GA-Serie "Augustiner Köpfe" Karl-Heinz Schoer und Otto Deibler sind ein eingespieltes Team

Sankt Augustin · Die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer haben neue Hilfsstrukturen und Netzwerke in Sankt Augustin geschaffen. Ein akutes Problem ist die Wohnungsbeschaffung für die Asylsuchenden.

Otto Deibler (66) betritt die Flüchtlingsunterkünfte an der Richthofenstraße mit einem fröhlichen „Hallo, wie geht's“. Die Augen der Bewohner strahlen, und man ist sofort zu einem kleinen Plausch bereit. Besonders Ali (5) freut sich, denn es besteht die Aussicht, dass er eine Runde kicken oder Gesellschaftsspiele mit dem Flüchtlingshelfer spielen kann. Das muss allerdings an diesem Tag etwas warten, denn auch Karl-Heinz Schoer (85) ist heute mit dabei. Normalerweise betreut er die Flüchtlingsunterkünfte an der Großenbuschstraße.

Schon seit Ende 2014 ist Deibler, der auch Vorsitzender des Sportvereins Hangelar ist, in „seiner“ Flüchtlingsunterkunft ehrenamtlich aktiv. Er kennt die Probleme der Bewohner nur allzu gut und vor allem auch die Probleme der Behörden. „Die waren am Anfang alle mit der Situation überfordert“, sagt Deibler. Es habe in den Unterkünften weder Hausmeister noch Sozialarbeiter gegeben. Bei Banken, Ärzten oder auf dem Amt – überall habe es gehakt. „Ohne die ehrenamtlichen Helfer wäre die gesamte Flüchtlingssituation in einem großen Chaos versunken“, sind sich die beiden sicher. Inzwischen gebe es Hausmeister und Sozialarbeiter, auch die elektronische Gesundheitskarte sei sehr hilfreich.

Bis es so weit war, habe man jedoch so manchen Kampf mit der Verwaltung austragen müssen, und es habe auch viel Ärger gegeben, erinnert sich Deibler. „So manch ein Pate hat auf dem holprigen Weg aufgegeben.“ Vor allem auch wegen der oftmals emotionalen Bindung zu den betreuten Familien, die dann doch in ihre Heimatland zurück müssten.

Wohnungsbeschaffung als akutes Problem

Insgesamt wohnten in den drei Containern an der Richthofenstraße bis heute insgesamt 192 Flüchtlinge aus 15 Ländern. Aktuell leben dort 36 Personen aus zehn Nationen, davon elf Kinder. In den drei Jahren seien allein 17 Kinder in der Flüchtlingsunterkunft an der Richthofenstraße geboren worden. Für 63 Personen konnten 20 Wohnungen gefunden werden. 91 Paten haben sich in dieser Unterkunft engagiert. Aktuell sind davon noch 46 aktiv tätig. Bis zu 30 von ihnen treffen sich regelmäßig.

Etwas anders geht es bei Karl-Heinz Schoer in der Großenbuschstraße zu. „Die Flüchtlinge bleiben dort länger, und es sind überwiegend Familien untergebracht“, sagt der 85-Jährige. Allein 21 Kinder würden dort im Moment betreut. Aktuell lebten dort 50 Menschen aus acht Nationen. „Leider stehen viele der Asylsuchenden dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung“, bedauert Schoer. So gebe es auch Dialysepatienten, Rollstuhlfahrer und auch ein taubstummes Ehepaar, das in Deutschland ein Baby bekommen habe und nun in eine spezielle Unterkunft in Köln umgezogen sei. Seine Klientel reiche von Menschen ohne Ausbildung bis hin zum Handwerker. Bisher habe es nur einen einzigen Akademiker gegeben. „Das war ein syrischer Anwalt.“

Ein akutes Problem ist die Wohnungsbeschaffung. „Bisher konnten wir erst vier Familien eine Wohnung vermitteln“, so Schoer, der in seinem Berufsleben für das Auswärtige Amt weit herumgekommen ist und mehrere Sprachen beherrscht sowie unterschiedliche Kulturen kennt. Die ehrenamtlichen Helfer sind mit Recht stolz auf ihr Netzwerk, dass sie inzwischen aufgebaut haben. Davon profitieren sowohl die Kinder, die aus unterschiedlichen Unterkünften gemeinsam zum Sport, zum Zirkus oder ins Bonner Labyrinth, zu Indoor-Spielplätzen, in Kletterparks oder in den Zoo fahren. Auch Ferienaktionen werden gemeinsam durchgeführt.

Die vielen jungen Männer, die alleine geflüchtet sind, versuchen die Ehrenamtler so schnell wie möglich in eine Ausbildung zu bringen. Sobald sie einen Anerkennungsstatus haben, wollen Sie gerne in den Mangelberufen wie Koch, Schweißer oder Bäcker eine Ausbildung machen.

Einig sind sie sich auch in einem andern Punkt: „Die deutsche Sprache ist das A und O. Alle Kinder in Sankt Augustin seien in einer Schule oder Kita untergebracht, und es kehre so Normalität auch in den drei Containern an der Richthofenstraße ein. „Da kommen dann auch mal Freunde zum Übernachten vorbei, es gab ein Zelt im Sommer, wo die Kinder gemeinsam campieren konnten“, sagt Deibler. Das Klima in Sankt Augustin sei grundsätzlich gut und mit den zugewiesenen Flüchtlingen gebe es keine Probleme. Das sei bei der Zentralen Unterbringungseinrichtung (ZUE) in der ehemaligen Medienzentrale der Bundeswehr anders.

Hilfe zur Selbsthilfe

„Ich habe bei dieser Tätigkeit viele nette Hangelarer kennengelernt und von den Flüchtlingen sehr viel zurückbekommen“, begründet Deibler seine Motivation für sein ehrenamtliches Engagement. Kollege Schoer hat noch ein besonderes Anliegen. „Wir haben mit der Flüchtlingswelle Strukturen der Hilfe aufgebaut, die es vorher noch nie gegeben hat. Die sollten wir umleiten in Hilfe für alle Bürger“, fordert er.

Und noch etwas ist den beiden wichtig: „Wir haben im ersten Jahr eine Art „Rundum-sorglos-Paket“ geschnürt. Das funktioniert inzwischen anders. Wir geben nur noch Hilfe zur Selbsthilfe. Renovierungen in den Unterkünften oder Gartenarbeit und Putzdienste müssen die Bewohner inzwischen selbst organisieren. Auch habe man unter den Flüchtlingen zwischenzeitig verstanden, dass die Hilfe nicht selbstverständlich, sondern eine Art Freizeitbeschäftigung sei. Jeder der heute ein Fahrrad bekomme, müsse mindestens das Schloss dafür selbst bezahlen. „Die Menschen müssen lernen, mit dem Geld auszukommen.“ Das seien zwölf Prozent weniger als der Sozialhilfesatz.

Die Wünsche der Flüchtlingshelfer für die Zukunft: Jeder müsse Deutsch lernen, egal ob er eine gute Anerkennungsperspektive habe oder nicht. Die Entscheidungen der Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge müssten effizienter und transparenter werden.

Für Ali ist jetzt nur noch eines wichtig: Er hat sein Fußballtrikot angezogen, den Ball schon unter den Arm geklemmt und freut sich auf das Fußballspiel mit seinem großväterlichen Freund Otto Deibler.

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