29. Morenhovener Kabarett-Tage Raus aus der Komfortzone

Swisttal-Morenhoven · Das Kreaforum präsentierte am Wochenende ein Programm, das es in sich hatte. Am Freitag begeisterten die Urgesteine der höhreren Blödelei Ingo Insterburg und Lothar „Black“ Lechleiter, am Samstag Prix-Pantheon-Preisträger Fatih Çevikkollu aus Köln.

 S-"Höhepunkte aus zwei Künstlerleben" - Ingo Insterburg (l) und Lothar "Black" Lechleiter im Morenhovener Kreaforum

S-"Höhepunkte aus zwei Künstlerleben" - Ingo Insterburg (l) und Lothar "Black" Lechleiter im Morenhovener Kreaforum

Foto: Axel Vogel

Zwei hochkarätige Abende präsentierte das Kreaforum seinem Publikum am Wochenende. Zwei Urgesteine des Musikkomödiantentums in der deutschen Kulturszene standen am Freitag auf der Bühne. Ingo Insterburg, Lothar „Black“ Lechleiter und Matthias Bardong waren zu Gast und zeigten „Höhepunkte aus zwei Künstlerleben“. Sie waren in den 70er Jahren als „Blödelbarden“ bundesweit bekannt und haben als „Insterburg & Co.“ sowie „Schobert & Black“ in ausverkauften Sälen gespielt.

„Ich liebte ein Mädchen in Morenhoven, die gehört zu den klugen, nicht zu den doofen“ – artig bediente Insterburg gegen Ende die Erwartungen mit seinem wohl berühmtesten Song. Der weißhaarige Alt-Barde wackelt mal verträumt, mal zielstrebig über die Bühne und zaubert immer neue Eigenbau-Instrumente hervor. Aus einem Blecheimer und einem hölzernen Hals hat er ein Cello gebastelt, das sich wie ein Dudelsack anhört, eine herzförmige Pralinenschachtel wird zur Geige, zwei Hälften einer Kokosnuss zu Geige und Gitarre. Zur „Brillenharfe“ – aus einer Klobrille gefertigt – gibt er das Lied von der Wurst, die gegessen und verdaut ihren letzten Wunsch erfüllt bekommt und in ihrer Urform wieder durch die Brille schießt, zum Besten. Atemberaubend, wenn er mit Händen und Füßen Trompete und Gitarre gleichzeitig spielt oder mit seiner vor die Brust geschnallten Mini-Geige frei aus Carl Maria von Webers Freischütz zitiert.

„Black“ und Bardong beschränken sich instrumental auf das Gitarrenspiel. Dabei übernimmt der jüngere Bardong (53) die Solopartien. Ihre Themen sind durchweg politisch. Im „Reiselied“ geht es um Umweltschutz, empfohlen wird etwa „Einwegbaden im Ganges“. Drastisch formulieren sie ihre Abneigung gegenüber politischen Rechtstendenzen. Ob die AfD ein Angelverein sei, fragt „Black“, dann könnte man sie nämlich mit „Petri Heil“ begrüßen. Und bei Pegida macht er Rattenfänger aus. „Zu den Liedern von diesen Leuten hat manche Synagoge gebrannt“, warnt er. „Black“ und Bardong streuen zur Auflockerung Limericks ein, schließlich machte sich der 74-jährige „Black“ in den 70er Jahren zusammen mit Wolfgang „Schobert“ Schulz als „Schobert & Black“ einen Namen mit „höherer Blödelei“.

Am Samstagabend wartete das Kreaforum mit Fatih Çevikkollu – Kabarettist, Komiker und Schauspieler mit türkisch-kölschen Wurzeln – und seinem fünften Programm auf. „Emfatih“ nennt er dieses und illustriert dem Publikum in gut zwei Stunden, was er darunter versteht. Wenn Sie das nächste Mal zum „Gemüse-Ali“ Ihres Vertrauens gehen – dann schütteln Sie ihm doch einfach mal die Hand. Zeigen Sie ihm Ihre Dankbarkeit für die landestypische Folklore, die er bei jedem Einkauf zu Karotten und Tomaten als Bonus obendrauf gibt. Denn Ali kann Hochdeutsch, natürlich kann er das. Aber warum sollte er? Seine Kunden hierzulande wissen schließlich genau, was sie wollen: alles schön geordnet, wo es hingehört. Und Ali nimmt Rücksicht auf ihre Befindlichkeiten. Schließlich geht mit „Emfatih“ doch alles ein bisschen leichter von der Hand.

Wer sich nun aber darauf gefreut haben mag, dass sich das so anfühlt wie beim Gemüsekauf fürs Wochenende, hatte womöglich einen unerwartet anstrengenden Abend. Denn Çevikkollu fordert sein Publikum vis-à-vis: raus aus der Komfortzone. Und das geht geschmeidiger mit ein bisschen Lokalkolorit.

Çevikkollu ist bekennender Kölner. Durch seine Adern, sagt er, „fließt der Rhein wie das eigene Blut“. Köln hat aus seiner Sicht bloß ein Problem: Köln möchte gern Großstadt sein – aber dafür bräuchte es eine „Flugstätte“' wie in Berlin oder eine „Musikstätte“ wie in Hamburg, „während die Stuttgarter sich noch einen Wolf buddeln“. Das geht auch in der Dom-Metropole: „beim Versuch, die U-Bahn auszubauen, einfach mal die Südstadt tieferlegen“. Dazu lächelt er breit, gibt sich volksnah und loyal. Aber dazu ist er nicht hier, oder? Jedenfalls nicht nur.

„Also, wohlan, spiele er auf, der lustige Türke.“ Denn Lachen, so fügt Çevikkollu hinzu, „ist für mich die schönste Form des Kontrollverlustes“. Auch oder gerade, weil es ihm angesichts deutscher Landsleute, für die Moslems und Terroristen ein- und dasselbe sind, gründlich vergehen könnte.

Was ihn zuweilen wundert, aber auch freut: „Deutschland ist inzwischen weltweit für sein Mitgefühl bekannt.“ Ausgerechnet Deutschland: „Zwei Weltkriege, vier Weltmeisterschaften, null Freunde.“

Çevikkollu versteht es souverän, die Balance zwischen entspannend-sympathischer Selbstironie und unmissverständlicher Direktheit zu halten. „Emfatih“ mäandert einen Abend durch den vollbesetzten Saal, schlägt dort Haken, findet hier eine Ecke im Gedächtnis und bleibt haften. Sein Rezept: Sich selbst nicht ernster nehmen, als unbedingt sein muss. Lieber mal gemeinsam über das lachen, was einen scheinbar trennt. So etwas verbindet ungemein.

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