Besuch im Stellwerk in Roisdorf Freie Fahrt auf Knopfdruck

BORNHEIM-ROISDORF · Es ist ein eher unscheinbares, altes Gebäude am Bahnhof Roisdorf, in dessen Innerem im wahrsten Sinne des Wortes die Weichen für die Sicherheit im Zugverkehr gestellt werden: Es beheimatet ein Stellwerk.

In dem vermeintlich leer stehenden Haus ist tagein, tagaus ein Mitarbeiter der Deutschen Bahn im Dienst, der das Stellwerk bedient und den Zugverkehr auf dem Streckenabschnitt zwischen Sechtem und der Einfahrt in den Bonner Hauptbahnhof im Auge hat.

"Vielfach überwache ich den Betrieb. Eingreifen muss ich im Grunde nur bei Unregelmäßigkeiten und Störungen", erklärt Helmut Franken. Der 55-Jährige ist einer von 12.000 Fahrdienstleitern bundesweit, die die Weichen und Signale für den Zugverkehr stellen. Was früher bei der Eisenbahn zum Teil mit schwerer körperlicher Arbeit verbunden war, passiert heute elektrisch - und das weitestgehend automatisiert beziehungsweise per Knopfdruck, und in moderneren Stellwerken, die elektronisch gesteuert sind, sogar per Mausklick.

In Roisdorf arbeitet Franken an einem sogenannten Relais-Stellwerk, das rein elektrisch funktioniert und automatisch meldet, ob die Gleise frei sind. Die Anlage sei hier seit 1973 in Betrieb, ergänzt Frankens Chef, der Bezirksleiter Betrieb, Mark Hausbrandt (44). Relais-Stellwerke dieser Art kämen relativ häufig zum Einsatz, zum Beispiel auch in Sechtem und im Bonner Hauptbahnhof werde die gleiche Technik verwendet, sagt Hausbrandt.

Die Kennung des Zuges blinkt auf, wenn er sich nähert

An zwei Monitoren hat Fahrdienstleiter Franken die Bahnübergänge in Alfter am Herseler Weg und am Rheinweg im Blick. Auf dem sogenannten Stelltisch ist der Streckenabschnitt, den das Stellwerk bedient, mit Gleisen und Bahnhöfen schematisch abgebildet. Die Farbe Blau steht für Weichen, Grün für Fahrstraßen, Rot für Signale und Gelb für Bahnübergange.

Jeder Zug hat zur Kennung eine individuelle Nummer. Diese blinkt auch auf dem Stelltisch auf, wenn ein Zug in den Streckenabschnitt des Stellwerks gelangt. Von Feld zu Feld hüpft die Nummer in der schematischen Darstellung weiter, sodass der Fahrdienstleiter erkennen kann, wann zum Beispiel ein Zug den Bonner Hauptbahnhof verlässt und den Bahnhof Roisdorf passieren wird. Dass die Nummer angezeigt wird, geschieht mit Hilfe von Kontakten auf der Strecke, die auslösen, wenn ein Zug über sie hinwegrollt.

Gerade steht der Zug mit der Nummer 10512 im Bonner Hauptbahnhof. Es handelt sich um eine Bahn des Regionalexpress 5, die aus Koblenz in Richtung Köln unterwegs ist. Das Telefon klingelt. "Was haste' für Wünsche?" fragt Franken in den Hörer. "Ja, der soll durchfahren", heißt es weiter. "Das war die Betriebszentrale in Duisburg", erklärt der Fahrdienstleiter, "die Zentrale regelt die Reihenfolge der Züge."

Konkret geht es gerade darum, ob ein Güterzug Vorrang vor einem IC aus Richtung Köln bekommen soll. Soll er, denn der IC ist noch in Köln West, sagt Franken. Auch eine Überholung könnte Franken in Roisdorf regeln. Mit Hilfe von zwei Tasten würde er dann die sogenannte Fahrstraße ändern und einen der Züge aufs Überholgleis rollen lassen. In diesem Fall braucht er das aber nicht. Denn während der IC noch auf sich warten lässt, rauscht der Güterzug schon an Roisdorf vorbei.

Im Grunde funktioniere die Bedienung des Stelltisches ähnlich wie bei einer Modelleisenbahn, nur in groß, bestätigt Franken. "Ich hatte keine als Kind, ich habe auch jetzt keine, aber manche meiner Kollegen schon", erzählt er. Weitestgehend funktionieren die Abläufe automatisch. Häufiger eingreifen müsse er, wenn beispielsweise durch Bauarbeiten nur ein Gleis zur Verfügung stehe oder wenn, bedingt durch Störungen, die Strecke auf der anderen Rheinseite dicht sei, sagt der Bahnbeamte: "Dann rollen fast alle Güterzüge hier durch."

Langsames Bimmeln signalisiert: der nächste Zug kann kommen

Als stressig empfinde er das aber nicht. "Ich bin jetzt 40 Jahre bei der Deutschen Bahn und nach über 30 Jahren im Fahrdienst kommt kein Stress mehr auf." Anders sei das früher bei Unfällen gewesen: "Da mussten wir selbst Polizei und Krankenwagen anrufen und uns um alles kümmern". Doch dafür haben die Fahrdienstleiter inzwischen über ein extra Telefon den direkten Draht zur Notfall-Leitstelle, die sie in Gefahrenfällen unterstützt.

Während Franken erzählt, erklingt ab und an ein helles Klingeln. Mal bimmelt es schneller, mal langsamer. Dabei gehe es um den Blockabstand von Signal zu Signal, erklärt er. "Der langsam schlagende Wecker sagt dem Fahrdienstleiter, dass der Abschnitt frei ist", erklärt er. "Das heißt: Der nächste Zug kann folgen." Das schnell aufeinander folgende Bimmeln kündige hingegen dem nächsten Fahrdienstleiter in Sechtem oder in Bonn an, dass ein Zug in seinen Streckenabschnitt einfährt.

24 Stunden, das ganze Jahr über, werktags wie am Wochenende und natürlich auch an Feiertagen wie Weihnachten und Neujahr ist das Roisdorfer Stellwerk besetzt. Insgesamt sechs Fahrdienstleiter teilen sich die Arbeit im Schichtdienst auf. "Das bedeutet natürlich schon Einschnitte", räumt Franken ein, "aber das haben viele andere ja auch." Ihm gefalle, dass er in seinem Job "recht frei" arbeiten könne. "Und mich fasziniert das Miteinander in diesem großen Unternehmen", sagt der Bahnbeamte.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort