"55 Jahre in der neuen, alten Heimat Deutschland" Harry Dreifuss berichtet im Siegburger Stadtmuseum

SIEGBURG · Harry Zwi Dreifuss, 1935 in Mannheim geboren, musste Deutschland bereits als Baby verlassen. Nur wenige Wochen nach seiner Geburt wanderten seine Eltern und Großeltern ins damalige Palästina aus.

Im Rahmen der Jüdischen Kulturtage im Rheinland 2015 berichtete der heute 80-Jährige auf einer Veranstaltung der Gedenkstätte "Landjuden an der Sieg" im Siegburger Stadtmuseum von seinem Leben als Kind, Jugendlicher und junger Mann.

Trotz der von ihm gezeigten Bilder aus "Mamas Album", die den Eindruck eines leichten und unbeschwerten Lebens dort suggerierten, sei es für seine Eltern nicht einfach gewesen, sich einzugewöhnen, da sie nicht Hebräisch sprachen und Deutsch verpönt war.

Er schilderte seine Erinnerungen an die Staatsgründung Israels am 14. Mai 1948 - "endlich war Platz für die Juden" - und den Angriff der arabischen Nachbarn bereits einen Tag später, "weil sie damit nicht einverstanden waren".

Wie er als Kind das Kriegsgeschehen am Radio verfolgte und die Angst, die er hatte. Im Anschluss erzählte Dreifuss von seiner Rückkehr nach Deutschland 23 Jahre später, als er sich als Student an der Fachhochschule für Fotografie in Köln einschrieb und von seinem Weg zum gefragten Kameramann.

Seine Affinität zum Fotografieren und Filmen erklärte er in Anlehnung an ein chinesisches Sprichwort mit dem Satz: "Hundert Mal hören ist nicht so gut wie ein Bild."

Mitgebracht hatte er sein Erstlingswerk, den Kurzfilm "Begegnungen" (Köln 1962), in dem er Szenen der Nachkriegsnormalität in Deutschland aus der Perspektive eines jüdischen Remigranten (er selbst) zusammengestellt hat.

Zum Beispiel von Männern in einer Kneipe, die den Gesten nach eindeutig ihre Kriegserlebnisse glorifizieren oder von der Zimmerwirtin, die beim Anblick einer Karte von Israel beteuert, man habe ja nichts gewusst. Der Film zeichnet aber kein einseitiges Bild von "ewig Gestrigen", sondern auch ein zuversichtliches in Bezug auf die Zukunft.

Danach präsentierte er einen weiteren Film, den er 1971 im Auftrag des israelischen Fernsehens drehte, als Serge und Beate Klarsfeld den ehemaligen Gestapo-Chef von Köln und Paris, Kurt Lischka, an dessen Wohnort Köln auf offener Straße stellten.

Diese Filmsequenzen trugen maßgeblich dazu bei, der deutschen Öffentlichkeit bewusst zu machen, dass Verantwortliche für die Verfolgung und Ermordung von hunderttausenden Menschen unbehelligt in Deutschland lebten.

Acht Jahre sollte es noch dauern, bis Lischka - den 1950 ein französisches Militärgericht in Abwesenheit zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilte, den die Bundesrepublik aber nicht auslieferte - sowie seine Mittäter Herbert M. Hagen und Ernst Heinrichsohn zu langjährigen Haftstrafen in Deutschland verurteilt wurden. Auch dank des Engagements von Dreifuss.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort