Bürger auf den Barrikaden In Swisttal gibt es immer wieder neue Bürgerinitiativen

SWISTTAL · Im kommunalpolitischen Bermudadreieck Heimerzheim, Buschhoven, Odendorf regelmäßig die Bürger auf die Barrikaden. Und das Primat der Politik im Sinne der indirekten Demokratie hat das Nachsehen. Kaum eine Gemeinde kann so viele aktive und durchaus erfolgreiche Bürgerinitiativen verzeichnen wie Swisttal.

 Die Swisttaler Bürgerinitiativen kümmern sich um Autobahnlärm...

Die Swisttaler Bürgerinitiativen kümmern sich um Autobahnlärm...

Foto: Wolfgang Henry

Wir befinden uns im Jahre 2013. Ganz Deutschland ist eine repräsentative Demokratie. Ganz Deutschland? Nein! Eine von unbeugsamen Bürgern bevölkerte Gemeinde hört nicht auf, den gewählten Politikern Widerstand zu leisten... Mit diesem abgewandelten Zitat aus Asterix ließe sich die politische Atmosphäre in der Flächengemeinde Swisttal skizzieren.

Denn während andere Städte und Gemeinden ihre richtungsweisenden Entscheidungen vornehmlich im dafür gewählten Rat treffen, gehen im kommunalpolitischen Bermudadreieck Heimerzheim, Buschhoven, Odendorf regelmäßig die Bürger auf die Barrikaden. Und das Primat der Politik im Sinne der indirekten Demokratie hat das Nachsehen. Kaum eine Gemeinde kann so viele aktive und durchaus erfolgreiche Bürgerinitiativen verzeichnen wie Swisttal.

Aber warum ist das so? Warum ist die Sehnsucht nach Basisdemokratie dort so groß? Verstehen und beachten die gewählten Kommunalpolitiker den Bürgerwillen zu selten? Hat die jahrzehntelange Übermacht der Christdemokraten zu einer politischen Monokultur geführt, die wenig auf die Zwischentöne gibt?

Aktuell steht die Ausweisung der Konzentrationszonen für Windräder auf der Tagesordnung, und gleich zwei Bürgerinitiativen aus Dünstekoven und Miel haben Bedenken angemeldet. Die Anwohner fürchten, dass künftig ein großer Windpark zwischen Dünstekoven und der A 61 entstehen könnte. Das sei optisch und von den Immissionen her nicht vertretbar, argumentieren sie. Manch einer sähe die Windräder, wenn überhaupt, lieber ganz am Rande der Gemeinde. Die Gemeinde ihrerseits weist darauf hin, dass ihr grundsätzlich die Hände gebunden sind. Sie hat aus rechtlicher Sicht nur die Möglichkeit, eine oder mehrere Flächen als Konzentrationszonen auszuweisen oder - tut sie das nicht - den Antrag auf Errichtung eines Windrades an jeder Stelle in der Gemeinde zu genehmigen. Die Suche geht weiter, die Diskussion wohl auch.

Einen Davidsieg gegen den Goliath der Bundespolizei hat vor zwei Jahren die Bürgerinitiative "Der Turm muss da weg" erreichen können. Anwohner des Heimerzheimer Mühlenberges hatten sich zusammengeschlossen, weil auf dem Gelände der Bundespolizei, nur wenige Meter von ihren Privatgrundstücken entfernt, ein 60 Meter hoher Mast für den Digitalfunk der bundesdeutschen Behörden gebaut worden war. Nach langem Hin und Her und starker Unterstützung durch Bundes- und Landespolitiker musste der Mast versetzt werden.

Weniger erfolgreich waren bislang die Bürgerinitiativen gegen den Bau einer Putenmastanlage in Palmersheim und gegen die Abholzung von Bäumen am Odendorfer Bahnhof. Weitere Themen liegen immer noch in der Luft. Ob es nun um Lärmschutz zur A 61 oder die Umgehungsstraße um Miel geht, es gibt noch einigen politischen Zündstoff, mit dem sich die kommunalpolitischen Gremien zu befassen haben.

