Riesenzoff am Rheinkolleg Komplettes Lehrerkollegium in Meckenheim kündigt

Meckenheim · Nach Manipulationen beim Staatsexamen am Meckenheimer Kolleg für Physiotherapie ziehen die Berufsschullehrer Konsequenzen und quittieren den Dienst. Die Lehrer wollen nun eine neue Schule gründen. Die Behörden ermitteln zudem gegen einen ehemaligen Dozenten.

Die eben noch gelöste, mit Lachen erfüllte Stimmung bei der Zeugnis- und Berufsurkundenübergabe am Meckenheimer Rheinkolleg für Physiotherapeuten ist schlagartig einer beredten Stille gewichen. Die letzten Staatsexamensurkunden sind am Freitagmittag gerade überreicht, da übergeben die Lehrer des Rheinkollegs ihrerseits ihre Kündigungen an Karl-Werner Doepp, Landesvorsitzender des Verbands Physikalischer Therapie (VPT). Der VPT, ein Verein mit Landessitz in Bergkamen, ist Träger der Physiotherapieschule.

„Es haben heute alle Lehrer und Dozenten gekündigt, außer einem Mitglied des Kollegiums, das sich noch in der Probezeit befindet“, sagt Physiotherapiedozent Gerold Klein im Gespräch mit dem General-Anzeiger. Den Kündigungen vorausgegangen waren Vorgänge, die zum Teil bereits ein Jahr zurückliegen. Eine leitende Lehrkraft hatte mit einem Kurs das Staatsexamen manipuliert. Wie eine Sprecherin des Kölner Verwaltungsgerichts dem General-Anzeiger auf Anfrage bestätigt, hatte der Dozent 95 Prozent der anstehenden Prüfungsfragen gemeinsam mit den Schülern erarbeitet – unter anderem via Whatsapp-Nachrichten.

Als die erstaunlich korrekten Antworten der Examenskandidaten im Dezember 2017 auffielen, erwirkte die Kreisverwaltung, dass die bereits ausgehändigten Berufsurkunden der betroffenen Auszubildenden aberkannt wurden, erklärt Rita Lorenz, Pressesprecherin des Rhein-Sieg-Kreises, auf GA-Anfrage. Hintergrund: Dem Kreis obliegt der Prüfungsvorsitz bei der Staatsexamensprüfung. „Den Prüfungsvorsitz haben wir für alle heilpädagogischen Berufe inne“, so Lorenz.

Gegen die Aberkennung des Prüfungsergebnisses reichten 18 von 20 Absolventen dieses Jahrgangs Klage beim Verwaltungsgericht in Köln ein. Wie die Sprecherin des Verwaltungsgerichts sagte, laufen diese Verfahren noch. Zwischenzeitlich haben jedoch die meisten Prüflinge des 2017er Jahrgangs ihre Examensprüfungen wiederholt und alle haben diese bestanden, wie der GA von Dozenten erfuhr.

Verärgerung über Entlassung des Schulleiters

Was die zwölf Dozenten und offenbar viele Schüler des Rheinkollegs ärgert, ist, dass der VPT Schulleiter Georg Zabawa Anfang September fristlos entlässt. Er hatte die Manipulationen beim Rhein-Sieg-Kreis, bei der Kölner Bezirksregierung als Dienstherrn und nicht zuletzt beim VPT öffentlich gemacht. Wie die Schülerschaft in einem Brief an die Bezirksregierung, der dem GA vorliegt, schreibt, sei es nach der Entlassung des Schulleiters „zu erheblichen Unterrichtsausfällen und Irritationen“ am Rheinkolleg gekommen. Die Schüler, so heißt es in dem Brief weiter, sehen diese Vorkommnisse als „wichtigen Kündigungsgrund, um unser Ausbildungsverhältnis mit dem vom VPT geleitetem Rheinkolleg zu beenden“. Zwei Schüler verlesen nach der Urkundenvergabe diesen Brief. Das Rheinkolleg ist seit 1997 staatlich anerkannte Physiotherapieschule, dessen Träger der VPT ist. Laut Kolleg durchliefen in zwei Jahrzehnten mehr als 10.000 Aus- und Fortbildungsteilnehmer die Schule.

VPT-Landeschef Doepp dankt nach dem Verlesen des Briefes „für die offenen Worte“, wie er sagt. Zu den Vorgängen selbst, etwa zu den Gründen der Entlassung des Schulleiters, dürfe er jedoch nichts sagen, da es sich „um laufende Verfahren“ handelt, so Doepp. Die eingereichten Entlassungen der Lehrer bedauere er. „Wir hatten gehofft, dass ihr bei einem Neuanfang mitmischt. Wir sind sehr überrascht.“ Die Bezirksregierung bestätigt auf GA-Anfrage, dass ihr der Fall der Examensmanipulation bekannt sei. „Unsere Aufgabe ist es, die staatliche Anerkennung von Physiotherapieschulen zu erteilen und gegebenenfalls auch wieder zu entziehen. Das Prüfverfahren dauert derzeit noch an“, sagte Dirk Schneemann, Pressesprecher der Bezirksregierung Köln.

Die gekündigten Lehrer wollen nun gemeinsam, ohne Verband im Rücken, eine neue Schule für Physiotherapie gründen. „Wir haben von der Bezirksregierung grünes Licht erhalten“, sagt Klein. „Eurofisiomed“ soll die Schule heißen und ihren Sitz an der Meckenheimer Heidestraße im Gewerbepark Kottenforst haben.

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