldt als Manager künftig aufpassen (lacht). Meine älteste Tochter, die Mutter von dem Jungen, ist dagegen durch und durch FC-Fan, wie auch meine mittlere Tochter.

Es ist also wie bei so vielen in der Region, wo die Sympathien für diese beiden Clubs quer durch Familien, Freundeskreise oder die Kollegen am Arbeitsplatz gehen. Deshalb sage ich: Die Rivalität ist gut und tut beiden gut. Dadurch bleibt jeder hellwach. Sie muss sich allerdings auf den Sport beschränken. Gewalt hat da nichts zu suchen.

Was erwarten Sie von diesem 56. Derby?

Calmund: Es ist eines der schönsten, die es geben kann. In der aktuellen Situation ist Leverkusen auf einem guten Kurs Richtung Champions League, und der 1. FC Köln hat sich als Neuling bislang ausgezeichnet verkauft. Da müsste es schon mit dem Teufel zugehen, wenn es die Kölner noch irgendwie in den Abstiegssog ziehen sollte. Wenn sie jetzt noch ein Pünktchen im Derby holen, ist der Klassenerhalt praktisch perfekt gemacht. Dadurch gewinnt das Spiel zusätzlich an Brisanz.

Also beste Voraussetzungen für ein spannendes Spiel?

Calmund: Natürlich, zumal das Spiel ausverkauft ist und Petrus puren Sonnenschein versprochen hat. Es kann losgehen!

Früher waren Sticheleien von Ihnen und Ihren Kölner Kollegen in Richtung Gegner normal. Wie ist das heute?

Calmund: Man muss die Entwicklung sehen. Die Fans früher waren auch fanatisch, und hin und wieder gab es etwas Rabatz. Es hatte aber alles seine Grenzen. Dagegen hat es heute andere Dimensionen angenommen. Da darf man das Derby nicht weiter anheizen. Es ist nicht mehr zeitgemäß, es zu befeuern. Die Lage hat sich zu sehr verschärft, auch wenn es nur eine verschwindend geringe Anzahl von Krawallmachern ist, die die Plattform Fußball nutzen wollen, um sich wichtigzutun und auf sich aufmerksam zu machen. Das hat mit Fußball nichts zu tun.

Warum wurde vor 20, 30 Jahren vor den Derbys verbal Gas gegeben?

Calmund: Um die Stadien voll zu bekommen. Das ist heute nicht mehr notwendig. Die Kölner haben ja inzwischen sogar das Problem, dass sie den Leuten klarmachen müssen, warum sie ihnen keine Karten verkaufen können.

In welcher Form war der 1. FC Köln nach Ihrem Ausscheiden bei Bayer 04 einmal ein Thema für Sie?

Calmund: Zunächst einmal muss ich gestehen, dass ich trotz meiner langen Zeit bei Bayer immer auch ein FC-Fan war. Nach meinem Ausscheiden in Leverkusen gab es vor etwa zehn Jahren einmal die Überlegung, dass ich FC-Manager werden könnte. Vor drei Jahren kam ich auch für das Präsidentenamt ins Gespräch. Das hat mich geehrt, hat meinen dicken Bauch gepinselt. Denjenigen, die meinten, das sei ein Show-Effekt von mir gewesen, nur etwas Populistisches, muss ich widersprechen. Denn das Ganze hat mir in Leverkusen viel Feindschaft eingebracht. Ich habe mich dann dagegen entschieden, weil ich nicht mehr auf einen Kommandostand eines Bundesligisten zurückkehren will.

Sie haben dennoch etwas Einfluss auf die Zusammenstellung des FC-Präsidiums genommen.

Calmund: Es ist mir, glaube ich, gut gelungen, die Versöhnung zwischen dem FC und Toni Schumacher hinzubekommen. Früher hatten seine Mitspieler ja mehr Angst vor seiner Kritik als vor der des Trainers. Heute dagegen macht er sehr gute Arbeit aus dem Hintergrund heraus. Ich hatte viel Gutes von ihm erwartet, nicht aber, dass es so gut läuft. Wenn man ihn in seinem Amt sieht, muss ich sagen: Grandios.

Wie sehen Sie den 1. FC Köln heute?

Calmund: Ich hege für den Club und seine Entscheidungsträger, bis hin zum Wiener Peter Stöger, sehr viel Sympathie. Deshalb drücke ich dem FC alle Daumen, damit er in der Liga bleibt. Aber wenn ich am Samstag beim Derby auf der Tribüne sitze, werde ich die Bayer-04-Unterwäsche anhaben.

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