Evangelische Kirchengemeinde in Königswinter Frauenpower in den Pfarrhäusern

Königswinter · In drei der vier evangelischen Gemeinden in Königswinter haben insgesamt fünf Pfarrerinnen das Sagen.

 Pia Haase-Leh (v.l.), Anne-Kathrin Quaas, Sophia Döllscher, Christina Gelhaar und Ute Krüger mit ihren Hinweisen auf Bibelzitate.

Pia Haase-Leh (v.l.), Anne-Kathrin Quaas, Sophia Döllscher, Christina Gelhaar und Ute Krüger mit ihren Hinweisen auf Bibelzitate.

Foto: Frank Homann

Evangelische Frauenpower in Königswinterer Pfarrhäusern. Bis auf den Oberpleiser Pfarrer Heiko Schmitz sind sie fest in der Hand des weiblichen Geschlechts.

Als da wären: Christina Gelhaar (39), seit Jahresbeginn Pfarrerin für die Altstadt und Ittenbach, Sophia Döllscher (37), seit August 2015 gemeinsam mit Kollegin Anne-Kathrin Quaas (46) für Dollendorf und Oberkassel zuständig, sowie Ute Krüger (40), seit 1. Juli 2015 für Stieldorf und Birlinghoven verantwortlich. Da nimmt sich Pia Haase-Leh (59), die bereits seit 30 Jahren in der Heisterbacherrotter Emmausgemeinde aktiv ist, fast schon wie ein „alter Hase“ aus.

Dabei ist die Frauenpower alles andere als Zufall. Bis auf Sophia Döllscher haben alle anderen Pfarrerinnen lediglich Teilzeitstellen, weil die Kirchensteuereinnahmen zurückgehen und das Geld knapper wird.

Teilzeitstellen

„Die meisten Stellen werden nicht mehr zu hundert Prozent nachbesetzt. Und auf Teilzeitstellen bewerben sich eher Frauen als Männer“, sagt Ute Krüger. Dazu kommt, dass von zehn Pfarrern, die heute Examen machen, sechs Frauen sind. Generell geht das Interesse am Beruf des evangelischen Pfarrers dramatisch zurück. „Das sind fast schon katholische Verhältnisse“, sagt Pia Haase-Leh.

Dabei sind die 75 Prozent, die meist im Arbeitsvertrag fixiert sind, eher ein Witz. „Wir arbeiten alle zu 100 Prozent“, berichtet Christina Gelhaar.

Pfarrer müssen quasi rund um die Uhr in Rufbereitschaft verfügbar sein. Als sie am vergangenen Wochenende privat auf eine Taufe eingeladen war, bat sie zum Beispiel ihren Aegidienberger Kollegen, sie zu vertreten. Anders als die vier anderen Frauen hat Christina Gelhaar eine Einzelpfarrstelle, so dass sie keine direkte Vertreterin zur Verfügung hat.

„Ich habe mich gezielt auf eine 75-Prozent-Stelle beworben“, berichtet Anne-Kathrin Quaas. „Doch das war eine Selbsttäuschung. Das würde ich heute nicht mehr machen“, sagt sie.

Die Erfahrung, dass Vertrag und Wirklichkeit nicht übereinstimmen, gilt auch für Christina Gelhaar. „Ich habe bewusst eine Teilzeitstelle gesucht, damit ich Beruf und Familie kombinieren kann. Ich wollte mehr Zeit haben für mein Privatleben.“ Sie hat drei Kinder im Alter von vier bis acht Jahren.

Gemeindemitglieder, die ein Problem damit haben, einer Pfarrerin gegenüberzustehen, gibt es heute immer seltener. Es steht zwar schon mal jemand vor ihrer Tür und möchte den Pfarrer sprechen, erzählt Anne-Kathrin Quaas, aber das sei die absolute Ausnahme. „Wir werden als Amtsperson wahrgenommen.

Wer einmal den Talar angezogen hat, zieht ihn nie wieder aus. Er gibt uns einen Vertrauensvorschuss. Alles weitere hängt von der Persönlichkeit ab“, sagt Christina Gelhaar. „Unser Geschlecht ist kein Grund, ob die Leute kommen oder nicht. Vielleicht trifft da eher sogar das Gegenteil zu“, vermutet Pia Haase-Leh. Die Zeiten hätten sich sehr geändert. Sie erinnert daran, dass evangelische Theologinnen im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen bis 1974 nicht heiraten durften.

Ist die Kirche nur noch ein Treffpunkt für die Alten? In Heisterbacherrott trifft das nicht zu. Dort sind die meisten Gottesdienste gut besucht, besonders aber der Jugendgottesdienst, der bei Alten und Jungen gleichermaßen beliebt ist und gelegentlich schon Eventcharakter hat.

Ein solches Angebot gibt es in den anderen Gemeinden nicht. Anne-Kathrin Quaas ist es besonders wichtig, gemeinsam Gottesdienst zu feiern. „Meine Vorstellung von Gemeinde ist, dass Alt und Jung voneinander lernen und miteinander feiern“, sagt sie. Gerade weil jüngere Menschen weniger religiös sozialisiert seien. „Deshalb ist der Sonntagmorgen für mich ein heiliges Zeitfenster.“

Auch Sophia Döllscher möchte den Wert ihrer Arbeit nicht an Zahl oder Alter der Gottesdienstbesucher bemessen. „Ich würde nicht gering schätzen, dass wir auch mit wenigen Menschen sehr schöne und liebevoll vorbereitete Gottesdienste feiern“, sagt sie. Die demenzkranken Senioren aus dem Itzel-Sanatorium liegen ihr besonders am Herzen. An sie hat sie auch gedacht, als sie aufgefordert wurde, einen Bibelspruch mitzubringen. Sie hat sich für das Matthäus-Evangelium („Kommt her zu mir, alle, die ihr müheselig und beladen seid“) entschieden.

Allen fünf Pfarrerinnen ist klar, dass die Zeit wohl gegen sie arbeitet. „Wenn man die Statistiken sieht, kann es sein, dass wir mal das Licht ausknipsen“, sagt Anne-Kathrin Quaas. Auch wenn der Blick in die neuen Bundesländer zeigt, wie positiv die eigene Situation zurzeit noch ist. Pia Haase-Leh: „Da leben wir doch noch im geistlichen Schlaraffenland.“

Die evangelischen Kirchengemeinden in Königswinter

Die drei Kirchengemeinden Königswinter (Altstadt/Ittenbach, 1.600 Gemeindeglieder), Oberkassel-Dollendorf (3.800) und Stieldorf-Heisterbacherrott (3.600) gehören zu den 33 Gemeinden mit insgesamt 121.000 Protestanten im Evangelischen Kirchenkreis An Rhein und Sieg (Ekasur).

Beim Personal stehen der Gemeinde Oberkassel-Dollendorf 1,75 Pfarrstellen zu, die sich Sophia Döllscher (volle Stelle) und Anne-Kathrin Quaas (0,75 Stellen) teilen. In der Gemeinde Stieldorf-Heisterbacherrott (1,5 Stellen) haben Pia Haase-Leh und Ute Krüger jeweils eine 75-Prozent-Stelle. Um die Altstadt und Ittenbach kümmert sich Christina Gelhaar mit einer 75-Prozent-Stelle.

Von derzeit noch 60 Pfarrstellen im Ekasur sollen bis 2030 weitere 16 Stellen eingespart werden.

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