Post-Hauptversammlung Tarifkonflikt beschäftigt Aktionäre

FRANKFURT/M · Der Bruch war hörbar. Drinnen die scheinbar normalen Regularien einer Hauptversammlung. Draußen vor Frankfurts Jahrhunderthalle sammelte sich derweil eine große Demonstration der Gewerkschaft Verdi. Sie war laut und in der Kritik fundamental: Von "asozialer Profitgier" war auf Schrifttafeln die Rede.

 Vor der Hauptversammlung protestieren die Post-Zusteller.

Vor der Hauptversammlung protestieren die Post-Zusteller.

Foto: dpa

Einer ließ wissen: "Kapital in privater Hand raubt manchen den Verstand." Gewerkschaftschef Frank Bsirske kam schnell zum Kern: Die Post solle die Entscheidung zurücknehmen, 49 neue Gesellschaften unter dem Namen "DHL Delivery GmbH" zu gründen und dort neue Mitarbeiter zwar unbefristet, aber zum etwa 30 Prozent niedrigeren Logistiktarif zu beschäftigen. Für diese Rücknahme wolle Verdi streiken, sagte Bsirske. "Das ist unsere Botschaft hier aus Frankfurt", rief er.

Die Gewerkschaft schaffte es, das Thema in die Hauptversammlung zu tragen. Die Aktionäre kannten sich aus. Zumindest Einzelaktionäre zeigten bei einer keineswegs repräsentativen Befragung mehr Verständnis für Verdi als für den Vorstand. "Das ist nicht in Ordnung. Denn gleiche Arbeit, gleicher Lohn finde ich in Ordnung", sagte einer. Und eine Aktionärin wusste von Fehlern bei der Paketzustellung: "In der letzten Zeit passieren sehr viele Fehler." Und ihr Partner, ebenfalls Aktionär, sagte über die Billiglohngesellschaften: "Dadurch geht vieles schief." Dass Aktionäre davon profitieren könnten, wollte er nicht gelten lassen: "Da würde ich lieber etwas weniger profitieren."

Der Vorstandsvorsitzende Frank Appel musste sich dazu äußern. Er sagte, die Gewerkschaft Verdi trage ein völlig falsches Bild nach draußen. "Wir zahlen den Mitarbeitern hier am oberen Ende dessen, was Wettbewerber zahlen", sagte er über das Lohnniveau bei der Delivery GmbH. "Wir zahlen nicht die niedrigen Löhne der Wettbewerber. Sondern wir zahlen Löhne, die auch mit dem Sozialpartner - mit Verdi in diesem Fall - vereinbart worden sind." Er berichtete, die Post wolle in diesen Gesellschaften bis 2020 etwa 10 000 neue Arbeitsplätze schaffen. "Wir glauben, dass wir damit erfolgreich dieses Geschäft aufbauen können." Die bisherige Tarifstruktur gehe noch auf die vergangene Behördenzeit zurück. Das sei nicht mehr marktgemäß. Mit den neuen Gesellschaften nach dem Logistiktarif ändere sich das.

Das unterstützte auch der Sprecher der Aktionärsvereinigung DSW, Professor Roland Klose. Er hatte ein weiteres Thema. Ob die stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Andrea Kocsis zugleich Streikführerin von Verdi gegen die Post sein könne: "Wir denken, der Aufsichtsrat muss sich damit auseinandersetzen, ob nicht in einer solchen Phase ein Ruhen des Mandates sinnvoll sein kann."

Im Unternehmensalltag gibt es neuen Ärger: In Berlin setzte die Post DHL-Mitarbeiter aus Polen als Paketzusteller ein. "Sie sind freiwillig zur Unterstützung im Berliner Raum im Einsatz", sagte eine Postsprecherin. Diese polnischen Mitarbeiter würden genauso bezahlt wie ihre deutschen Kollegen. Verdi nannte den Einsatz der Polen "skandalös" und warf der Unternehmensleitung vor, den Streik zu unterwandern.

In Frankfurt wurden derweil die klassischen Themen einer Hauptversammlung debattiert: Die Dividende steigt um sechs Prozent auf 85 Cent je Aktie, obwohl das operative Ergebnis voriges Jahr nur um 3,5 Prozent zugelegt hatte. Appel berichtete, das erste Quartal sei planmäßig gelaufen. Der internetbasierte Handel habe gerade erst begonnen. Mit Hubschraubern und Drohnen will die Post künftig Pakete zustellen, gerne auch bis in den Kofferraum des Empfängers. Klingeln sei nicht nötig. Eine App öffne den Kofferraum des Autos, wo der Zusteller das Paket ablegen könne. In einem Gemeinschaftsprojekt mit Audi werde das ausprobiert.

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