Renaturierungsprojekt des Erftverbandes Swist darf eigene Wege fließen

SWISTTAL · Gemächlich wühlt sie sich durch ihr gemütliches Kiesbett und lässt sich dabei durch nichts aus der Ruhe bringen - derzeit zumindest. Wer die pure Entschleunigung sucht, muss nicht in die Ferne schweifen. Er findet sie an der Swist, dem mit 43,6 Kilometern längsten Bach Europas.

Doch das so harmlos daherfließende Gewässerchen kann auch anders: Es schwillt von jetzt auf gleich gewaltig an und überschwemmt halbe Ortschaften. Um die Swistanrainer vor Hochwasser zu schützen und - wie die EU-Bürokraten es fordern - einen "guten ökologischen Gewässerzustand" zu erreichen, hat sich der Erftverband in den vergangenen fünf Jahren mächtig ins Zeug gelegt. Wie bei Miel trägt die Renaturierung zwischen Kalenborn im Kreis Ahrweiler und der Mündung in Weilerswist reiche Früchte.

Einer, der entlang der Swist - der Name leitet sich vom niederdeutschen Begriff "twisten" (teilen, sich gabeln) ab - jeden Stein und jeden Swistknick kennt, ist Karl-Heinz Beier, Projektleiter beim Erftverband in Bergheim. In die Renaturierung der Swist hat der Verband seit dem Beginn des Landesprogramms "Lebendige Gewässer" im März 2011 Millionen investiert. Wie viele Millionen Euro es sind, lässt sich laut Beier gar nicht mit Gewissheit sagen. Nur so viel steht fest: Bis 2027 muss die sogenannte Wasserrahmenrichtlinie der EU umgesetzt sein. Obgleich bis dahin noch zwölf Jahre ins Land gehen, ist das für Beier kein Grund zur Gemächlichkeit - im Gegenteil. Die Zeit drängt, wie er im Gespräch mit dem GA berichtet, um den Bach bis 2017 wieder naturnäher zu machen.

In den 60er- und 70er-Jahren war es nämlich in Mode die Swist zu uniformieren, wie die Fachleute es nennen. Mächtige Steine begrenzen seitdem das Gewässer an seinen Seiten. Der Effekt: Die Ufer wurden somit künstlich begradigt. Das erhöhte nicht nur die Fließgeschwindigkeit, sondern führte auch dazu, dass sich gewisse Tiere wie Bachflohkrebse oder Wasserschnecken in der Swist rar machten. "Zwischenzeitlich haben wir herausgefunden, dass die Tiere fehlen, die wir dort erwarten", sagt der Diplom-Ingenieur.

Um diese Tiere wieder anzusiedeln, starte der Verband die "Rolle rückwärts für die Artenvielfalt", wie Beier es nennt. Dabei helfen große Bagger. Sie baggern am mehreren Stellen im Swisttaler Gemeindegebiet große Brocken aus den Uferarealen heraus. "Wir haben einige Steinpackungen herausgeholt", so Beier. Vor allem zwischen Morenhoven und Miel sei dies sichtbar - nicht nur für Experten. "Es hat ein Umdenkungsprozess in der Fachwelt, in der Politik, in der Gesetzgebung und in der Gesellschaft stattgefunden, den setzen wir jetzt um."

Herrschte vor Jahrzehnten die Denkweise vor, Flüsse und Bäche zu begradigen, um Hochwasser zu vermeiden, wird heutzutage das Gegenteil als richtig angesehen. Heute versucht der Erftverband, Überflutungen der Orte an der Swist nach sogenannten Starkregenereignissen durch das Anlegen von Retentionsflächen zu verhindern. "Auenreaktivierung" nennt Karl-Heinz Beier dieses Vorhaben. Kleine und mittlere Hochwasser, die aus der Siedlungsentwässerung stammen, lassen sich somit verhindern. "Die Hochwasser können ausufern und werden dadurch gedämpft."

Doch damit die Swist mehr Platz hat, um im Wortsinne ausufern zu können, muss der Erftverband bachnahe Flächen erwerben. "Mit der größte Kostenpunkt bei der Renaturierung ist der Grunderwerb", sagt Beier. Die Swist bei Miel zeigt derzeit sehr deutlich, wie ein begradigter Bachlauf zurück in sein naturnahes Bett findet: Eher geschlängelt denn begradigt mutet der Flusslauf an. Baumstämme liegen im Bach mit dem Ziel, die Fließgeschwindigkeit zu beeinflussen. Die Sohle der Swist ist dort aus Lehm und Schotter. Bei Flerzheim etwa ist die Swist in ein fast schon kanalartiges Betonkorsett gezwängt. Fische, die bei Miel im Wasser auf und ab schwimmen, bekommen Spaziergänger, Jogger oder Fahrradfahrer ebenfalls zu sehen. Am Uferrand sind Bäume angepflanzt.

Die Schattenspender sind wichtig, um das Wasser der Swist kühl zu halten. Nur kühles Wasser hält genügend Sauerstoff vor, damit selbst empfindliche Lebewesen darin überleben können. Eine große Vielfalt an Lebewesen ist so etwas wie der Garant dafür, dass die Swist hohe Selbstreinigungskräfte aufbringen kann.

Was Beier am Mieler Projektabschnitt besonders freut, ist seine Strahlkraft auf das gesamte Gewässer: Die sogenannten Strahlursprünge reichen nach Beiers Angaben aus, um die Qualität des Bachs dauerhaft zu verbessern. "Strahlursprünge sind Gewässerabschnitte, wie hier bei Miel, bei denen die entsprechenden Maßnahmen umgesetzt wurden und so als Quelle für ökologische Vielfalt dienen", sagt Beier. Denn dann müssen nicht überall Bagger der Natur auf die Sprünge helfen. "Wir lassen die Natur mal machen."

Radweg weicht für neue Swistaue

Damit sich die Swist ausbreiten kann, ist etwa der Swistauenradweg bei Morenhoven verlegt worden. Der ist nun rund 200 Meter vom eigentlichen Bachufer entfernt zu finden. Die Wegstrecke ist nicht geteert, sie besteht aus Kalksplit. Der alte Radweg wurde zurückgebaut und ein Teil des Geländes abgetragen. 75.000 Euro hat die Verlegung und Neugestaltung des zweiten Radwegteilstücks gekostet, das im August 2013 eröffnet wurde.

80 Prozent wurden vom Land NRW gefördert. Der erste Bauabschnitt schlug im Jahr 2010 mit rund 66.000 Euro zu Buche. Der Swistauenweg ging ins Eigentum der Gemeinde Swisttal über, die für die Unterhaltung der Trasse zuständig ist, die eine wichtige Fahrradverbindung zwischen Meckenheim und Weilerswist gilt.

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