Welle der Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge Viele Spenden, wenig Platz

RHEIN-SIEG-KREIS · Kiste um Kiste haben die ehrenamtlichen Helfer gestern aus der Kita Rathausstraße in Troisdorf geschleppt. Unter der Regie von Helfer Nico Novacek füllte sich so Wagen um Wagen. In der Kita hatten Spender vergangene Woche unzählige Handtücher, Bettbezüge und Laken für die Flüchtlinge abgegeben, die in der Dreifachturnhalle untergebracht sind.

 Ab in den Anhänger (v.l.): Nico Novacek, Alfons Bogolowski und Dieter Gattinger laden die Kisten ein.

Ab in den Anhänger (v.l.): Nico Novacek, Alfons Bogolowski und Dieter Gattinger laden die Kisten ein.

Foto: Hannah Schmitt

Dabei kam so viel Material zusammen, dass sich die Kisten im Keller und sogar im Mitarbeiterraum bis unter die Decke stapelten. Regierungspräsidentin Gisela Walsken lobte jüngst die Hilfsbereitschaft der Bürger. Gleichwohl müssen die Kommunen einige Klimmzüge unternehmen, um die steigende Zahl an Flüchtlingen unterzubringen.

"Wir waren alle sehr beeindruckt von der Anteilnahme", erzählt Heike Jeremies, die ehrenamtlich mit anpackte. "Es war enorm, ein richtiger Durchgangsverkehr", sagt die stellvertretende Kita-Leiterin Sandra Siegmund, die trotz des laufenden Betriebs beim Sortieren und Packen mithalf.

Am Montag brachten elf Freiwillige mit Hilfe der Jugendfeuerwehr und des Deutschen Roten Kreuzes die Kisten ins neue Zwischenlager an der Viktoriastraße. Einige kamen auch direkt in die Dreifachturnhalle, an der bereits weitere Spenden lagern. In der Halle sind die Flüchtlinge noch bis zum Schulstart kommende Woche untergebracht. Wo sie danach einquartiert werden, wird laut Stadtsprecherin Bettina Plugge noch geklärt.

Wie berichtet, hatte das Land die Stadt Troisdorf in der vorvergangenen Woche aufgefordert, kurzfristig Raum für eine Notunterkunft bereitzustellen - für mindestens drei Wochen, weil die regulären Erstaufnahmestellen des Landes überfüllt sind. Im Gegenzug habe das Land zugesichert, in den drei Wochen keine weiteren Flüchtlinge zuzuweisen, die dann kommunal untergebracht werden müssen, so Sozialamtsleiterin Ulrike Hanke. Zurzeit ist die Stadt für 363 Flüchtlinge aus mehr als 40 Nationen zuständig - und zwar in 29 Einrichtungen.

Eiliges Handeln

Bei der Einrichtung der Notunterkunft hatte die Stadt schnell handeln müssen: Binnen 48 Stunden sollte sie fertig sein. Sind andere Kommunen auf solche Fälle vorbereitet? Kaum, sie müssten improvisieren. "Wir haben keinen Masterplan", so Dominique Müller-Grote, Sprecher der Stadt Hennef.

"Wenn der Fall eintritt, müsste es so laufen wie in Troisdorf." Heißt: Dann wäre es wahrscheinlich, dass die Wahl auf eine Turnhalle fällt. In Hennef leben 311 Flüchtlinge aus 28 Nationen. Müller-Grote: "Der Druck wird größer, aber es läuft ganz gut." Auch dank der ehrenamtlichen Kräfte, die bei der Betreuung helfen.

Die gibt es auch in Siegburg, wo vor Monaten ein runder Tisch gegründet worden ist. Die Verwaltung hat nun das Sachgebiet "Asyl- und Flüchtlingsangelegenheiten" eingerichtet, Markus Wrobel leitet es. "Die Menschen haben mit ihren Kindern und häufig nicht viel mehr als zwei Plastiktüten Gepäck die Heimat verlassen.