Bürgermeister Eckhard Maack sieht in den Bürgerinitiativen "keine Konkurrenzveranstaltung zu Rat oder Verwaltung". Es handele sich häufig um Spezialinteressen einzelner Bürgergruppen, die durchaus ihre Berechtigung hätten. "Wir nehmen das ernst und unterstützen das dadurch, dass wir Informationen zur Verfügung stellen. Vielfach können Bürger im Zusammenspiel mit den Politikern sogar den Druck noch erhöhen", so Maack. Etwa beim Thema Putenmast. Hier müsse das Planungsrecht als solches verändert werden. Ein Änderungsverfahren laufe nun auf Landesebene.

Um Kooperation geht es auch den Initiativen. Sie legen Wert darauf, dass sie differenziert argumentieren. "Wir wollen gar nicht den Anschein erwecken, dass wir immer dagegen sind", sagt Joachim Güttes von der Bürgerinitiative "Lebenswertes Swisttal". Seine Leute seien etwa nicht pauschal gegen Windkraft. Allerdings: "Mein Eindruck ist nur, wir leben hier in einer Diktokratie, einer politischen Monokultur, die keine Brücke zum Bürgerbedürfnis schlägt. Das frustet, und da sehen wir unsere Aufgabe."

Steckbriefe Initiativen

"Der Turm muss da weg"
Ziele: Versetzung des 60 Meter hohen Digitalfunkturms in direkter Nachbarschaft zur Wohnbebauung am Mühlenberg.
Erfolg: Turm wurde versetzt
Vorsitz: Ferdi Tempel
Mitglieder: 10 Familien, 300 Unterstützer; existiert nicht mehr

Lebenswertes Swisttal
Ziele: Brücke zwischen Bürgerbedürfnis und Politik, Themen: Autohof, Lärmschutz A 61, Verkehrsberuhigung Miel, Windkraftanlagen
Erfolge: Autohof liegt ad acta
Vorsitz: Günter Aulenbach
Mitglieder: 300
Kontakt: info@lebenswertes-swisttal.de

Wir für Swisttal
Ziele: Begrenzung Baulandausweisung, Nahversorgung-Infrastruktur für Ortskerne
Erfolge: 1200 Unterschriften gegen Gemeindeentwicklungskonzept, Bürgerinfoabend zu Nahversorgung in Buschhoven
Vorsitz: Markus Tilgner
Mitglieder: 30
Kontakt: info@wir-fuer-swisttal.de

Rettet Bäume und Biotope
Ziele: Rettung der Bäume am Bahnhof Odendorf, jetzt allgemein für Bäume und Biotope
Erfolge: Erhalt von 21 der 200 Bäume am Bahnhof Odendorf. 76 Baumpaten, 638 Unterschriften für den Erhalt der Bäume.
Vorsitz: Jost von Sturm
Mitglieder: 10
Kontakt: info@bautechnik-phiesel.de, Telefonnumer: 0 2255/948252

Windräder Dünstekoven
Ziele: Keine Konzentrationszone für Windräder zwischen Dünstekoven und A 61
Erfolge: Politische Diskussion
Vorsitz: Andreas König
Mitglieder: 200 Unterstützer
Kontakt: Ist als Ortsgruppe der InitiativeLebenswertes Swisttal beigetreten

Frischluft statt Tierfabriken
Ziele: Gegen Putenmastanlage in Palmersheim
Erfolge: Petition, Unterschriftensammlung, Mastanlage konnte dennoch nicht verhindert werden
Vorsitz: Karla Detro
Mitglieder: k.A., 2000 Unterstützer
Kontakt: frischluft-statt-tierfabriken@gmx.de, Telefonnummer 02226/2861.

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