Abwanderung aus NRW Die Musik spielt woanders

BONN · Die gute Nachricht vorneweg: Nach Nordrhein-Westfalen wandern aus dem Ausland mehr Menschen ein als umgekehrt. Die schlechte Nachricht: Innerhalb Deutschlands ziehen unterm Strich Menschen aus NRW weg.

Am liebsten nach Bayern: In Süddeutschland, wo auch traditionell das Alphorn geblasen wird, zieht es viele Beschäftigte aus NRW.

Am liebsten nach Bayern: In Süddeutschland, wo auch traditionell das Alphorn geblasen wird, zieht es viele Beschäftigte aus NRW.

Foto: dpa

Unter denen, die gehen, sind nach Einschätzung des unternehmernahen Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) viele qualifizierte Arbeitskräfte, die ihr Glück in anderen Bundesländern suchen. Aus einer noch nicht veröffentlichten Studie des IW zu dieser sogenannten Binnenwanderung, also den Bewegungen von Menschen zwischen den einzelnen Bundesländern, geht hervor, dass Nordrhein-Westfalen im Jahr 2012 rund 16.000 Menschen an andere Bundesländer verloren hat. Wohlgemerkt: Das ist nicht die Anzahl der Menschen, die das Land verlassen, sondern die Differenz zwischen denen, die gehen, und denen, die kommen: minus 16.000.

Für den Verfasser der Studie, Klaus-Heiner Röhl, ist es wahrscheinlich, dass der Trend schon länger besteht. "Früher haben vor allem die neuen Bundesländer Menschen verloren. Jetzt ist uns aufgefallen, dass dies in NRW der Fall ist." Dabei geht zwar aus den Zahlen der Studie nicht explizit hervor, dass es sich bei den 16.000 Personen um Berufstätige handelt. "Wir wissen aber aus Erfahrung, dass solche Wanderungsbewegungen größtenteils von jungen Menschen ausgehen", sagt Röhl. Und das habe meistens zwei Gründe: "Entweder handelt es sich um angehende Studenten oder um junge höherqualifizierte Fachkräfte. Zugespitzt könnte man von Leistungsträgern sprechen, auch wenn die Zahlen das nicht explizit belegen."

Die These wird gestützt von Arbeitsmarktexperten. "Die Menschen gehen dahin, wo die bessere Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist", sagt Werner Marquis von der Arbeitsagentur in Nordrhein-Westfalen. "Die Frage ist: Wo spielt die Musik?" Offenbar spielt die Musik woanders: Nämlich in Bayern, Baden-Württemberg und Berlin. Die Differenz der Wanderungsströme in diese drei Bundesländer weist für NRW ein Minus von 10.758 Frauen und Männern aus. Die meisten zieht es dabei nach Bayern (4199), gefolgt von Berlin (3611) und Baden-Württemberg (2948). "Gerade Berlin ist hip für junge Leute", sagt Marquis. Auch Hamburg und Niedersachsen profitieren der IW-Studie zufolge von den Wanderungsbewegungen.

Aus welchen Gebieten in NRW die meisten Menschen abwandern, ist nicht genau untersucht worden. Allerdings gehen sowohl Marquis als auch Röhl davon aus, dass viele Menschen das Ruhrgebiet verlassen. "Wir haben in NRW eine sehr gemischte Struktur. Im Ruhrgebiet gibt es erhebliche Probleme auf dem Arbeitsmarkt, während Münster, das Sauerland oder auch Bonn extrem hohe Beschäftigung haben." Dazu passt, dass von den bundesweit sieben großen Ballungszentren "nur das Ruhrgebiet Einwohner verliert", wie Röhl sagt. "Es ist davon auszugehen, dass die Menschen, die abwandern, zu großen Teilen aus dem Ruhrgebiet kommen."

Die Binnenwanderungsströme insgesamt sind in einer Zeitspanne von zehn Jahren stark zurückgegangen. Verließen 2002 noch 141.650 Menschen in Deutschland ihre Heimat, um anderswo Fuß zu fassen, waren es 2012 nur noch 43.640. Für Röhl hat das vor allem den Grund, dass sich der Arbeitsmarkt in Deutschland "dramatisch verbessert" habe: "Man findet meist Arbeit vor Ort und geht nicht so schnell für drei Euro mehr nach Baden-Württemberg."

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