Es muss ihnen wie eine andere Welt vorkommen." Er freut sich über das Engagement. Wrobel ist aber auch Ansprechpartner, wenn es um Wohnraum geht: Er wird händerringend gesucht. "Durch die Anmietung von Privatwohnungen und Ferienwohnungen für Übergangszeiten bemühen wir uns, Engpässe aufzufangen", so Stadtsprecher Wolfgang Hohn.

Auch ein Teil der Brückberg-Kaserne wird von Flüchtlingen bewohnt. Die städtischen Unterbringungsmöglichkeiten seien nahezu erschöpft, so Hohn. Im Falle einer Ad-hoc-Aktion wie in Troisdorf bleibe der Stadt nichts anderes übrig, als auf Turnhallen oder Schulen zurückzugreifen, wenigstens übergangsweise.

Aktuell hat Siegburg 270 Menschen aus 20 Nationen untergebracht, allein seit Januar kamen 130. Zum Vergleich: 2014 wurden im gesamten Jahr 100 Personen zugewiesen, 2013 34. Der Trend in anderen Städten ist ähnlich.

Die Zahl der zugewiesenen Flüchtlinge - Grundlage ist der sogenannte Königsteiner Schlüssel (siehe Info-Kasten) - steigt überall. In Niederkassel leben in 13 städtischen Unterkünften und neun Wohnungen 250 Flüchtlinge, 119 wurden allein in diesem Jahr zugewiesen.

Sankt Augustin kümmert sich in zwölf Sammelunterkünften und neun Wohnungen um 415 Flüchtlinge, davon kamen 2015 insgesamt 186. Die Stadt geht davon aus, dass die neue Unterkunft des Landes in der Ex-Medienzentrale der Bundeswehr - dort sollen bis zu 800 Menschen Platz finden - auf die städtische Quote angerechnet wird. Demnach muss die Stadt keine weiteren Flüchtlinge unterbringen. "Das wird aber erst ab September der Fall sein, wenn die Medienzentrale umgebaut ist", so Sprecherin Eva Stocksiefen.

Einsätze in Flüchtlingsunterkünften

Die Polizei Rhein-Sieg erhebt seit Februar die Einsätze und Straftaten im Zusammenhang mit Asyl- und Flüchtlingsunterkünften. Laut Polizeisprecher Burkhard Rick gab es seither 50 Einsätze wegen Streitereien und Diebstählen, in 20 Fällen wurde ein Strafverfahren eingeleitet. Die rund 130 Gebäude, in denen die Flüchtlinge bislang dezentral untergebracht sind, stünden auf dem Streifenplan.

"Die Sicherheitslage hat aber keine besondere Präsenz erfordert", so Rick. In Bezug auf zentrale Unterbringungseinrichtungen mit 100 oder mehr Flüchtlingen hat die Kreispolizei keine Erfahrungen. "Wir planen noch, wie wir uns aufstellen." Der Bezirksbeamte werde sich in der neuen Einrichtung in Sankt Augustin aber sehen lassen.

Es gebe bereits einen engen Kontakt zum Betreiber, der Bezirksregierung und den städtischen Dienststellen. Insgesamt verweist Rick auf die Landeszahlen: So habe es im Juni einen Einsatz pro 100 Flüchtlingen gegeben. "Das deckt sich in etwa mit dem Einsatzaufkommen bei der restlichen Bevölkerung."

Königsteiner Schlüssel

Asylbewerber, die in Deutschland Zuflucht suchen, werden nach dem "Königsteiner Schlüssel" auf die Bundesländer verteilt und dort untergebracht. Der Schlüssel richtet sich nach Steuereinnahmen und Bevölkerungszahl der Länder.

Das Steueraufkommen wird mit zwei Dritteln, die Bevölkerungszahl mit einem Drittel gewichtet. NRW nimmt mit 21,2 Prozent die meisten Flüchtlinge auf. Unter Federführung der Bezirksregierung Arnsberg werden die Menschen auf die Kommunen weiterverteilt.

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